Wie viel Protein brauchen Kühe mit hoher Milchleistung?
Im Bereich der Milchkuhfütterung wird die Frage, wie hoch die Versorgung mit Futterprotein sein muss und wie viel Protein insbesondere Rationen für Tiere mit hohen Leistungen enthalten sollten, sehr intensiv und teilweise auch kontrovers diskutiert. Die naheliegende Antwort auf diese Fragen wäre, dass sich die Höhe der Proteinversorgung am jeweiligen Bedarf ausrichten muss und die dafür bestehenden Normen eingehalten werden sollen.
Nach deutschem Proteinbewertungssystem hat eine Kuh mit 700 kg Lebendmasse einen Erhaltungsbedarf von 470 g nutzbarem Rohprotein (nXP) am Tag (+/- 4 g je 10 kg höherem oder geringerem Gewicht). Dazu wird der leistungsabhängige Bedarf von 85 g nXP je kg Milch mit 3,4 % Eiweiß addiert (+/- 2 g nXP je 0,1 % Eiweiß mehr oder weniger). Also hat eine 700 kg Kuh mit einer Leistung von 30 kg Milch mit 3,4 % Eiweiß einen nXP-Bedarf 3020 g am Tag, bei einem vergleichbaren Tier mit 40 kg Milch wären es 3870 g nXP. Bei Annahme von 21 bzw. 23 kg täglicher Trockenmasseaufnahme ergeben sich daraus rechnerisch notwendige nXP-Gehalte der gefütterten Rationen von 144 g und 168 g nXP je kg Trockenmasse (TM). Bei einer ausgeglichenen kalkulierten Stickstoffbilanz im Pansen (RNB), die als Optimum anzustreben ist, wäre der Bedarf an Rohprotein mit dem nXP-Bedarf identisch. Gewisse Variationen wären aber möglich, denn nach etablierten Empfehlungen der Fütterungsberatung sollte die RNB nicht im deutlich negativen Bereich unter -20 g/Kuh/Tag liegen, um N-Defizite im Pansen zu vermeiden. Mindestens genauso wichtig ist die Vorgabe, dass die RNB nicht über +50 g, besser noch unter +30 g je Kuh und Tag liegen sollte. Hohe kalkulierte RNB-Werte weisen auf einen N-Überschuss hin, der ungenutzt ausgeschieden wird, dabei die Leber und die Niere sowie dann letztendlich auch noch die Umwelt belasten kann. Leicht negative RNB sind für die Wiederkäuerverdauung sicher unproblematischer zu sehen als hoch positive Werte. Ein Zielbereich der RNB könnte demnach zwischen -10g und +20 g je Tier und Tag liegen. Bezieht man diese Spanne in die Bedarfsberechnung ein, resultieren daraus für die beiden Beispielskühe mit 30 bzw. 40 kg Milch Bereiche für die Rohproteingehalte der Rationen von 141 bis maximal 150 g bzw. von 166 bis maximal 174 g je kg TM. Da gerade der Stoffwechsel von Hochleistungskühen hohen Belastungen ausgesetzt ist, sollten 180 g Rohproteingehalt für solche Tiere als absolute Obergrenze gesehen und keinesfalls überschritten werden. Optimal ist die Situation, wenn sich der Rohprotein- und der nXP-Gehalt nicht oder nur wenig unterscheiden.
Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die rechnerisch notwendigen nXP-Gehalte von Rationen für Milchkühe bei unterschiedlichen Milchleistungen und bei verschiedenen unterstellten Futteraufnahmen. Zum nXP-Wert sind Bereiche für die Rohproteingehalte ausgewiesen, wenn die RNB zwischen -10 g und + 20 g je Kuh und Tag liegt. Aus den Zahlen wird ersichtlich, dass die notwendigen Proteingehalte natürlich stark vom konkreten Futterverzehr abhängen. Dies ist in der praktischen Fütterung unbedingt zu beachten. Der bestehende Bedarf und die erwartete, besser die realisierte Futteraufnahme sind die Basis für die Rationsberechnung. Tabelle 1 zeigt auch Gehaltswerte, die kalkulatorisch notwendig sind, wenn hohe Leistungen mit relativ geringen TM-Aufnahmen einhergehen, z. B. bei Frischmelkern zum Laktationsstart in Hochleistungsherden (Werte in Klammern). Sehr hohe Rohrohproteingehalte würden hier aber ganz besonders die Gefahr von Stoffwechselbelastungen mit sich bringen, und eine Orientierung auf moderate bzw. im unteren Variationsbereich liegende Werte ist empfehlenswert. Immer ist die tatsächliche Rationsgestaltung an der konkreten Situation für die Kühe bzw. der Gruppe oder der Herde auszurichten (Futteraufnahme und Leistung sowie die für die Einzeltiere).
Tabelle 1: Kalkulatorisch notwendige nXP-Gehalte von Milchkuhrationen zur Bedarfsdeckung bei
unterschiedlichen Milchleistungen (3,4 % Eiweiß) und Futteraufnahmen sowie mögliche
Bereiche für die Rohproteingehalte (Annahme 700 kg Lebendmasse)
kg TM/ Kuh/Tag |
kg Milch/Kuh/Tag |
||||
25 |
30 |
35 |
40 |
45 |
|
Kalkulierter nXP-Gehalt, Bereich der Rohproteingehalte, g/kg/TM |
|||||
20 |
130 127 - 136 |
151 148 - 157 |
(172) (169 - 178) |
|
|
22 |
|
137 134 - 143 |
157 154 - 162 |
(176) (173 - 182) |
|
24 |
|
|
143 141 - 149 |
161 159 - 166 |
(179) (176 - 184) |
26 |
|
|
|
149 146 - 154 |
165 163 - 170 |
Dass eine Fütterung mit sehr viel Rohprotein und daraus resultierenden Milchharnstoffgehalten von 300 mg/l und darüber nicht notwendig, sondern eher schädlich für die Kühe ist und deshalb vermieden werden sollte, ist bekannt. Deshalb haben sich einige Betriebe sogar entschieden, ausgesprochene Niedrig-Protein-Strategien bei der Versorgung ihrer Milchkuhherden umzusetzen und berichten teilweise über positive Erfahrungen. Weiterhin hat die Höhe der Proteinversorgung Einfluss auf die N-Bilanz von Betrieben, also auf die Umweltwirkung im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens und natürlich im Rahmen gesetzlicher Vorgaben. Auch hier könnten geringere Rohproteinangebote und die sichere die Vermeidung von Rohproteinüberhängen hilfreich sein. Zudem ist bei der Proteinversorgung von Milchkühen zu bedenken, dass Futtermittel mit hohen Proteingehalten zu den vergleichsweise teuersten gehören. Letztendlich steht aus genannten Gründen also die Frage, wie viel Protein Milchkühen tatsächlich angeboten werden muss, um sie noch leistungsgerecht zu versorgen. Die Fragen könnten aber auch so formuliert werden: Mit wie wenig Protein kommen Kühe mit guter Milchleistung aus? Bis zu welchem Bereich kann ich N-Bilanzen und Futterkosten „drücken“, um die Futter-N-Effizienz zu verbessern, auch um mögliche Stoffwechselbelastungen auszuschließen, ohne aber Leistungseinbußen und ökonomische Verluste hinnehmen zu müssen?
Um einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen liefern zu können, wurden am ZTT Iden zwei Fütterungsversuche mit leistungsstarken Milchkühen durchgeführt. Dabei kam es zum Vergleich von schon auf effizienten Eiweißfuttereinsatz aber am kalkulierten Bedarf ausgerichteter Standardvarianten und der Fütterung von Rationen mit deutlich abgesenkten Rohproteingehalten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden in Kürze im zweiten Teil der Veröffentlichung auf proteinmarkt.de nachzulesen sein.
Zwei Versuche zur Proteinreduzierung in Iden
Im ersten Teil dieser Veröffentlichung wurden grundsätzliche Anforderungen an die Proteinversorgung von Milchkühen sowie Überlegungen für das Erreichen hoher Protein- bzw. N-Effizienz in der Fütterung vorgestellt. Dabei ergaben sich letztendlich die Fragen, wie viel Eiweiß in der Milchkuhfütterung noch eingespart werden kann und mit wie wenig Rohprotein man in der Ration auskommt.
Den vollständigen Bericht entnehmen Sie bitte der angehängten Datein.
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Andrea Meyer
Rinderfütterung, Schweinefütterung, Futterberatungsdienst e.V.
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