Kindererziehungszeiten sinnvoll aufteilen
Wenn Ehepartner Eltern werden, erhält derjenige die Erziehungszeiten auf seinem Rentenkonto gutgeschrieben, der das Kind überwiegend erzieht. Doch manchmal kann es sinnvoll sein, diese Zeiten auch untereinander aufzuteilen. Wir erklären anhand einer Beispielfamilie, was Sie dabei beachten müssen.
Manuela und Joachim Meyer sind vor einem Jahr das erste Mal Eltern geworden. Bis zum Mutterschutz arbeitete Manuela als Produktmanagerin bei einem Futtermittelhersteller. Kurz nach der Geburt erhielt sie ein Schreiben von der Deutschen Rentenversicherung wegen der Kindererziehungszeit.
Grundsätzlich erhält derjenige Elternteil die Kindererziehungszeit angerechnet, der das Kind überwiegend erzieht. Da Manuela auf das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung nicht weiter reagiert hat, wird davon ausgegangen, dass sie als die Mutter das Kind überwiegend erzieht. Somit werden Manuela die Rentenansprüche für die drei Jahre Kindererziehungszeit auf ihrem Rentenkonto gutgeschrieben.
Ein Jahr nach der Geburt geht Manuela wieder arbeiten. Damit sind ihr Mann und sie beide berufstätig und erziehen ihre Tochter gemeinsam. Sie können entscheiden, wem die Kindererziehungszeiten ab jetzt zugeteilt werden sollen.
Entscheidung endgültig
Dabei sollte abgewogen werden, bei wem die Anrechnung vorteilhafter ist. Diese Entscheidung kann für die Zukunft und nur bis zu zwei Monate rückwirkend getroffen werden und ist nachträglich nicht mehr zu ändern. Formell geschieht das über eine übereinstimmende Erklärung beider Elternteile, dass die Kindererziehungszeit ab jetzt dem Vater zugeordnet werden soll. Das entsprechende Formular erhält man online bei der Deutschen Rentenversicherung. Bevor diese Entscheidung getroffen wird, sollten aber alle Facetten bedacht sein.
Verdient die Mutter gut und arbeitet in den ersten drei Jahren nach der Geburt wieder, wird sie nicht von den vollen Rentenansprüchen der Kindererziehungszeit profitieren.
Mit der Kindererziehungszeit zahlt der Staat Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung ein und das bis zu drei Jahre lang (siehe Abbildung 1).
Abb. 1
Ob die Kindererziehungszeit 3 Jahre oder 2,5 Jahre beträgt, ist von der Geburt des Kindes abhängig. Für vor 1992 geborene Kinder erhält der überwiegend erziehende Elternteil 2,5 Jahre Rentenanwartschaften. Für ab 1992 geborene Kinder gibt es für 3 Jahre Rentenversicherungseinzahlungen. Die Höhe dieser bemisst sich nach den Rentenansprüchen die ein Durchschnittsverdiener pro Jahr erwirbt (vorläufiges durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt 2022: 38.901 €). Ein Verdienst von 38.901 € entspricht einem Entgeltpunkt der Rentenversicherung und damit aktuell 34,19 € späterer Monatsrente.
Maximal ist es möglich, pro Jahr Rentenansprüche auf Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu erhalten. Die liegt zurzeit bei 84.600 € und entspricht damit 2,17 Entgeltpunkten. Arbeitet eine Mutter, der die Kindererziehungszeiten gutgeschrieben werden, während dieser Zeit für einen Bruttoverdienst von mehr als 45.699 € (84.600 € minus 38.901 €), so wird sie nicht die vollen Rentenansprüche für die Kindererziehungszeit erhalten (Siehe Abbildung 2).
Verlust für Gutverdiener
Als die Tochter der Meyers ein Jahr alt ist, kehrt Manuela in den Beruf zurück. Sie verdient 47.000 € brutto und zahlt darauf entsprechende Rentenversicherungsbeiträge. Bei der Zuordnung der Kindererziehungszeit bekäme sie nur im ersten Jahr einen ganzen Entgeltpunkt, in den Jahren zwei und drei nur 0,91 Entgeltpunkte pro Jahr. Manuela erreicht zusammen mit den Rentenansprüchen aus ihrer beruflichen Tätigkeit mehr als das Maximum. Ihr gehen damit für die zwei Jahre 0,18 Entgeltpunkte verloren. Für die späterere Monatsrente aus Kindererziehungszeit würde dies heute 96,42 € statt 102,57 € bedeuten.
Abb. 2
Mindestzeiten auffüllen
Paare, die Kinder im Alter von über drei Jahren haben und noch nicht Rentner sind, haben keine Handlungsmöglichkeit mehr. Manuela und Joachim dahingegen können noch reagieren. Wenn sie ab dem Zeitpunkt, ab dem Manuela wieder arbeitet, Joachim die Kindererziehungszeit zuordnen, bekäme dieser die vollen Rentenpunkte auf sein Rentenkonto bei der Deutschen Rentenversicherung (Abbildung 3). Denn Manuelas Mann Joachim ist Landwirt und zahlt Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse. In die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat er nur während seiner Lehre drei Jahre eingezahlt. Um später eine Rente aus der DRV zu bekommen, muss er aber die Mindestversicherungszeit von fünf Jahren erfüllt haben. Auch deshalb könnte es sinnvoll sein, wenn Manuelas Mann mit den Rentenansprüchen der Kindererziehungszeit seine Mindestversicherungszeit auffüllt.
Abb. 3
Vorzeitiges Versterben
Manuela muss dennoch bedenken, dass sie einen Rentenanspruch an ihren Mann abgibt, der ansonsten ihr zusteht. Daher sollte sie auch die weiteren Punkte durchdenken. Genießen Joachim und Manuela ihre Renten später gemeinsam, ist es unerheblich auf wessen Rentenkonto die Rentenansprüche lagern. Sie geben das Geld zusammen aus. Sollte Joachim aber vor seiner Frau versterben, hätte sie ab diesem Moment die Rente aus den Kindererziehungszeiten nur noch zu einem Teil über die Witwenrente oder auch gar nicht mehr zur Verfügung – das ist vom jeweils anzuwendenden Witwenrentenrecht abhängig. Kleine und große Witwenrente, Neu- und Altrecht, sowie Hinzuverdienstgrenzen seien hier nur als Schlagworte genannt.
Rechtslage bei Scheidung
Sollten Manuela und Joachim sich einmal scheiden lassen, würde der Versorgungsausgleich geregelt. Sämtliche während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche bei der landwirtschaftlichen Alterskasse, der Deutschen Rentenversicherung, aus betrieblicher Altersvorsorge, aus privaten Rentenversicherungen und dergleichen würden aufgeteilt. Für das Ehepaar bedeutet das: Lassen sie sich scheiden, würden auch die Kindererziehungszeiten aufgeteilt. Bleiben sie hingegen bis ins hohe Alter zusammen, könnten sie die Rente aus der Kindererziehungszeit zusammen ausgeben, egal auf wessen Rentenkonto sie verbucht sind.
Haben die beiden aber den Versorgungsausgleich in ihrem Ehevertrag ausgeschlossen, was in der Landwirtschaft vielfach der Fall ist, so bleiben die Kindererziehungszeiten im Scheidungsfall bei dem, der sie auf seinem Rentenkonto hat.
Wäre Manuela Beamtin, so würde auch im Versorgungssystem der Beamten die Kindererziehungszeit in ähnlichem Umfang angerechnet. Auch hier gibt es Begrenzungen nach oben. Wenn das Ruhegehalt einschließlich des Kindererziehungszuschlags, wie es hier heißt, die erreichbare Höchstversorgung überschreitet, wird der Kindererziehungszuschlag auch hier entsprechend gekürzt.
Hinweis:
Das oben Genannte gilt gleichermaßen für Lebenspartner in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft. Auch sie müssen in gleicher Weise gemeinsam diese Entscheidung treffen.
Fazit:
- Grundsätzlich erhält derjenige Elternteil die Kindererziehungszeit angerechnet, der das Kind überwiegend erzieht.
- Verdient die Mutter gut und arbeitet kurz nach der Geburt wieder, wird sie nicht von den vollen Rentenansprüchen der Kindererziehungszeit profitieren.
- Hat einer der beiden Partner noch nicht die fünf Jahre Mindestwartezeit in der Deutschen Rentenversicherung erfüllt, so kann die Auffüllung mit Kindererziehungszeiten eine interessante Option sein.
- Im Scheidungsfall werden im Zuge des Versorgungsausgleichs sämtliche während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche geteilt, also auch die Kindererziehungszeiten, wenn keine ehevertragliche Regelung vorliegt.
- Sind Ehemann oder Ehefrau verbeamtet, so kann die Anrechnung der Kindererziehungszeiten beim anderen Partner zusammen mehr Geld im Rentenalter bedeuten.
Kontakte
Wiebke Wennemer
Beraterin Sozioökonomische Beratung
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