Bezahlter Erholungsurlaub - früher Privileg, heute Selbstverständlichkeit
Bezahlter Erholungsurlaub – für die meisten Arbeitnehmer heute eine Selbstverständlichkeit. Dabei ist diese soziale Errungenschaft noch gar nicht so lange verbreitet, wie viele vielleicht meinen.
Noch im 19. Jahrhundert gab es lediglich für Staatsbeamte eine Regelung über bezahlten Urlaub (Verordnung über den Urlaub der Reichsbeamten und deren Stellvertretung von 1874, unterschrieben von Kaiser Wilhelm I).
Die erste tarifvertragliche Urlaubsregelung erstritt im Jahre 1903 der Zentralverband deutscher Brauereiarbeiter - ganze drei freie Tage im Jahr. 1929 gab es dann schon etwa 8.000 Tarifverträge, in denen bezahlter Erholungsurlaub gewährt wurde, auch wenn es in der Regel nur um wenige Tage ging.
Die ersten gesetzlichen Regelungen gab es Ende 1945, als die meisten westdeutschen Länder den Anspruch auf zwei Wochen Mindesturlaub in ihre Verfassungen aufnahmen. Erst 1963, mit Verabschiedung des Bundesurlaubsgesetzes (BurlG), hatten erstmals alle Beschäftigten einen Anspruch auf drei Wochen Urlaub. Seitdem wurde der gesetzliche (Mindest-) Urlaubsanspruch 1974 auf 18 Werktage und 1995 auf die heute noch geltenden 24 Werktage erhöht. Darüber hinaus gibt es heute gesetzliche Sonderregelungen (z. B. Jugendarbeitsschutzgesetz, SGB IX für Schwerbehinderte).
Den Gewerkschaften gelang es in den sechziger und siebziger Jahren, den gesetzlichen Mindesturlaub durch tarifrechtliche Regelungen auszudehnen, so dass 1975 bereits fast die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf vier Wochen Tarifurlaub hatten. 1977 betrug der durchschnittliche Anspruch auf Tarifurlaub 24 Tage.
Der Durchbruch in Richtung sechs Wochen Tarifurlaub gelang den Beschäftigten der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie im Winter 1978/79. Eigentlich wollte die IG Metall damals eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit erreichen, heraus kam nach mehreren Wochen Streik als Kompromiss 6 Wochen Tarifurlaub - heute liebgewonnener Standard in vielen tarifgebundenen Branchen und Betrieben.
Worin unterscheiden sich die Ansprüche aus Bundesurlaubsgesetz und geltendem Tarifvertrag?
Bei den Ansprüchen aus dem BUrlG handelt es sich um Mindestansprüche, die nicht (auch arbeitsvertraglich nicht) unterschritten werden dürfen. Sie gelten für alle volljährigen Beschäftigten, unabhängig vom Umfang der Beschäftigung. Das BUrlG geht von einer 6-Tage-Woche aus.
Der Urlaubsanspruch für geringfügig Beschäftigte und Teilzeitkräfte ergibt sich demnach wie folgt:
6 Tage Arbeit/Woche: 24 Urlaubstage
5 Tage Arbeit/Woche: 20 Urlaubstage
4 Tage Arbeit/Woche: 16 Urlaubstage
3 Tage Arbeit/Woche: 12 Urlaubstage
2 Tage Arbeit/Woche: 8 Urlaubstage
1 Tag Arbeit/Woche: 4 Urlaubstage
In allen Fällen bleibt so unter dem Strich ein Jahresurlaub von vier Wochen. Der errechnete Urlaub gilt unabhängig von den geleisteten Stunden an den Arbeitstagen. Entscheidend ist allein, an wie vielen Wochentagen gearbeitet wird!
Gesetzlicher Urlaub muss im laufenden Jahr genommen werden und kann nur ausnahmsweise übertragen werden. Wird er nicht in den ersten drei Monaten des Folgejahres verbraucht, verfällt er. Ausnahme: Bei langjährig arbeitsunfähigen Beschäftigten verfällt er erst nach 15 Monaten.
Tarifvertraglich sind die Urlaubsansprüche oft höher. Einen (einklagbaren) Anspruch auf die tarifliche Regelung haben Beschäftigte jedoch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen:
- Im Arbeitsvertrag wird ausdrücklich Bezug genommen auf tarifliche Regelungen oder
- Beide Vertragsparteien (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) sind tarifgebunden, sprich Mitglied in einem Arbeitgeberverband bzw. einer Gewerkschaft oder
- Der geltende Tarifvertrag wurde für allgemeinverbindlich erklärt und gilt dann auch für nicht tarifgebundene Beschäftigte (heute eher selten).
Tarifliche Regelung für die Landwirtschaft in Niedersachsen
Grundlage ist der Rahmentarifvertrag für landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen, der seit 1. Januar 2013 gilt. Es handelt sich um einen sog. Verbandstarifvertrag, der zwischen dem Arbeitgeberverband Agrar, Genossenschaften, Ernährung e.V. (AGE) und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) abgeschlossen wurde.
§ 6 regelt den Anspruch auf Urlaub und Urlaubsgeld. Der Urlaubsanspruch liegt bei 22 Arbeitstagen (5-Tage-Woche) bzw. bei 26 Werktagen (6-Tage-Woche). Dazu kommen zusätzliche Urlaubstage, die von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig sind (3-4 Jahre/1 Tag, 5-9 Jahre/2 Tage, ab 10 Jahre/3 Tage, gilt bei 5- und 6-Tage-Woche).
Fazit
Anspruch auf 4 Wochen bezahlten Erholungsurlaub hat jeder Beschäftigte in Deutschland, unabhängig vom Umfang der Beschäftigung. Wer mehr möchte oder braucht und nicht tarifgebunden ist, muss dies letztendlich mit seinem Arbeitgeber regeln und im Arbeitsvertrag festhalten.
Unterstützung und Beratung bei der Vertragsgestaltung bieten die Arbeitnehmerberater der LWK Niedersachsen (kostenlos für Beschäftigte).
Zu allen Fragen rund um Arbeit und Beschäftigungsverhältnisse können Sie unsere Kolleg*innen der Arbeitnehmerberatung ansprechen.
Kontakte
Matthias Brandner
Fachreferent Arbeitnehmerberatung
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