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Konventionelle Melktechnik: Ein Verfahrensvergleich aus arbeitswirtschaftlicher Sicht

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Immer wieder gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie viel Kühe man pro Stunde mit unterschiedlichen Melktechniken melken kann. Vielfach werden dabei Melkleistungen (Kühe/h) unterstellt, die in der Praxis nur zu erreichen sind, wenn wichtige Arbeiten wie z. B. das Vormelken, das Euterreinigen oder das Dippen ungenügend oder gar nicht durchgeführt werden. Welche Leistungen in konventionellen Melkständen möglich sind, wird im folgendem erläutert.

Betriebliche Voraussetzungen
Hohe Melkleistungen sind nur erreichbar, wenn die betrieblichen Rahmenbedingungen stimmen. Gerade, ausreichend breite, rutschfeste, helle und gut durchlüftete Laufwege haben einen positiven Einfluss auf den Kuhverkehr und damit auf den Zeitaufwand für das Melken. Ein vor dem Melkstand eingerichteter Wartebereich mit Nachtreibehilfe fördert ebenso den Melkablauf, wie eine Selektionsmöglichkeit im Ausgangsbereich des Melkstandes. Hier werden Tiere ausselektiert, die z. B. behandelt oder besamt werden müssen und den Melkablauf nicht blockieren.

Saubere Euter sowie eine Gruppeneinteilung der Herde nach Melkdauer wirken sich ebenfalls beschleunigend auf den Melkablauf aus. Vorteilhaft ist es auch, wenn zu behandelnde und frischmelkende Kühe zum Schluss gemolken werden. Bei der Melkarbeit sollte es ruhig zugehen, um z. B. Panikreaktionen bei den Kühen zu vermeiden. Insofern trägt auch eine umsichtige Vorgehensweise des Melkers zur Beschleunigung des Melkablaufes bei. Häufig unterschätzt werden die negativen Auswirkungen einer falsch eingestellten Melkanlage auf die Melkleistung. Fehler bei der Pulsation und beim Vakuum verlängern die Melkzeit unnötig und können zu Problemen bei der Eutergesundheit führen.

Melkleistungen bei verschiedenen Melkständen
Neben den betrieblichen Bedingungen bestimmt die Melkstandsbauart den Zeitaufwand des Melkers und damit die Melkleistung. Bei dem folgendem Vergleich verschiedener Melkstandsbauarten aus arbeitswirtschaftlicher Sicht wurden eine Nachtreibehilfe und eine Abnahmeautomatik unterstellt. Der für die einzelnen Routinearbeiten erforderliche Zeitaufwand und die Durchsatzleistung in verschiedenen Melkständen sind in der Tabelle 1 (PDF-Datei im Anhang) dargestellt. Es handelt sich dabei um Durchschnittswerte, die im Einzelfall durchaus nach oben oder unten abweichen können.

Melktechnik
MelktechnikAlfons Fübbeker

Das Eintreiben in den Melkstand dauert am längsten beim Fischgräten-Melkstand. Beim Melkkarussell wird dafür keine Arbeitszeit benötigt. Besonders eine gute Vorstimulation wirkt sich positiv auf eine zügige und vollständige Milchhergabe (optimale Milchflusskurve) mit einem geringen Nachgemelk aus. Die Zeitdauer für eine ausreichende Vorstimulation beträgt etwa eine Minute, dies ist die Zeitspanne vom ersten Euterkontakt bis zum Anfang des Milchentzuges. Dazu gehört eine gute Eutervorbereitung wie das Vormelken von mindestens zwei Strahlen pro Zitze und die Euterreinigung mit einem Lappen pro Tier. Hierfür sind etwa 22 Sekunden erforderlich, somit verbleiben noch rund 40 Sekunden für ein optimales Anrüsten. Diese Reststimulation kann mit einer automatischen Vorstimulation erfolgen. Das hat den Vorteil, dass sofort nach der Eutervorbereitung das Melkzeug angesetzt und ausgerichtet werden kann. Auf eine automatische Vorstimulation kann verzichtet werden, wenn erst zwei bis drei Kühe vorbereitet werden (ohne das Melkzeug anzusetzen) und die Melkzeuge erst etwa eine Minute nach dem Beginn der Eutervorbereitung angesetzt und ausgerichtet werden. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass für die Melkperson ein zusätzlicher Wege- und damit Zeitaufwand entsteht. Nachdem der Milchentzug beendet ist, wird noch Zeit für das Tauchen der Zitzen und für das Austreiben aus dem Melkstand benötigt. Außerdem fallen noch Wege- und Wartezeiten an.

Insgesamt liegt der durchschnittliche Zeitaufwand bei sachgerechter Melkarbeit in einem Fischgräten-Melkstand bei 63 Sekunden pro Kuh. Das bedeutet, ein Melker kann 57 Kühe pro Stunde melken. Im Vergleich zum Fischgräten-Melkstand wird beim Side by Side und Swing-over nur Zeit beim Ein- und Austrieb eingespart. Alle anderen Zeitansätze sind bei gleicher Melkarbeit kaum bis gar nicht betroffen. Deshalb ist der Unterschied zwischen den Gruppenmelkständen (Fischgräte, Side by Side und Swing-over) mit 56 bis 59 Kühe pro Melker und Stunde gering. Deutlich höher ist die Melkleistung beim Melkkarussell. Hier erreicht der Melker 84 Kühe pro Stunde. Dies ist dadurch möglich, dass die Kühe das Melkkarussell kontinuierlich betreten und verlassen. Diese Durchsatzleistungen sind aber nur erreichbar, wenn die Kühe den Melkstand von alleine betreten. Muss der Melker zwischendurch einige Tier nachtreiben, verringern sich die Durchsatzleistungen deutlich.

Qualitativ gutes Melken erfordert Zeit
In der Praxis wird immer wieder von enorm hohen Melkleistungen bei bestimmten Melkständen berichtet. Dabei ist aber zu bedenken, dass auch die Qualität der Melkarbeit in einem weiten Bereich schwankt.

Melktechnik
MelktechnikAlfons Fübbeker

Wie aus der Tabelle 2 (PDF-Datei im Anhang) ersichtlich, kann eine Melkperson bei auf Qualität ausgelegter Melkarbeit in einem Fischgräten-Melkstand etwa 57 Kühe pro Stunde melken. Höhere Melkleistungen können nur auf Kosten einer schlechteren Melkarbeit erreicht werden. Wo einseitig die Arbeitsleistung im Vordergrund steht, wird häufig nur ein Strahl pro Zitze vorgemolken und auf die Euterreinigung sowie das Dippen verzichtet. Das spart etwa 25 s pro Kuh. Zudem führen die weggelassenen Arbeitsschritte dazu, dass sich der verfahrensbedingte Aufwand für Wege- und Wartezeiten verringert. Alles in allem sinkt durch die qualitativ schlechtere Melkarbeit der Zeitaufwand pro Kuh in einen Fischgräten-Melkstand von 63 s auf 35 s. Ein Melker kann so pro Stunde 103 Kühe melken. Daraus wird deutlich, dass es in erster Linie vom Zeitaufwand für die Vor- und Nachroutinearbeiten abhängt, ob eine Melkperson hohe Melkleistungen (Kühe/Std.) erreicht.

Schlechtes Melken kommt teuer zu stehen
Wenn in einem Gruppenmelkstand so gearbeitet wird, dass Melkleistungen von etwa 100 Kühen pro Melkperson und Stunde erreicht werden, ist es fast immer nur eine Frage der Zeit bis es zu Problemen mit der Eutergesundheit kommt. Folglich müssen viele Kühe behandelt werden, was dazu führt, dass diese Milch nicht abgeliefert werden darf. Darüber hinaus bewirken die Eutergesundheitsprobleme eine Milchleistungsminderung im Bereich von etwa 10 %. Zudem ist die Lebensleistung der Kühe (Anzahl Laktationen) deutlich geringer, da Tiere mit häufigen Eutergesundheitsproblemen schneller ausgemerzt werden.

Bei Betrachtung dieser Auswirkungen wird deutlich, das dass Erreichen von höheren Melkleistungen durch eine Reduzierung der Melkarbeit mit hohen wirtschaftlichen Verlusten verbunden ist. Dies ist unabhängig von Melkstandsbauart bzw. Ausführung der Fall. Um die Probleme mit der Eutergesundheit wieder in den Griff zu bekommen, ist es erforderlich mehr Zeit für eine gute Melkarbeit aufzubringen. Folglich sinkt die Melkleistung pro Person mit der Folge, dass der Melkstand dann Überkapazitäten aufweist. Die können nur durch eine zweite Melkperson sinnvoll genutzt werden oder ein Teil der Melkplätze wird als Warteplätze benutzt.

Abschließende Bemerkungen
Die Melkstandsgröße sollte auf die Leistung des Melkpersonals abgestimmt sein. In Melkständen mit Nachtreibehilfe und einer Abnahmeautomatik kann ein Melker bei auf Qualität ausgelegter Melkarbeit in der Regel einen 2 x 7 Fischgräten- oder Side by Side-Melkstand, einen (2) x 14 Swing-over-Melkstand oder ein 24er Melkkarussell bedienen. Größere Melkstände erfordern den Einsatz eines weiteren Melkers. Dann sind oftmals doppelt so große Melkstandsausführungen empfehlenswert, um den zweiten Melker auszulasten. Durch nicht ausgelastete Melker, die dann versuchen noch andere Arbeiten neben dem Melken zu erledigen, wird die Melkarbeit eher verschlechtert als verbessert.

Fazit
Kritisch ist es, die Melkleistung durch Reduzieren oder Weglassen von Routinearbeiten, wie etwa das Vormelken, die Euterreinigung oder das Dippen zu erhöhen. Probleme mit der Eutergesundheit sind dann oft die Folge und führen zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten. Nur in wenigen Bereichen der Landwirtschaft lässt sich durch qualitativ hochwertige Arbeit soviel Geld verdienen wie beim Melken.