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Wohngeldreform 2020 – Leichterer Zugang und höhere Leistungen auch für Landwirte

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Auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben ist die finanzielle Situation angespannt, vor allem im Bereich der Tierhaltung. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, soziale Leistungen in Anspruch zu nehmen. Kindergeld gilt als selbstverständlich, doch von Wohngeld weiß kaum jemand etwas.

Mit der Wohngeldreform zum 1. Januar 2020 erhöht sich das Wohngeld um ca. 30% und durch die Anhebung der Einkommensgrenze erhöht sich auch der Kreis der Anspruchsberechtigten. Für finanzgefährdete Familien ist daher eine Prüfung der Ansprüche ratsam.

Wohngeld
WohngeldIris Flentje
Wohnen kostet Geld, ganz gleich ob im Eigentum oder zur Miete. Wohngeld wird, wenn ein Anspruch besteht, als Zuschuss zu diesen Kosten gezahlt. Die Rechtsgrundlage dafür ist das Wohngeldgesetz (WoGG). Für Mieter nennt sich das Mietzuschuss für Eigentümer von Wohnraum Lastenzuschuss.
Ob ein Anspruch besteht, hängt von drei Faktoren ab:

  • Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder
  • Höhe des Gesamteinkommens
  • Höhe der zuschussfähigen Miete bzw. Belastung

Mietzuschuss erhalten Mieter einer Wohnung oder eines Zimmers, Untermieter, Eigentümerin oder Eigentümer eines Hauses mit mehr als zwei Wohnungen, Bewohner eines Heimes oder Personen in einem mietähnlichen Wohnverhältnis.
Lastenzuschuss bekommen Eigentümer einer Wohnung oder eines Hauses mit höchstens zwei Wohnungen, Erbbauberechtigte oder Personen, die ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht bzw. Nießbrauch innehaben und diesen Wohnraum selber nutzen.

Der Antrag läuft über die örtliche Wohngeldbehörde. Die kann bei der Gemeinde-, Stadt- oder Kreisverwaltung sein – das ist in den Landkreisen und Städten Niedersachsens nicht einheitlich geregelt. Wer zuständig ist, erfährt man beim örtlichen Einwohnermeldeamt. Die Formulare stehen zudem online zur Verfügung.

Wer gilt als zu berücksichtigendes Haushaltsmitglied?
Die Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder ist eine wichtige Ausgangsgröße. Sie beeinflusst das zu berücksichtigende Gesamteinkommen und die zuschussfähige Miete bzw. Belastung.
Dazu können folgende Personen gehören, wenn sie mit einer wohngeldberechtigten Person in einer Wohngemeinschaft leben und diese Wohnung ihr Lebensmittelpunkt ist :

  • die antragstellende, wohngeldberechtigte Person
  • Ehegatte eines Haushaltsmitgliedes bzw. Lebenspartnerin/Lebenspartner gemäß Partnerschaftsgesetz
  • Personen, die mit einem Haushaltsmitglied in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft leben
  • Eltern und Kinder eines Haushaltsmitgliedes
  • Geschwister, Onkel, Tante, Schwiegereltern, Schwiegerkinder, Schwager und Schwägerin eines Haushaltsmitgliedes

Veränderungen der Personenzahl beispielsweise durch Geburt, Tod, Zu- oder Wegzug müssen der Wohngeldstelle unverzüglich mitgeteilt werden. Vom Wohngeld ausgeschlossen sind Personen im Haushalt, die sogenannte Transferleistungen wie etwa Arbeitslosengeld II, Übergangsgeld, Verletztengeld oder Grundsicherung im Alter erhalten.
Auf landwirtschaftlichen Betrieben leben oft mehrere Generationen zusammen. Dort muss unterschieden werden, ob die Altenteiler und die wirtschaftende Familie in einer Wohngemeinschaft oder in getrennten Wohneinheiten leben. Eine Wohngemeinschaft kann zum Beispiel vorliegen, wenn im Haus nur eine Küche vorhanden ist, für die Mahlzeiten gemeinsam eingekauft wird und man auch zusammen isst. In diesem Fall wird bei der Berechnung des Gesamteinkommens das Einkommen aller Haushaltsmitglieder, also auch die Zahlungen der Alterskasse, berücksichtigt. Ähnlich sieht es aus, wenn die junge Familie die Altenteiler in der Haushaltsführung und bei der Personenpflege unterstützt.

Wie hoch darf das Gesamteinkommen sein?
Um Wohngeld zu erhalten, darf das monatliche Gesamteinkommen bestimmte Beträge nicht überschreiten. Es setzt sich zusammen aus der Summe der Jahreseinkommen aller zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder abzüglich Frei- und Abzugsbeträgen. Kindergeld bleibt bei der Berechnung außen vor. Als Jahreseinkommen ist das Einkommen zu Grunde zu legen, das zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Der Bewilligungszeitraum umfasst in der Regel zwölf Monate. Dabei wird das steuerpflichtige Einkommen berücksichtigt. Einkünfte nach § 2 Abs. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG) sind die jeweiligen Gewinne bei den Einkunftsarten Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständige Arbeit. Bei den Einkunftsarten nichtselbstständige Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG ist es der Überschuss der Einnahmen nach Abzug der Werbekosten. Verluste bei der einen Einkunftsart können mit Gewinnen und Überschüssen anderer Einkunftsarten nicht verrechnet werden.
Wohngeld beantragen können sowohl Landwirte, die auf Eigentum im Vollerwerb oder Nebenerwerb wirtschaften als auch Pächter von Wohn- und Betriebsstätten. Das gilt auch für ehemalige Landwirte, die mittlerweile Rentner sind.
Vom Jahreseinkommen der Haushaltsmitglieder werden Pauschalen abgezogen: Jeweils zehn Prozent für Pflichtbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, gesetzlichen Rentenversicherung und Steuern vom Einkommen. Das heißt, wenn ein Haushaltsmitglied sowohl für gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung als auch gesetzliche Rentenversicherung sowie Einkommenssteuer zahlt, dann wird vom Einkommen dieses Haushaltsmitgliedes 30 Prozent pauschal abgezogen. Zahlt diese Person keine Einkommensteuer, so sind es 20 Prozent.

Welche Miete oder Belastung ist zuschussfähig?
Die Höhe des Wohngeldes richtet sich als drittes nach der Höhe der zuschussfähigen Belastung bzw. nach der Miete für Wohnraum, Heim oder  vergleichbare Nutzungsverhältnisse. Dazugerechnet werden die Kosten für Wasser, Abwasser, Müllabfuhr und Treppenbeleuchtung. Nicht hinzugezählt werden zum Beispiel die Betriebskosten für Heizung und Warmwasser.
Unter Belastung bei Eigentümern von Eigenheimen, Eigentumswohnungen und anderen Eigentumsformen versteht man die Aufwendungen für den Kapitaldienst (Zinsen und Tilgung)  und für die Bewirtschaftung des Eigentums. Sie ist in einer besonderen Wohngeld-Lastenberechnung zu ermitteln. Zu den Belastungen gehören Ausgaben für Kredite und Zinsen, die dem Bau, der Verbesserung und dem Kauf von Eigentum gedient haben. Auch Instandhaltungskosten und Betriebskosten in einer bestimmten Höhe, Grundsteuer und eventuell zu entrichtende Verwaltungskosten, beispielsweise bei Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern. Nicht dazugerechnet werden Aufwendungen für Wohnraum, der ausschließlich gewerblich oder beruflich genutzt wird, wie etwas das Betriebsbüro.
Für Wohnkosten, die als unangemessen hoch gelten, gibt es kein Wohngeld. Es gelten Höchstbeträge, die sich nach dem örtlichen Mietniveau richten. Jede Gemeinde, Stadt oder jeder Kreis mit 10.000 und mehr Einwohnern gehört einer Mietstufe an. Davon gibt es seit 2020 sieben. In den ländlichen Gebieten findet man vorrangig die Mietstufen eins bis drei, in Städten und am Stadtrand, wo die Mieten und Belastungen deutlich höher sind, die Mietstufen vier bis sieben.

Welche Unterlagen benötigen Landwirte bei der Beantragung?
Spezielle Unterlagen zum Nachweis von Belastungen sind: Hofübergabevertrag incl. der Regelungen für das Altenteil

  • Wohnflächenberechnung
  • Darlehnsverträge bei Darlehen für Wohnzwecke 

Spezielle Unterlagen und Nachweise für das Einkommen sind:

  • Einkommensprognose für den Bewilligungszeitraum
  • bei Buchführungspflicht die Steuererklärung mit Gewinn- und Verlustrechnung
  • bei nicht Buchführungspflichtigen die Angaben zur Betriebsgröße und Zahl der Vieheinheiten
  • Pachtverträge für verpachtete Flächen
  • Nachweis über Altenteilsbelastungen und Altenteilsansprüche
  • Rentennachweise
  • Nachweis über Geld- und Sachleistungen

Rechenbeispiel
Was am Ende an Wohngeld herauskommen kann, zeigt folgendes Beispiel: Familie Mustermann besteht aus den Eltern, die beide auf dem landwirtschaftlichen Betrieb arbeiten und zwei Kindern, zehn und zwölf Jahre alt. Die Altenteiler wohnen auch auf dem Betrieb, aber in einer eigenen separaten Wohneinheit. Daher sind ihre Einkünfte und Belastungen nicht zu berücksichtigen.
Die Anzahl der Haushaltsmitglieder besteht also aus vier Personen.
Das Eigenheim hat eine Wohnfläche von 203 m², davon sind 31 m² betrieblich genutzt. Das auch für Eigentümer maßgebliche Mietniveau ist in Mietstufe 3 eigeordnet. Das steuerliche Jahreseinkommen des letzten Jahres beträgt 21.708 €, die Erwartungen für den Bewilligungszeitraum sind ähnlich. Zur Verbesserung der Energieeffizienz haben Mustermanns mit Hilfe eines Bauspardarlehens die Dachisolierung erneuert, die jährliche Belastungen aus dem Darlehen betragen 1.440 €.
Die Berechnung der Belastung ergibt sich aus Tabelle 1, die Berechnung des Gesamteinkommens aus Tabelle 2.

 Tabelle 1: Berechnung der Belastungen

 Position

 Fremdmittel und Belastung aus dem Kapitaldienst

1.440,00

 Belastungen aus der Bewirtschaftung

 Instandhaltungs- und Betriebskosten

 203 m²  x 20,00 €

4.060,00

 Bruttobelastung

5.500,00

 Monatliche Belastung

458,33

 Nutzungswert der betrieblich genutzten Räume

 458,33 € /203 m² = 2,26 €/m² x 31 m² x 12 Monate

840,72

 berücksichtigungsfähige Belastung im Jahr

4.659,28

 berücksichtigungsfähige monatliche Belastung

388,27

 Höchstgrenze laut Wohngeldgesetz für 4 Haushaltsmitglieder und Mietstufe 3

716,00

 Tabelle 2: Berechnung des Gesamteinkommens

 Position

 Steuerliches Jahreseinkommen

21.708,00

 Abzugsbetrag (30%), da Beiträge für gesetzl. Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Steuern gezahlt werden

6.512,40

 Jahreseinkommen

15.195,60

 Monatliches Gesamteinkommen

1.266,30

Aus dem monatlichen Gesamteinkommen der Familie Mustermann und der zu berücksichtigenden Belastung ergibt sich für 2020 ein Wohngeld von 187 Euro monatlich (bis Ende 2019 waren es 160 Euro). Berechnet wurde dies mit dem Wohngeldrechner der zuständigen Stellen, dessen Grundlage eine umfassende Formel ist.

Variante: Leben die beiden Altenteiler nicht separat, sondern gemeinsam mit der wirtschaftenden Familie auf den vorhandenen 203 m² Wohnfläche und führen sie den Haushalt gemeinsam, dann würden die Einkünfte der Altenteiler zum Gesamteinkommen hinzugerechnet. Bei beispielsweise 400 Euro Baraltenteil und 495 Euro Rente aus der Alterskasse für den Altenteiler und 218 Euro für die Altenteilerin würde die Familie nach heutigem Recht zirka 20 Euro Wohngeld monatlich erhalten.

Bildungs- und Teilhabepaket
Bezieher von Wohngeld oder Kinderzuschlag (ggf. auch sinnvoll, den Anspruch auf Kinderzuschlag zu prüfen) mit Kindern unter 25 Jahren ohne eigenes Einkommen, haben Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Die Leistungen zum Mitmachen in Kultur, Sport und Freizeiten stehen aber nur Kindern zu, die noch keine 18 Jahre alt sind.
Die Leistungen des Bildungspakets umfassen:

  • ein- und mehrtägige Ausflüge der Schule/Kindertageseinrichtung
  • mehrtägige Klassenfahrten (von Schule oder Kita organisiert)
  • Schulbedarfspaket – Schülerbeförderung für Schüler ab Klasse 11
  • Lernförderung (für versetzungsgefährdete Schüler)
  • Mittagessen (Schule und Kita)
  • Soziale und kulturelle Teilhabe (u.a. Beiträge für Sportvereine, Musikunterricht)

Fazit:
Wohngeld ist genauso eine soziale Leistung wie Kindergeld. Auch wer Eigentum hat, kann Wohngeld bekommen. Entscheidend sind die Anzahl der Haushaltsmitglieder, die Höhe des Gesamteinkommens und die zuschussfähige Miete oder Belastung. Familien mit Kindern, die Wohngeld beziehen, erhalten Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Haben Sie deshalb keine Scheu, sich diesbezüglich bei den sozioökonomischen Beratern der Landwirtschaftskammer oder den für Wohngeld zuständigen Behörden beraten zu lassen.