Rinderhaltung: Keinen Anlass zu Beanstandungen geben
Bei den Überprüfungen rinderhaltender Betriebe, insbesondere bei anlassbezogenen Kontrollen durch die örtlichen Veterinärämter, fallen immer wieder Missstände nicht tiergerechter Haltung auf. Gleiches gilt für die Kontrollen der Prüfdienste hinsichtlich Kennzeichnung und Registrierung. Zusätzlich werden die Restriktionen immer stärker und die Einhaltung der Vorgaben nicht einfacher. Die im Folgenden angesprochenen Punkte sind in der Regel CC-relevant.
Die Sichtweise dessen, was unter artgerechter Rinderhaltung zu verstehen ist, verändert sich. Manches, was vor Jahren selbstverständlich praktiziert oder hingenommen wurde, ist heute untersagt (z.B. die Anbindehaltung von Kälbern) oder hat sich verändert, wie z.B. das Enthornen von Kälbern. Die Art der Tierhaltung ist ein großes politisches Thema; dies gilt nicht nur für die Schweine- und Geflügelhaltung, sondern auch für die Rinder.
Konkrete Vorgaben für die Rinderhaltung gibt es im Tierschutzgesetz hinsichtlich der zulässigen Eingriffe und in der Tierschutznutztierhaltungsverordnung, die insbesondere im Bereich der Kälberhaltung (bis 6 Monate) klare Regelungen und Maße enthält. Mangels konkreter rechtlicher Regelungen für die Rinder über 6 Monaten wurde vor einigen Jahren speziell in Niedersachsen die „Niedersächsische Tierschutzleitlinie für die Milchkuhhaltung" (MKL) erarbeitet, die für Neubauten Mindestwerte enthält, die von den Genehmigungsbehörden seitdem so angewandt werden. Für Altbauten enthält diese Leitlinie lediglich Richtwerte. Werden diese Richtwerte nicht erfüllt, so ist eine Einzelfallbeurteilung erforderlich. Die Beschäftigung mit den Inhalten dieser Leitlinie ist grundsätzlich - insbesondere aber vor einer Neubauplanung - zu empfehlen. (www.LWK-Niedersachsen.de, Webcode:01024898)
Bei den Kontrollen fällt immer wieder auf, dass keine Krankenbuchten bzw. Möglichkeiten zur Abtrennung ernsthaft erkrankter Tiere vorhanden sind oder schwer kranke Tiere nicht entsprechend tierärztlich behandelt wurden. Beides ist rechtlich vorgegeben. Jeder Betrieb muss daher über geeignete Einrichtungen (mit trockener und weicher Einstreu oder Gummimatten) verfügen und diese auch bei Bedarf nutzen und nicht anderweitig belegen.
Auch auf der Weide sind die Rinder regelmäßig zu beobachten; dies gilt insbesonders für kalbende Tiere.
Die Anbindehaltung von Kälbern ist seit Jahren untersagt; hier gibt es mittlerweile wenig Verstöße. Die Anbindehaltung von Kühen und Jungrindern ist momentan grundsätzlich nicht verboten, ist aber ein Auslaufmodell. Kürzlich hat der Bundesrat dem Antrag Hessens auf ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rinderns zugestimmt und wird die Entschließung der Bundesregierung zur weiteren Bearbeitung zuleiten. Bis zum endgültigen Verbot ist eine Übergangsfrist von 12 Jahren, d.h. bis 2028, vorgesehen.
Die Anbindung ist in zumeist kleinen Betrieben in Niedersachsen vielfach noch vorhanden. Als Ausgleich für das Bewegungsdefizit muss laut Milchkuhleitlinie entweder täglich Zugang zu einem Laufhof oder zumindest in den Sommermonaten Weidegang gewährt werden. Ist dies nicht möglich, so können in begründeten Einzelfällen für auslaufende Rinderhaltungen in beengter Dorflage Ausnahmen zugelassen werden. Dies wird in der Regel bedeuten, dass die dauerhafte Anbindung in absehbarem Zeitrahmen, z.B. mit Aufgabe des Betriebes oder Erreichen der Altersgrenze, aufgegeben wird. Eine Anbindehaltung von Rindern ist nur dann tolerabel, wenn keine sichtbaren Technopathien, z.B. Schäden an den Sprunggelenken oder Beulen im Nackenbereich, etc. feststellbar sind. Die Tiere sollen mit den Hinterbeinen nicht ständig auf den Gitterrosten stehen. Bei Kurzständen beträgt der Richtwert für die Liegeflächenlänge (eingestreut oder Gummimatte) für Kühe mindestens 165 cm.
Viele Ställe sind nach wie vor zu dunkel. Für Kälber ist eine Beleuchtung von mindestens 80 Lux über 10 Stunden einzuhalten. Sofern dies nicht über natürliches Tageslicht erreicht wird, ist Kunstlicht zuzuschalten.
Alle über 14 Tage alten Kälber müssen jederzeit Zugang zu Wasser sowie ab dem 8. Lebenstag Zugang zu Raufutter oder sonstigem rohfaserreichem Futter haben. Dies gilt auch für die Haltung in (Einzel-) Iglus! Über eingehängte Wassereimer kann dieses gewährleistet werden. Gerade in der heißen Jahreszeit benötigen die Tiere zusätzliches Wasser. 2
Bei der Haltung von Kälbern bis 6 Monaten auf Spaltenböden dürfen die Schlitze nur 2,5 cm betragen, bei Gummiauflagen sind 3 cm Schlitzweite möglich.
Das Enthornen ist bei Rindern jeden Alters ein schmerzhafter Eingriff. Seit Juni 2015 ist in Niedersachsen das betäubungslose Enthornen von Kälbern unter 6 Wochen nur zulässig, wenn dem Tier vor dem Eingriff ein Sedativum (z.B. xylazinhaltige Präparate) und ein mind. 24 Stunden wirksames Schmerzmittel (in ausreichender Menge und hinreichend zeitlichem Abstand) verabreicht werden. Sofern der Eingriff und die Arzneimittelgaben - wie zumeist üblich - durch den Tierhalter erfolgen, sollte dieser seine fachliche Einweisung in diese Tätigkeiten durch eine tierärztliche Bestätigung, z.B. seines Hoftierarztes, dokumentieren können. Die Nicht-Einhaltung dieser Vorgaben ist als CC-Verstoß zu werten. Eingriffe zum Enthornen älterer Tiere sind durch den Tierarzt unter Betäubung durchzuführen!
Der Kaltbrand zur dauerhaften und gut sichtbaren Kennzeichnung von Rindern ist als unerlaubter Eingriff im Tierschutzgesetz nicht explizit genannt. Mit Erlass vom 02. März 2016 hat das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz festgestellt, dass beim Kaltbrand auf pigmentierter Haut die oberen Hautschichten und damit die pigmentbildenden Zellen der Haarfollikel zerstört werden. Durch die fehlenden Pigmentzellen kann an diesen Stellen nur noch weißes Fell nachwachsen. Da es sich um Gewebezerstörung handelt und nach § 6 Abs. 1 Tierschutzgesetz das Zerstören von Geweben eines Wirbeltieres verboten ist, ist der Kaltbrand bei Rindern untersagt. Somit darf die Kennzeichnung durch Kaltbrand nicht mehr angewandt werden. Die Veterinärämter sind angewiesen, ab dem 01.01.2017 sowohl fachrechtlich als auch anlässlich von Vor-Ort-Kontrollen im Rahmen von Cross-Compliance auf die Einhaltung der Vorgaben zu achten.
Damit entfällt für Laufstallbetriebe eine Kennzeichnungsmöglichkeit, die für die Identifikation auf weitere Entfernung, aber vor allem auch im Melkstand, insbesondere bei der Erfassung der Kühe während der MLP, sehr hilfreich war. Insbesondere Betriebe ohne Transponder oder elektronische Kuherkennung werden damit in andere Verfahren der Kuherkennung investieren müssen, was momentan schwerfällt.
Auch bei der Haltung von weiteren Nutztieren wie z.B. einigen wenigen Legehennen oder Schafen neben den Rindern sind die erforderlichen Aufzeichnungen (Bestandsregister, Arzneimitteldokumentation) zu führen. Für alle Nutztiere müssen (taggenaue) Listen über die verendeten Tiere geführt werden. So müssen bei Rinderhaltern genauso Aufzeichnungen über verendete Legehennen vorliegen, auch wenn diese nur für den Eigenbedarf gehalten werden. Gleiches gilt für verendete Lämmer, Ferkel oder totgeborene Kälber.
Grundsätzlich sind auch für Pferde, die irgendwann einmal in die Nahrungskette gelangen werden (zur Schlachtung bestimmte Pferde), Aufzeichnungen über die Anwendung von Arzneimitteln zu tätigen, wie es auch bei den anderen Nutztieren erfolgt (Eintragung von bestimmten Medikamenten mit einer Wartezeit von 6 Monaten in den Equidenpass, „Bestandsbuch"-Dokumentation).
Seit 2016 sind in Niedersachsen die Pferde im Bereich des Tierschutzes in die Informationsbroschüre für Cross Compliance verbindlich aufgenommen worden - entgegen der Bundesversion und bisherigen Verfahrensweise. Dies kann für Betriebe mit Pferdehaltung aber auch Einstallung von Pensionspferden, wie wir es häufig bei rinderhaltenden Betrieben mit genügend Grünland vorfinden, eine entsprechende Brisanz haben, da es hier nicht nur um die ordnungsgemäße Haltung und Fütterung, sondern auch um die medizinischen Aufzeichnungen geht.
Werden in einem Milchviehbetrieb einzelne (Hobby)-Ziegen zusammen mit Kühen gehalten, so sind diese auf Tuberkulose (Tbc) zu untersuchen.
Strengere CC-Regeln durch „Frühwarnsystem"
Im Bereich Cross Compliance hat der europäische Gesetzgeber ab dem Jahr 2015 das sogenannte „Frühwarnsystem" eingeführt. Dieses System ersetzt die bis Ende 2014 geltende „Bagatellregelung". Mit dieser Änderung müssen die Landwirte bei wiederholten geringfügigen CC-Verstößen in der Umsetzung mit schärferen Sanktionen rechnen. Dies betrifft besonders die 3
Meldungen an HIT, aber auch z.B. Mängel bei Dokumentationen wie z.B. das Arzneimittel-bestandsbuch. Was beinhaltet die neue Regelung?
Ein Frühwarnverstoß ist für diejenigen Fälle gedacht, wo die Landwirte erstmalig gegen eine CC-Regelung in dem jeweiligen Bereich verstoßen haben. Der Verzicht auf Sanktion setzt dabei voraus, dass der festgestellte Verstoß geringfügig ist und abgestellt wird. Das bedeutet, der festgestellte Verstoß muss kurzfristig abgestellt werden und der Landwirt darf in den folgenden drei Jahren nicht wieder gegen die gleiche CC-Vorschrift verstoßen. Sollte sich der geringfügige Verstoß wiederholen, wird eine stufenweise Sanktionierung angewendet. Das Beispiel aus dem Bereich der Rindermeldungen soll die Auswirkungen verdeutlichen (s. Tabelle). Wird also ein erneuter geringfügiger Verstoß festgestellt, so wird der Verstoß rückwirkend mit 1% -Sanktion belegt und zusätzlich im Jahr der erneuten Feststellung mit einer 3%-Sanktion als Wiederholungsverstoß. Unterliegt der Betrieb einer weiteren Prüfung innerhalb der nachfolgenden drei Jahre und es findet sich wieder auch nur eine Meldeüberschreitung, so ergeben sich nun 9% Sanktion (3 x Faktor 3). Dies kann bei weiteren geringfügigen Verstößen in den Folgejahren durch die Wiederholungsregel schnell bis zum Vorsatzverstoß führen.
Die EU-Kommission hat zwar in einem Schreiben an Deutschland deutlich gemacht, das eine wiederholte und damit regelmäßige Anwendung des „Frühwarnsystems" auf denselben Begünstigten und denselben Verstoß weder der Art noch dem Ziel des Systems entspricht. Man geht davon aus, dass bei der für CC-Kontrollen ursprünglich vorgesehenen Auswahl von 1% der Betriebe in den jeweiligen Kontrollbereichen Wiederholungsverstöße eher selten sind. Fakt ist jedoch, dass in der Praxis in Niedersachsen die gleichen Betriebe häufig über mehrere Jahre wiederholt ausgewählt werden. Für die systematische Auswahl der Betriebe für die Fachrechts- und CC-Kontrollen werden verschiedenste Kriterien über die Risikoanalyse eingegeben. Da sanktionsrelevante Verstöße zu einer höheren Risikobewertung des Betriebes führen, steigt damit in der Realität die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen erneut ausgewählt wird. Und damit steigt die Gefahr eines Wiederholungsverstoßes in demselben Merkmal erheblich. Zudem werden Betriebe mit großen Tierzahlen und höheren Direktzahlungen mit einem höheren Risiko belegt.
Meldungen unbedingt innerhalb 7 Tagen!
Die häufigsten Beanstandungen im Bereich der CC-Kontrollen bei Rindern liegen im Bereich der Tierkennzeichnung und -registrierung (HIT-Datenbank, Bestandsregister, Kennzeichnung). In 2015 lag die Beanstandungsquote in Niedersachsen in diesem Bereich insgesamt bei 67,5 % der durchgeführten Vor-Ort-Kontrollen. Hier besteht besonders Handlungsbedarf im Bereich der Meldungen an HIT.
Alle Geburten und Zu- und Abgänge sind innerhalb von 7 Tagen an die Datenbank zu melden. Da jegliche Meldefristüberschreitung zu vermeiden ist, sollte im Idealfall jede Tierbewegung / Geburt an dem jeweiligen Tag gemeldet werden (z.B. über App aus dem Stall). Da dies aber häufig unrealistisch ist, so bietet sich die Einrichtung von zwei festen Meldetagen pro Woche an, damit auf jeden Fall innerhalb von 7 Tagen gemeldet wird. Sinnvoll ist auch ein fester Ort (Ablagekasten Büro o.ä.), an dem die Unterlagen zur Meldung abgelegt werden, so dass schnell ersichtlich ist, wenn Meldungen ausstehen. Weiterhin sollte klar sein, wer für die Meldungen verantwortlich ist und wer dies im Ersatzfall macht. Die HIT-Tier-Datenbank bietet für den Tierhalter die Möglichkeit, sich den Stand der Meldefristüberschreitungen anzeigen zu lassen. Gleiches gilt auch für die CC-Prüfer, die sich vor der Betriebskontrolle schon über die Datenbank HI-Tier informiert haben, ob im laufenden Kontrolljahr Meldeüberschreitungen stattgefunden haben.
Kontrolljahr |
Verstoß |
Kürzung |
CC-Kontrolle in 2015 |
Verfristete Meldung in HIT: 2 Kälber wurden verspätet nach 8 und 13 Tagen gemeldet (statt nach 7 Tagen) |
In 2015: keine Kürzung, da als geringfügiger Verstoß bewertet |
CC-Kontrolle in 2016 |
Verfristete Meldung in HIT: 1 Kuh nach 12 Tagen gemeldet |
Wiederholter leichter Verstoß: Für 2015: Rücknahme der Frühwarnung und rückwirkend 1 % Sanktion plus Für 2016: 3 % Sanktion |
CC-Kontrolle in 2018 | 1 Kalb nach 10 Tagen gemeldet |
Wiederholter leichter Verstoß: In 2018: 9 % Sanktion (3 x 3%) |
Die Sanktionen können sich dann noch erhöhen, wenn das Ausmaß und die Schwere der Sanktion (z.B. 100 % der Meldungen im bisherigen Kontrollzeitraum verfristet) mehr als die ein-prozentige Sanktion ergeben.
Fazit:
Es wird daher dringend angeraten, mit besonderer Sorgfalt auf die Einhaltung der Cross-Compliance-und Fachrechtsverpflichtungen zu achten. Auch wenn es schwerfällt: der Landwirt muss sich bemühen, Verstöße zu vermeiden. Die nationale Politik ist aufgerufen, bei geringfügigen Verstößen („Frühwarnsystem"), die weder der Gesundheit von Mensch noch Tier schaden, Erleichterungen herbeizuführen, um gerade in der derzeitigen angespannten finanziellen Situation erhebliche Einbußen bei den Direktzahlungen zu vermeiden.
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