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Chip oder Brand? Aktive Kennzeichnung von Pferden

Webcode: 01015458 Stand: 04.08.2010

Die Veränderungen im EU-Recht und in der Viehverkehrsverordnung haben entscheidenden Einfluss auf die Kennzeichnung von Pferden genommen. Die am 09.03.2010 in Kraft getretene Viehverkehrsverordnung sieht neue Bestimmungen zur Kennzeichnung und Meldung von Equiden (Pferde, Esel, Zebras, Kreuzungen) vor.

Die Identifizierung umfasst dabei drei Elemente:

  • Kennzeichnung mit einem elektronisch auslesbaren Transponder für alle ab dem 01.07.2009 geborenen Equiden und für alle vor dem 01.07.2009 geborenen Equiden, für die nicht bereits ein Equidenpass ausgestellt wurde.
  • Equidenpass als lebenslanges Begleitdokument beim Tier mit Angaben zum Transponder, zum Besitzer/ Eigentümer und zum Lebensmittelstatus des Tieres
  • Hinterlegung von Pass- und Transponderdaten in einer zentralen Datenbank (HI-Tier)

Die Kennzeichnung von Pferden mittels Mikrochip bzw. Transponder ist derzeit stark in der Diskussion. Insbesondere in der Pferdezucht ist das Brandzeichen von großer Bedeutung und soll auch zukünftig vergeben werden. Von Seiten des Tierschutzes wird der Fohlenbrand dagegen kritisch gesehen.

Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgemeinschaft Niedersächsischer Tierproduzenten Vertreter der Politik und der Wissenschaft, des Tierschutzbeirates des Landes Niedersachsen und des Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums sowie Vertreter des Deutschen Tierschutzbundes zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung eingeladen. Experten aus Wissenschaft, Pferdezucht und Tiermedizin informierten über den Ablauf und die Bedeutung der Kennzeichnung von Fohlen und deren Reaktionen. Im Anschluss an die theoretischen Grundlagen wurden der Fohlenbrand sowie die Implantation des Transponders praktisch demonstriert.

Prof. Dr. Heinz Meyer stellt einleitend die Zusammenhänge zum Schmerzempfinden und zur Schmerzreaktion des Pferdes beim Heißbrand dar. Seiner Meinung nach gebe es keine eindeutigen objektiven Messwerte für Schmerzen und Leiden. Ein Urteil über Schmerzen und Leiden sei immer mit einer subjektiven Interpretation verbunden.
Prof. Meyer stellt hierzu eigene Untersuchungen zum Schmerzempfinden und zur Schmerzreaktion beim Pferd dar, die er in Zusammenarbeit mit der FN (Dr. Düe und Dr. Miesner) durchgeführt hat. Bei Schmerzen und Leiden handele es sich um ein multidimensionales Reaktionssystem. In seinen Untersuchungen hat Prof. Meyer den Vorgang des Brennens mit Hufe ausschneiden und der Venenpunktion verglichen. Hinsichtlich des beobachteten Verhaltens, der gemessenen Vitalfunktionen und der endokrinen Veränderungen lasse sich kein eindeutiger Indikator für Schmerzen, Leiden und Schäden beim Brennen feststellen. Allerdings sei das Brennen eine Belastung von kurzzeitiger und bemerkenswerter Intensität. Daraus folgert Prof. Meyer, dass beim Brennen zwar Schmerzen gegeben seien, diese jedoch nicht erheblich, nicht andauernd und nicht wiederholend seien und damit kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliege.

Dr. Georg Oeppert beschreibt als Fachtierarzt für Pferde und gleichzeitig als aktiver Pferdezüchter das Brennen und Chippen aus tierärztlicher Sicht. Generell müsse die Nutztierkennzeichnung eine jederzeitige Identifikation gewährleisten. Sie diene dem Eigentumsschutz, dem Verbraucherschutz sowie der Sicherung genetischen Materials. Während Merkmale wie Farbe, Abzeichen, Brandzeichen und weitere für jedermann erkennbar seien, sei ein Chip nur mit einem Lesegerät auslesbar und setze im Weiteren einen Zugriff auf die Datenbank voraus.
Nach Meinung von Dr. Oeppert sei ein Chip aus vielfacher Sicht problematisch: altersbedingt würden etwa 0,2 % unlesbar, es bestehe die Möglichkeit des Wiederaustretens aus der Einstichstelle oder des Zerbrechens der Glasummantelung sowie anderweitiger mechanischer Zerstörung.

Abschließend stellt Dr. Werner Schade als Zuchtleiter des Hannoveraner Verbandes die Bedeutung des Brandzeichens als sichtbare Kennzeichnung heraus. Die Verpflichtung zur elektronischen Kennzeichnung wurde ohne vorherige Verbandsanhörung gesetzlich festgelegt. Aus Sicht der Zuchtorganisationen sollte das bisherige Kennzeichnungssystem mit Zucht -und Nummernbrand weiterhin gestattet sein.
Das System der Identifizierung von Pferden mit Informationen zu Lebensnummer, Geschlecht, Geburtsdatum und Abstammung, Farbe und Abzeichen mit Abzeichendiagramm, DNA-Profil sowie aktive Kennzeichnung mit Zucht- und Nummernbrand stellt Dr. Schade als ein ineinander greifendes System mit kontrollierbaren Plausibilitäten dar: In einer zentralen Datenbank würden zu jeder Lebensnummer personen- und pferdebezogene Daten sowie Informationen zu Zucht und Sport gespeichert. Dabei erfolge ein Datenaustausch anhand der Lebensnummer zwischen allen deutschen Zuchtverbänden untereinander und der FN. Die Fohlenregistrierung und die Erstellung eines Pferdepasses erfolgen nach vorheriger Bedeckungs- und Abfohlmeldung.
Eine Pferderecherche erfolge über den zuständigen Zuchtverband anhand einer umfangreichen EDV-Abfrage. Dieses Ergebnis könne durch DNA-Analyse zweifelsfrei abgesichert werden. Dr. Schade garantiert eine eindeutige Identifizierung innerhalb von maximal 24 Stunden.
Während ein mit Heißbrand gekennzeichnetes Pferd jederzeit und überall sichtbar gekennzeichnet sei, bedeute der Chip eine Abhängigkeit von Technik und Datenbank. Dieser Nachteil einer rein elektronischen Kennzeichnung müsse auch im Zusammenhang mit den geschätzten 300.000 unregistrierten Pferden in Deutschland betrachtet werden. Eine rein elektronische Kennzeichnung führe voraussichtlich zu noch mehr unregistrierten Pferden. Zugleich würden die Zuchtverbände nachhaltig geschwächt.

Die anschließende Diskussion gab deutliche Hinweise darauf, dass diese Veranstaltung in vielerlei Hinsicht wertvoll war. Es wurde ausführlich und sachlich über die Kennzeichnungsmethoden bei Pferden informiert und gegensätzliche Positionen ausgetauscht. Dabei konnte die organisierte Pferdezucht ihre Situation darstellen und einen Beitrag zur Aufklärung der Registriervorgänge leisten.

Nach Abschluss der Diskussion bedankte sich Dr. Johan Altmann als Vorsitzender des Niedersächsischen Tierschutzbeirates für die Fachbeiträge und intensive Diskussion. Er schlug vor, die angestoßene Diskussion in den entsprechenden Gremien unter Einbezug der Zuchtverbände fortzuführen. Das Ziel müsse eine möglichst geringe Belastung für das Tier und gleichzeitig eine Wahrung der Verbandsinteressen sein. Auch Herr Johan-Heinrich Ahlers, MdL, bedankte sich für die sehr gute Informations- und Diskussionsveranstaltung und sprach sich für die Kennzeichnung mit Brandzeichen aus.

Im Anschluss wurde die Fohlenregistrierung praktisch demonstriert. Frau Susanne Ersil vom Landgestüt kennzeichnete unter der Leitung vom Verbands-Brennbeauftragten Herrn Erdwig Holste zwei Fohlen mittels Brandzeichen und Chip. Die in der Diskussion angesprochenen Reaktionen des Fohlens konnten sehr gut beobachtet werden. Dies hat sicher auch dazu beigetragen, bestehende Vorurteile abzubauen.