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Landessortenversuche 2019: Winterweizen Qualitäten

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Seit 2019 ist der Rohproteingehalt nicht mehr Bestandteil der Qualitätseinstufung für Winterweizen was dazu geführt hat, dass einige Sorten von der Qualitätsgruppe C nach B bzw. B nach A hochgestuft worden sind. Für den Handel orientieren sich die Abrechnungsmodalitäten aktuell nach wie vor am Rohproteingehalt, gerechtfertigt oder nicht. Die Backeigenschaften des Weizens dagegen werden hauptsächlich von anderen Faktoren wie z. B. dem Feuchtklebergehalt bestimmt, die für den Vertragsanbau daher eine zunehmende Bedeutung haben.

 

LSV Winterweizen
LSV WinterweizenCarsten Rieckmann
Qualitäten der Weizenernte 2019

Die gegenüber 2018 um 16 % gestiegenen Anbauflächen bei gleichzeitig höheren Erträgen von gut 10 dt/ha führten in Niedersachsen dazu, dass 2019 880.000 Tonnen höhere Erntemengen bei Winterweizen eingefahren werden konnten und damit knapp das Niveau der Jahre 2016 und 2017 erreicht wurde. Während im vergangenen Jahr die Weizenpreise vielfach von der starken Nachfrage nach Futtergetreide profitieren konnten, sind in diesem Jahr in erster Linie die weltweit niedrigen Getreidepreise für die geringeren Markterlöse verantwortlich. Daher sind auch die Spielräume für attraktive Preisaufschläge für Qualitätsweizen eher gering. Lediglich durch die Erfüllung der Rohproteinnormen für Exportware oder aber die Konditionen im Vertragsanbau lassen sich höhere Preise gegenüber Futterweizen realisieren.

Die in diesem Jahr vollzogene Änderung der Qualitätseinstufung von Weizensorten, bei der der Rohproteingehalt (RP-Gehalt) nicht mehr Bestandteil für die Eingruppierung in die Qualitätsgruppen ist, verlief in der Praxis recht geräuschlos, zumal sich an den sortenspezifischen Eignungen ja nichts geändert hat. Die vom Wegfall der RP-Gehalte profitierenden Sorten sind entweder von B nach A oder von C nach B hochgestuft worden. Die im Handel dominierenden Aufgeldvorgaben werden nach wie vor vom RP-Gehalt bestimmt. A-Sorten mit hohen RP-Werten haben daher immer noch bessere Vermarktungschancen. Lediglich im Vertragsanbau, wo es auf die speziellen Backeigenschaften der Sorten ankommt, können diese Kriterien dann auch preislich entsprechend honoriert werden ohne bestimmte RP-Werte erreicht zu haben. Deshalb spielt die Sortenwahl nach wie vor bei der Produktion von Qualitätsweizen eine entscheidende Rolle, wobei die Kombination aus hoher Ertragsleistung und die Erfüllung geforderter Qualitätsnormen am wirtschaftlichsten ist.

Je nach Verwertungsrichtung müssen bestimmte Qualitätsparameter erreicht werden, um den Ansprüchen der aufnehmenden Hand gerecht zu werden. Hier gibt es für die unterschiedlichen Verwertungslinien unterschiedliche Anforderungen. Wird der Weizen direkt in der Ernte zum Landhandel geliefert, so sind hier vor allem das hl-Gewicht, der Rohproteingehalt, die Fallzahl sowie die Angabe der Sorte wichtige Parameter. Dank der problemlosen und nicht durch Niederschläge unterbrochenen zeitigen Ernte gab es keine Probleme im Bereich Fallzahl und Fusariumbesatz. Die Witterungsbedingungen zur Zeit der Blüte verminderten die Gefahr des Ährenfusariumbefalls. Davon profitierten sowohl die Brot- als auch die Futtergetreidebestände. Von Seiten der Erfassungsstellen und der Mühlen kamen jedoch Hinweise, dass einzelne Partien durch Mutterkornbesatz betroffen waren, die dann zum Teil auch für die Mühlenverwertung nicht nutzbar waren.

Unterschiedliche Modalitäten bei der Vermarktung

Aus der verarbeitenden Branche wird vielfach geäußert, dass die für den Export geforderten Rohproteingehalte nicht unbedingt erforderlich sind, um qualitativ hochwertige Backwaren zu erstellen. Hier spielen andere Parameter wie z. B. der Feuchtklebergehalt eine wesentlich wichtigere Rolle. Da ein Großteil des Qualitätsweizens nach den Bedingungen, die für den Export ausschlaggebend sind, gehandelt wird, orientieren sich die möglichen Preisaufschläge aktuell am Rohproteingehalt, gerechtfertigt oder nicht.

Bestehen hingegen Abnahmeverträge direkt mit dem Verarbeiter, so sind zusätzliche Merkmale wie z. B. der Feuchtklebergehalt mitentscheidend. Hier werden dann bereits vor der Aussaat auch die entsprechenden Sorten, die für den Verarbeiter angebaut werden sollen, abgestimmt.

Im Rahmen der Landessortenversuche werden neben der Ertragsleistung, der Standfestigkeit und Festigkeit gegenüber Krankheiten wichtige Parameter zur Qualitätseinstufung untersucht. Rohproteingehalt, hl-Gewicht und TKG sind dabei relativ einfach zu bestimmende Kriterien, während die Fallzahl, vor allem aber die Sedimentationswerte, aufwändiger zu ermitteln sind. Deren Ergebnisse basieren daher auf einer geringeren Datengrundlage. Für letztgenannte Untersuchung müssen die Proben entsprechend aufbereitet werden.

Im folgenden Artikel werden die Qualitätsergebnisse der diesjährigen Landes-sortenversuche dargestellt.

Fallzahlen

Die Weizenernte begann vielfach bereits in der letzten Julidekade. Lediglich Standorte in den Höhenlagen, vor allem aber in der Marsch waren oftmals erst in der zweiten Augusthälfte erntereif. Unterbrechungen durch anhaltende Regenperioden waren im Prinzip nicht vorhanden, höchstens in den später abreifenden Regionen.

Da im gesamten Vegetationsverlauf, abgesehen von einzelnen regional eng begrenzten Gewittern mit Hagelschauern, keine Starkregenereignisse zu verzeichnen waren, spielte Lager in diesem Jahr praktisch keine Rolle. Sorten mit Schwächen in der Standfestigkeit waren dennoch auch in diesem Jahr erkennbar, allerdings ohne drastische Auswirkungen. Die Abreife der Körner in der Ähre wurde dadurch also nicht beeinträchtigt, sondern eher durch die Hitze und Trockenheit. Generell traten deswegen keine Probleme durch zu geringe Fallzahlen auf. Allerdings waren sortentypische Unterschiede wieder klar erkennbar. Mit einer durchschnittlichen Fallzahl von 351 sec. lagen die Werte insgesamt auf einem sehr hohen Niveau, auch noch höher als im günstigen Jahr 2018. Den Spitzenwert von über 400 sec. erreichten die neu aufgenommene E-Sorten Moschus sowie analog zu den Vorjahren Ponticus. Die neben Moschus neu in die E-Gruppe aufgenommene Sorte KWS Emerick hingegen lieferte mit 326 sec. deutlich schwächere Werte und kann damit nicht unbedingt die gute Einstufung des Bundessortenamtes bestätigen. Im A-Bereich überzeugte von den mehrjährig geprüften Sorten RGT Reform, gefolgt von Asory und Kashmir. Bei den frühreifen Grannenweizen lieferte Euclide die besten Werte, während Rubisko auch in diesem Jahr die schwächsten Werte im A-Segment erreichte. Durch sehr hohe Werte konnten die beiden neuen Sorten Lemmy und RGT Depot überzeugen. Im B-Segment lieferte die neue und spät abreifende Sorte SU Selke mit über 400 sec. Werte, die ansonsten nur von den besten E-Sorten erreicht wurden. Faustus und Porthus sowie Benchmark und Informer konnten ebenfalls überzeugen. Verhältnismäßig schwache Werte hingegen zeigten LG Vertikal, Sheriff und Kamerad, die damit ihr gutes Vorjahresergebnis nicht wiederholen konnte. Im C-Bereich lieferte Elixer wie gewohnt gute Ergebnisse, während Safari ihre Schwächen in diesem Merkmal wieder bestätigte.

In kritischen Jahren, in denen vor und während der Erntephase wechselnde Witterungsbedingungen herrschen, sollten bei Kenntnis der Fallzahlstabilität gefährdete Sorten vorrangig beerntet werden. Hinweise hierzu waren unter den diesjährigen Erntebedingungen nur eingeschränkt erkennbar.

Die Hektolitergewichte (hl) fallen in diesem Jahr mit 78,5 kg hoch aus, erreichen jedoch nicht die sehr guten Werte des Vorjahres. Mit Ausnahme der Sorte Sheriff erfüllten alle Sorten die geforderten Werte von 76 kg. Die gegenüber dem Vorjahr etwas schwächeren hl-Gewichte spiegeln sich auch beim TKG durch einen leichten Rückgang der Werte wider. Demgegenüber fielen 2019 die ertragsbildenden Faktoren Ähren je m² und Kornzahl je Ähre etwas besser aus. Vor allem die forcierte Abreife der Bestände durch sehr hohe Temperaturen und intensive Sonneneinstrahlung beeinträchtigten auf den Standorten mit nicht ausreichender Wasserverfügbarkeit eine ungestörte Kornausbildung.

Sehr hohe hl-Gewichte von über 80 kg erreichten Moschus und Ponticus von den E-Sorten, RGT Reform, Asory und Euclide von den A-Sorten sowie Argument von den B-Sorten. Recht schwache hl-Gewichte erzielten Sheriff, Benchmark, LG Vertikal, Bosporus und Informer.

Die Rohproteingehalte fallen mit Durchschnittswerten von 11,0 % gegenüber den Vorjahren nochmals deutlich schwächer aus. Als mögliche Ursache könnten hier ebenfalls die sehr trockenen Bedingungen genannt werden, die dazu führten, dass die Stickstoffaufnahme bzw. Umlagerung nicht optimal verlief. Die Unterschiede zwischen den Qualitätsgruppen spiegeln sich in den Ergebnissen wider. Allerdings gibt es auch einzelne positive Ausnahmen, wie beispielsweise mit Lemmy (A) und SU Selke (B), die mit über 12 % an die Werte der E-Sorten heranreichten. Nachvollziehbar zeigen die in die jeweils höhere Qualitätsgruppe umgestuften Sorten LG Imposanto, Hymalaya (jetzt A-Sorten) sowie Sheriff, LG Vertikal und Campesino (jetzt B-Sorten) die schwächsten RP-Werte. Im E-Bereich konnten lediglich Ponticus und Moschus Werte über 12 % erreichen, die damit aber die geforderten E-Exportnormen deutlich verfehlen. Zu beachten ist allerdings, dass in den Landessortenversuchen die E-Sorten auf Basis der Bedarfswerte der A- und B-Sorten gedüngt wurden. Eine um 20 kg N/ha erhöhte Düngung hätte eine Steigerung auf über 13 % RP sicherlich auch nicht möglich gemacht. Viele der A-Sorten erreichten keine 12 % RP-Gehalt. Neben Lemmy (12,1 % RP) erreichten im A-Segment Rubisko, Apostel, Kashmir und Asory die besten Ergebnisse. Erfreulich waren diese Werte bei Kashmir und Asory, da sie gleichzeitig auch ertraglich überzeugen konnten. Im B-Segment erreichte nach SU Selke die ertragsstarke Sorte Informer gute Werte aber auch Argument, Faustus und die ertragsschwächere Sorte Kamerad konnten überzeugen. Weitere ertragsbetonte B-Sorten, wie Benchmark und die ehemaligen C-Sorten Sheriff, LG Vertikal und Campesino lieferten unterdurchschnittliche Werte ab.

Die beiden C-Sorten Elixer und Safari erreichten erwartungsgemäß unterdurchschnittliche Gehalte.

Ein Maß für die Proteinqualität ist der Sedimentationswert. Im Durchschnitt über die Sorten fällt der Sedimentationswert auf Basis der vorliegenden 6 Standortergebnisse mit einem Wert von 41 ml eher durchschnittlich aus. Da in die Mittelwertbildung auch die Werte der C-Sorten mit einfließen, ist eine genauere Betrachtung der unterschiedlichen Qualitätsgruppen erforderlich. Die E-Sorten erreichten mit durchschnittlich 55 ml einen guten Wert. Die höchsten Werte erzielte Moschus, gefolgt von Ponticus und KWS Emerick, wobei die Ergebnisse recht eng beieinander lagen. Von den mehrjährig geprüften A-Sorten konnten RGT Reform und Asory die guten Vorjahresergebnisse bestätigen. Mit dem Spitzenwert von 60 ml erzielte Lemmy die mit Abstand höchsten Werte und übertraf auch die E-Sorten.

Im Bereich der B-Sorten erreichte Argument mit 46 ml die Werte guter A-Sorten. Aber auch Informer und KWS Talent zeigten für diese Qualitätsgruppe hohe Werte. Unterdurchschnittliche Ergebnisse erreichten hingegen Benchmark, Kamerad, Porthus und Sheriff, sowie die neuen Sorten LG Vertikal und Campesino. Erwartungsgemäß fallen die Sedimentationswerte der C-Weizen ebenfalls schwach aus.

Weiterführende Qualitätsuntersuchungen der Arbeitsgemeinschaft für Qualitätsweizenanbau

In der Arbeitsgemeinschaft für Qualitätsweizenanbau im Gebiet der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sind Vertreter aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Partner vom Landwirt bis zur Mühle vereint.

Ergänzend zu den indirekten Qualitätseigenschaften wurden in Zusammenarbeit zwischen Arbeitsgemeinschaft und Landwirtschaftskammer ausgewählte Sorten auf weiterführende spezifische Backeigenschaften untersucht.

In den Mahl- und Backuntersuchungen der Mühlen werden neben der Mehlausbeute und der Wasseraufnahme auch der Feuchtklebergehalt sowie das Backvolumen bestimmt. Diese Parameter sind für den Landwirt von eher untergeordneter Bedeutung. Sie liefern aber wichtige Informationen zur ganzheitlichen Beurteilung einer Sorte, vor allem für die weiterverarbeitenden Betriebe. Die Wasseraufnahme des Mehles ist in erster Linie für die Verarbeiter des Rohstoffs Mehl von Interesse. Auch in Bezug auf dieses Merkmal zeigen sich recht deutliche Sortenunterschiede.

Der Feuchtkleber ist ein Oberbegriff für Getreideeiweiße. Der Kleber beeinflusst die Wasserbindung im Teig, die Krumen- und Krustenbildung des Teiges sowie auch die Frischhaltung von Gebäcken. Der Kleberanteil eines Mehles ist entscheidend für dessen Backfähigkeit.

Letztlich entscheidend für die gesamtheitliche Beurteilung einer Sorte ist das Backvolumen, welches im so genannten Rapid-Mix-Test ermittelt wird.

Sortenempfehlungen der Arbeitsgemeinschaft

Basierend auf den Qualitätsuntersuchungen wurden die aus der Ernte 2019 ermittelten Eigenschaften sowie unter weiterer Einbeziehung der Ertragsleistungen und agronomischer Eigenschaften folgende Sorten für den Qualitätsweizenanbau empfohlen. Aus dem Bereich der A-Sorten sind dies RGT Reform, Asory, RGT Depot, LG Initial. Im Bereich der B-Sorten werden von der Arbeitsgemeinschaft für Qualitätsweizenanbau Faustus und KWS Talent sowie die neuere ertragsstarke Sorte Informer empfohlen.

Als Keks- oder Waffelweizen kann Elixer weiter für einen Anbau eingeplant werden. Wichtig ist es, bei der Produktion einen geringen Proteingehalt anzustreben. Genau wie beim Eliteweizen sollten auch bei einer angestrebten Vermarktung als Keksweizen bereits im Vorfeld Gespräche mit der aufnehmenden Hand geführt werden, um eventuelle Preisaufschläge erreichen zu können.

Die Erzeugung von Eliteweizen sollte in erster LInie vertraglich abgesichert werden, um entsprechende Erlöse erzielen zu können. Auch eine getrennte Lagerung der Partien muss gewährleistet sein. Als Sorten empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft in diesem Jahr Ponticus und Moschus.

Ausblick

Die derzeitigen Marktbedingungen weisen nur marginale Preisaufschläge für Qualitätsweizenpartien aus. Es sind hier entsprechende Impulse von Seiten der aufnehmenden Hand erforderlich um die Bereitschaft zum gezielten Anbau zu stärken. Die Erfüllung der vornehmlich für den Export orientierten Grenzen im Bereich der Rohproteinwerte wird durch die neue Düngeverordnung zunehmend schwieriger. Eine tendenziell rückläufige N-Versorgung der Weizenbestände, insbesondere in Form von Qualitätsspätgaben wird in erster Linie die Rohproteinwerte negativ beeinflussen. Daher sind nach wie vor Sorten mit hohen RP-Werten für den Verkauf an die Erfassungsstellen während der Ernte sehr wichtig. Wenn mit Hilfe von Schnellmethoden die Feuchtklebergehalte bereits während der Weizenablieferung beim Landhandel sicher und im zeitlich vertretbaren Rahmen bestimmt werden können, ist dies ein wichtiger Schritt um Partien und Sorten mit schachen RP-Gehalten aber guten Backeigenschaften besser zu vermarkten. Hier ist eine konkrete Sortenabsprache zwischen den Handelspartnern vorzunehmen. Etliche Handeshäuser sind bereits auf gutem Weg und stellen sich auf zukunftsfähige Qualitätskriterien ein, um den innerdeutschen Backweizenmarkt trotz reduzierter Düngung weiterhin mit Qualitäsware beliefern zu können. Für Exportware, und das ist und bleibt nach wie vor ein sehr wichtiger Absatzweg, werden sich Änderungen der Qualitätsmaßstäbe in naher Zukunft kaum ergeben. Wichtig wäre es, für den innerdeutschen Markt mögliche Anpassungen auch umzusetzen.