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Landessortenversuche 2019: Hafer

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Das Interesse am Hafer hat als Fruchtfolgeerweiterung in der Landwirtschaft und auch als gesundes Nahrungsmittel in der menschlichen Ernährung zugenommen. Daher gilt es, das Sortenspektrum zu beobachten und neue Sorten auf ihre Anbau- und Verwertungseigenschaften zu prüfen.

 

 

Hafer
HaferCarsten Rieckmann
Der Aufwärtstrend beim Haferanbau in Niedersachsen scheint sich kontinuierlich fortzusetzen. Abgesehen von dem witterungsbedingten starken Anstieg in 2018 nahm die Flächenausdehnung seit 2016 um ca. 5 % zu. Für 2019 wies das Landesamt für Statistik Niedersachsen eine Anbaufläche von 10.400 ha aus. Im Landesdurchschnitt wurde mit gut 45 dt/ha analog zu 2018 ein sehr schwacher Ertrag erreicht. Die langanhaltende Sommertrockenheit ist hier klar als Ursache zu benennen, da Sommerungen generell am stärksten davon betroffen waren, zumal auch auf den besseren Standorten die Bodenwasservorräte während des Winters nicht wieder aufgefüllt wurden. Das Interesse für den Haferanbau zur Erweiterung bisheriger sehr enger und durch Winterungen dominierter Fruchtfolgen nimmt dennoch weiter zu, da auch von der Vermarktungsseite positive Signale kommen. Künftig muss versucht werden, den Qualitätshaferanbau zu stärken. Hierfür müssen entsprechende Qualitätskriterien relativ sicher erfüllt werden. Die Sortenwahl kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.

Erträge der Sorten

Die Landessortenversuche Hafer wurden in den zwei Anbauregionen „Sandstandorte Nordwest“ und „Marsch, lehmige Standorte Nordwest“ angelegt, wobei sieben Sorten getestet wurden. In der Anbauregion „Sandstandorte Nordwest“ konnten 2019 zwei Standorte aus Niedersachsen sowie ein Standort aus Schleswig-Holstein einfließen. Die Anbauregion „Marsch, lehmige Standorte Nordwest“ umfasst insgesamt neun Standorte der vier Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen.

Zu den bereits vor bzw. seit 2015 im Landessortenversuch (LSV) geprüften Sorten zählen Max, Symphony und Apollon. Harmony befindet sich im vierten und Delfin im dritten LSV-Prüfjahr. Von der Sorte Armani liegen zweijährige LSV-Ergebnisse vor. Lion wurde neu ins Prüfsortiment aufgenommen. In den zusammengefassten mehrjährigen Ergebnissen 2015 bis 2019 sind zum Teil auch Ergebnisse aus Wertprüfungen des Bundessortenamtes berücksichtigt worden, die in den jeweiligen Anbauregionen durchgeführt wurden. Damit können insbesondere für die neueren Sorten unterschiedliche Umweltbedingungen mit einfließen, die die Sortenbeurteilung belastbarer machen.

Das geringe Ertragsniveau von 45,9 dt/ha auf den Sandstandorten Nordwest spiegelt die Auswirkungen der Trockenheit des Vorjahres auch dieses Jahr wider. Alle drei Sandstandorte lagen in einem Ertragsbereich von 42 bis 49 dt/ha.

Unter den speziellen Bedingungen des Jahres 2019 erreichte die langjährig geprüfte Sorte Max überraschenderweise ein sehr gutes Ertragsergebnis. Die im vergangenen Jahr dominierende Sorte Symphony hingegen erzielte auf allen drei Standorten nur unterdurchschnittliche Leistungen. Mit insgesamt recht schwankenden Erträgen konnten die neue Sorte Lion sowie Armani mit überdurchschnittlichen Gesamtergebnissen überzeugen. Apollon erreichte ebenfalls hohe und deutlich gleichmäßigere Erträge. Delfin fiel hingegen aufgrund stark variierender Ergebnisse insgesamt zurück. Und auch Harmony erreichte mit schwankenden Erträgen letztlich nur durchschnittliche Werte.

Mehrjährig betrachtet lieferte Symphony trotz unterschiedlicher Erträge in den Einzeljahren überdurchschnittliche Leistungen. Vergleichbare Werte erzielte auch Delfin, die insbesondere von ihren guten Ergebnissen im Jahr 2017 profitierte. Armani als zweijährig geprüfte Sorte erreichte in beiden Trockenjahren insgesamt ein vergleichbares Ergebnis. Apollon erzielte mit rel. 100 etwas schwächere Erträge, lieferte aber insgesamt die konstantesten Leistungen. Harmony lag knapp unter dem Durchschnittertrag der vorgenannten Sorten. Lion konnte im ersten LSV-Jahr ertraglich überzeugen.

Symphony, Apollon, Delfin und Armani sind aufgrund ihrer guten mehrjährigen Ergebnisse für diese Anbauregion in erster Linie für die Fütterung als empfehlenswert eingestuft worden. Nach wie vor wird als Qualitätshafer mit Schwerpunkt hohes Hektolitergewicht (hl-Gewicht) für den Verkauf vorrangig die Sorte Max empfohlen, hinzu kommt die neue Sorte Lion für den Probeanbau.

In der Anbauregion Marsch, lehmige Standorte Nordwest wurden mit 69 dt/ha zwar deutlich höhere Erträge als auf den Sandstandorten erzielt, das gute Ertragsniveau der Vorjahre 2017 und 2016 wurde aber nicht erreicht. Die Wasserverfügbarkeit der Standorte bestimmte auch hier die Ertragsleistungen, sodass in dieser Anbauregion nur knapp das Vorjahresniveau erreicht wurde. Die mangelnde Wiederauffüllung der Bodenwasservorräte wurde beispielsweise auf dem Bördestandorte Poppenburg (Lkrs. HI) deutlich, wo unter 70 dt/ha gedroschen wurde. Am Standort Astrup (Lkrs. OS) wirkte sich vor allem die Frühsommertrockenheit auf die Ertragsleistung (59 dt/ha) aus.

Armani, Symphony, Lion und Max lieferten in dieser Anbauregion überdurchschnittliche Erträge im Mittel der Standorte. Apollon erreichte mit rel. 100 zwar nur durchschnittliche Werte, zeigte aber auch hier die geringsten Abweichungen bei den Einzelorten. Delfin und Harmony zeigten sich ertragsschwächer.

Mehrjährig betrachtet liegen die Ergebnisse der Sorten mit Ausnahme von Max und Harmony auch in dieser Anbauregion eng beieinander. Trotz der schwachen Leistungen in diesem Jahr zählt Delfin dank der Vorjahresergebnisse zu den ertragsstärksten Sorten, gefolgt von Armani, Symphony und Apollon. Max konnte das mehrjährige Ergebnis dank der Leistungen aus 2018 und 2019 wieder etwas steigern und sollte aufgrund der Qualitätseinstufungen noch nicht aus den Anbauplanungen herausgenommen werden. Bei Harmony hingegen ist ertraglich ein Abwärtstrend erkennbar. Bei Lion als einjährig geprüfter Sorte bestätigen die guten LSV-Leistungen die zahlreichen Wertprüfungsergebnisse in dieser Anbauregion

Für diese Anbauregion sind aus ertraglicher Sicht Delfin, Armani, Symphony und Apollon für den Anbau zu empfehlen. Damit decken sich Einstufungen für beide Anbauregionen. Die Sorte Max ist auch hier für den Anbau empfehlenswert, wenn die Priorität auf hohe hl-Gewichte und geringe Spelzanteile gelegt wird. Zum Probeanbau für die Qualitätshaferproduktion ist Lion zu nennen.

Ergebnisse der Qualitätsuntersuchungen

Die Nachfrage nach Qualitätshafer nimmt tendenziell zu und daher sollte versucht werden, durch heimischen Anbau den Markt zumindest in Teilen zu bedienen. Wie bei anderen Kulturen auch - als Beispiel seien hier der Qualitätsweizen- oder der Braugerstenanbau genannt - sollte versucht werden, bereits möglichst vor der Aussaat über vertragliche Vereinbarungen die Abrechnungsmodalitäten für die Qualitätsparameter beim Verkauf festzulegen. Entsprechende Qualitätsaufschläge für die Vermarktung als Industriehafer für die Nährmittelherstellung oder aber der Direktverkauf an Pferdehalter können den Haferanbau wirtschaftlich interessant machen.

Um Preisaufschläge für Industriehafer zu bekommen, müssen jedoch Mindestanforderungen des Handels erfüllt werden. Dieses gelingt oftmals nicht. Nach wie vor ist das Hektolitergewicht eines der wichtigsten Kriterien. Gefordert werden Gewichte von 54 kg/hl, für die Einstufung als Qualitätshafer sind es sogar 55 kg/hl.

Seit nunmehr 15 Jahren erreichten die in den Landessortenversuchen geprüften Sorten die genannten Werte nicht mehr. Bei den diesjährigen Qualitäten wirkte sich die Trockenheit noch gravierender schädigend aus als es 2018 der Fall war. Dabei gab es sicherlich Standortunterschiede, wobei aber alle Standorte deutlich unter den geforderten Normen blieben. Im Mittel der Sorten wurden lediglich hl-Gewichte von 45 kg erreicht. Max erreichte dabei wie in den Vorjahren mit Abstand die besten Werte.

Während der geforderte Mindestwert von 27 g/i. Trs. Beim TKM erreicht wurde, wurden nur sehr geringe Tausendkerngewichte von durchschnittlich 19,1 g in der Trockensubstanz erzielt und verfehlten damit die Mindestnorm. Diese Werte wurden allerdings nur auf den vier niedersächsischen Standorten bestimmt, die allesamt durch die Trockenheit während der Kornfüllungsphase beeinflusst wurden. In beiden Kriterien erreichten Harmony und Apollon noch die besten Werte.

Bei der Produktion von Haferflocken wird Wert auf einen möglichst geringen Anteil an Spelzen gelegt. Der Spelzanteil lag in den Versuchen 2019 mit 26,2 % knapp über der geforderten Norm. Den geringsten Spelzanteil wies mit 24,2 % Max auf. Aber auch Lion und Symphony blieben unter der Norm von max. 26 %.

Um einen erfolgreichen Haferanbau zu fördern, sollte die Aussaat erfolgen, sobald es die Witterungs- und Bodenverhältnisse im Frühjahr zulassen. Die Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit wirkt sich positiv auf den recht hohen Wasserbedarf aus. Insbesondere die Wasserversorgung ist, wie die beiden letzten Jahre gezeigt haben, einer der wichtigsten Faktoren, um entsprechende Qualitäten zu erreichen. Die deutschen Hafermühlen sind häufig darauf angewiesen, Hafer aus Skandinavien und England zu importieren, um ihren Bedarf an erforderlichen Qualitäten zu decken.

Bei der Sortenwahl gilt es, die genetisch bedingten Sortenunterschiede zu berücksichtigen.

Die empfohlenen Sorten im Einzelnen:

Max ist zur Erzeugung von Qualitätshafer nach wie vor die Sorte der Wahl, da sie in der Kombination von hohen hl-Gewichten und geringem Spelzanteil über die Jahre die besten Ergebnisse liefert. Dies mag in erster Linie der Grund für die mit Abstand höchste bundesweite Vermehrungsfläche unter den Hafersorten sein, die sich in den letzten zwei Jahren jeweils nochmals deutlich erhöht hat. Sie wird daher vornehmlich als qualitätsbetonte Sorte für den Anbau empfohlen. Ertraglich konnte sich Max in den beiden Trockenjahren recht gut behaupten und reduzierte dadurch den Ertragsrückstand gegenüber den neueren Sorten wieder etwas. Zu beachten ist allerdings das höhere Lagerrisiko.

Symphony und Apollon zählen ertraglich zu den stärkeren Sorten und sind in den Qualitätsmerkmalen miteinander vergleichbar. Letztgenannte Sorte erwies sich über die Jahre und zwischen den Standorten als recht ertragsstabil ohne große Abweichungen. Beide Sorten verfügen über sehr hohe Tausendkorngewichte und sind mit hohen hl-Gewichten und im Mittel der Jahre mit geringen Spelzanteilen eingestuft. Delfin konnte mehrjährig betrachtet ertraglich überzeugen und erreichte ebenfalls gute Qualitäten. Zu beachten ist die Reifeverzögerung im Stroh. Die Sorte hat wie Harmony eine sehr gute Festigkeit gegenüber Mehltau. Die zweijährig geprüfte Sorte Armani konnte sich gegenüber dem Vorjahr noch steigern und zählt damit ebenfalls zu den ertragsbetonten Sorten. Schwächen zeigte die Sorte allerdings im Hektolitergewicht sowie in der nur durchschnittlichen Einstufung gegenüber Lagerneigung und Halmknicken. Im Spelzanteil ist die Sorte vom Bundessortenamt hingegen gut eingestuft, was sie zumindest auch 2018 in den LSVs bestätigte. Recht hohe Erwartungen werden in die neue Sorte Lion gesetzt, die ertraglich überzeugen konnte und in den Qualitätseigenschaften die sehr guten BSA-Einstufungen weitgehend auch in den LSV-Ergebnissen bestätigte, ohne jedoch an die Werte von Max bei hl-Gewicht und Spelzanteil voll heranzukommen. Sie wird dennoch für den Probenanbau als qualitätsbetonte Sorten empfohlen.

Zusammenfassung

Nach wie vor fließt der überwiegende Teil der Haferernte in die Fütterung. Hierfür spielt in erster Linie der Kornertrag die entscheidende Rolle. Für die Erzeugung von Qualitätshafer gewinnen allerdings die entsprechenden Eigenschaften wie hl-Gewicht und Spelzanteil an Bedeutung. In Abhängigkeit von den Vermarktungsmöglichkeiten sollten also bei der Anbauplanung die unterschiedlichen Sortenmerkmale berücksichtigt werden. Hier könnten dann vielleicht auch neuere Sorten stärker zum Zuge kommen. In der Hoffnung auf wieder „normalere Jahre“ und trotz der schwachen letztjährigen Erträge sollte Hafer als Gesundungsfrucht mit geringer Krankheitsanfälligkeit in engen und durch Winterungen dominierten Fruchtfolgen häufiger mit einbezogen werden.