Düngebehörde

NIRS-Sensoren auf Güllewagen – praxisreif für die Dokumentation nach Düngerecht?

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NIRS-Sensoren werden schon seit längerem auf Feldhäckslern eingesetzt, um die Trockensubstanz des Erntegutes zu bestimmen. Schon seit 2007 gibt es auch ein NIRS-System zur Bestimmung von Trockensubstanz und Nährstoffen in flüssigen Wirtschaftsdüngern wie Gülle und Gärresten, doch erst seit den letzten drei Jahren interessiert sich die Praxis dafür. Hintergrund ist vor allem die Dokumentation der Inhaltstoffe nach den Bestimmungen des Düngerechts einerseits beim Inverkehrbringen (Deklaration und Dokumentation der Nährstoffgehalte) sowie andererseits die Feststellung wesentlicher Nährstoffgehalte vor der Ausbringung. Ziel ist es, die aufwändige Probenahme zu vermeiden und die Zeit bis zum Eintreffen des Laborergebnisses zu verkürzen.

Was ist NIRS überhaupt? 

NIRS ist die Abkürzung für NahInfraRot-Spektroskopie. Für diese Untersuchung wird eine Probe mit Nahinfrarotlicht bestrahlt –  Licht-Wellenlängen, die das menschliche Auge schon nicht mehr wahrnehmen kann. Das Nahinfrarotlicht wird von der Probe teilweise reflektiert, ein anderer Teil von bestimmten chemischen Strukturen wie zum Beispiel Kohlenstoff-Wasserstoff- oder Stickstoff-Wasserstoff-Verbindungen absorbiert. Von der Differenz von eingestrahltem zu reflektiertem Licht kann auf die Menge verschiedener Inhaltsstoffe geschlossen werden. Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis des Zusammenhangs zwischen der Menge an Inhaltsstoffen und der mithilfe der Spektroskopie ermittelten Absorption. Das Herstellen dieses Zusammenhangs nennt man Kalibration. Dafür müssen Proben nasschemisch – also im Labor – mit Referenzverfahren untersucht werden. Um eine aussagekräftige Beziehung herzustellen, sind dafür unter Umständen sehr viele Proben erforderlich, die das Wertespektrum abdecken. Hintergrund hierfür ist, dass das Nahinfrarotlicht außer von den gewünschten chemischen Verbindungen auch von anderen Verbindungen in den Proben absorbiert wird und damit die direkte Messung stört. Das bedeutet auch, dass man sich dem „wahren Nährstoffgehalt“ mit NIRS nur nähern kann – nie wird das Ergebnis so genau sein wie bei der laborchemischen Untersuchung mithilfe der Referenzmethoden.

Nicht alle Nährstoffe, die in der Gülle enthalten sind, lassen sich mit NIRS messen. Sehr gut vorhersagbar ist der Wassergehalt und umgerechnet daraus die Trockensubstanz (TS), der Gesamt-Stickstoff und der Ammonium-Stickstoff. Kalium liegt in Güllen und Gärresten löslich und nicht gebunden vor und verfügt daher nur über sehr schwache Absorptionen, die das Nahinfrarotlicht direkt beeinflussen. Phosphor liegt überwiegend gebunden vor, dennoch sind auch hier die beobachtbaren Absorptionen sehr klein.  Wenn es trotzdem für Phosphor oder Kalium eine Kalibration – also eine Beziehung zwischen der NIRS-Absorption und Labormesswerten – gibt, dann ist dies eine indirekte Beziehung. Diese beruht darauf, dass mit der NIR-Spektroskopie der Wassergehalt sehr gut bestimmt werden kann und eine enge Korrelation zwischen den Phosphorverbindungen beziehungsweise Kalium und dem Wassergehalt besteht. P und K werden analog den Stickstoffverbindungen mit NIRS also nicht direkt gemessen, sondern geschätzt. 

Vor- und Nachteile von NIRS-Sensoren und der Untersuchung im Labor

Welche Vor- und Nachteile die NIRS-Messung bei der Untersuchung von flüssigen Wirtschaftsdüngern, aber auch anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen gegenüber der Labormessung aufweist, entnehmen Sie der nachfolgenden Tabelle:

 

Untersuchung im Labor

Messung mit NIRS

  • Untersuchungsgegenstand kommt zum Labor
  • Sensor kommt zum Untersuchungsgegenstand
  • Entnahme einer Probe nach Homogenisierung des Materials erforderlich
  • Berührungslose Messung des homogenisierten Materials
  • Untersuchung einer Einzel(misch)probe

 

  • Online-Messung einer sehr großen Anzahl von Stichproben (z. B. während eines Pumpvorgangs)
  • Aus Kostengründen nur wenige Proben
  • Kosten für NIRS Geräte werden in der Regel auf viele Nutzer verteilt
  • Analysendauer
  • Ergebnisse unmittelbar verfügbar
  • Direkte Bestimmung der Nährstoffe
  • Kalibration an Laboruntersuchungen erforderlich
  • Hohe Messgenauigkeit
  • Genauigkeit des Ergebnisses von der Güte der Kalibration und von der Eignung des untersuchten Materials abhängig (stark eingeschränkt bei untypischen, in der Kalibration nicht berücksichtigten Materialien und Zusätzen)
  • Untersuchungen sind wiederholbar
  • Keine Wiederholbarkeit

 

  • Untersuchungen sind zwischen Laboren vergleichbar
  • Sensoren unterschiedlicher Hersteller können aufgrund verschiedener Kalibration zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen
  • Sehr große Bandbreite zu untersuchender Nährstoffe

 

  • Schätzung beschränkt auf Stickstoff, P und K

 

  • Qualitätssicherungssysteme gemäß DIN EN ISO 17025 und Akkreditierung von unabhängiger Stelle
  • Qualitätssicherung liegt in der Verantwortung des Sensorherstellers

 

Zusammengefasst liegen die Vorteile des NIRS-Sensors in der Häufigkeit der Messungen, im geringen Aufwand und in der sofortigen Verfügbarkeit der Ergebnisse vor Ort. Allerdings sind die Kalibrationen umfangreich zu kalibrieren und müssen regelmäßig aktualisiert werden. Materialien mit Zusätzen – sei es ASL, AHL oder andere – sind üblicherweise nicht von den Kalibrationen abgedeckt. Laboruntersuchungen sind hiervon unabhängig und zeichnen sich durch eine hohe Genauigkeit für die Untersuchung aller gewünschten Nähstoffe sowie eine unabhängige Qualitätssicherung aus.

Häufig wird als Argument für den Einsatz von NIRS-Sensoren genannt, dass das Aufrühren der Gülle nicht mehr erforderlich sei, da die Steuerung der Menge über den gemessenen Nährstoffgehalt erfolgen kann. Das kann in Einzelfällen richtig sein, wird aber in der Praxis daran scheitern, dass es bei nicht aufgerührten Güllebehältern zu einer sehr deutlichen Separierung der Gülle kommt – oben das Dünne, unten das Dicke. Die Nährstoffgehalte sind ganz oben häufig so niedrig und ganz unten häufig so hoch, dass die Spannweite der durch die Kalibration abgedeckten Konzentrationen unter- bzw. überschritten wird, innerhalb der der Sensor messen kann. Verschiedene Hersteller von Sensoren haben daher einen „Gültigkeitsparameter“ in ihr System integriert.

Prüfung der Messgenauigkeit von NIRS-Sensoren

Im Rahmen von DLG-Prüfungen haben verschiedene Sensoren eine Anerkennung für bestimmte Wirtschaftsdünger und Inhaltsstoffe erhalten. Für die Erlangung dieser Anerkennung wurden Untersuchungen an reinen Rinder- und Schweinegüllen sowie in flüssigen Gärresten durchgeführt. Gemessen wurden die Trockensubstanz, Gesamtstickstoff, Ammonium-Stickstoff, Phosphor und Kalium. Eine Anerkennung für die verschiedenen Arten von Güllen und Nährstoffen wurde dann vergeben, wenn die relative Abweichung zur Referenz bei 5 Probenpaaren jeweils mindestens bei 3 Messvorgängen unter 15 % betrug und keine Abweichung über 35 % vorlag. Die hier akzeptierten Abweichungen können bei düngemittelrechtlichen Überwachungen in Niedersachsen bereits zu Zweifeln an einer ordnungsmäßen Nährstoffverwertung führen.

Vergleiche zwischen NIRS-Messungen und Laboruntersuchungen wurden auch von verschiedenen Versuchsanstellern – unter anderen auch der Landwirtschaftskammer Niedersachsen – durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Sensormesswerte insbesondere bei Phosphor und Kalium deutlich von den Laborwerten abweichen können. Trockensubstanz und Stickstoff lassen sich mit der NIRS-Methode mit relativ geringen Abweichungen bestimmen.

Die Kalibrationsverfahren der Hersteller von Sensoren unterscheiden sich voneinander. Von den beiden aktuell die Güllewagenhersteller mit Sensoren versorgenden Herstellern hat einer eine einzige Kalibration für alle Gülle- bzw. Gärrestarten erstellt, während ein anderer für Güllen unterschiedlicher Tierarten und für Gärreste jeweils eigene Kalibrationen verwendet. Ein Vergleich beider Sensortypen im deutsch-niederländischen Projekt Mest op Maat zeigte, dass diese bei ein und derselben Gülle teilweise zu deutlich unterschiedlichen Messwerten gelangen (http://mestopmaat.eu/2018/11/fortschritt-guelle-und-gaerrest-2018/).

Kalibrierverfahren für Sensoren müssen auch in Zukunft weiterentwickelt werden, da sich die Zusammensetzung der Güllen oder Gärreste mit der Zeit ändern kann. Ein Beispiel ist der in den letzten Jahren deutlich zunehmende Einsatz phosphor- oder proteinreduzierten Futters.

Häufig wird von Sensorherstellern das Argument angeführt, dass die Schwankungen der Untersuchungsergebnisse zwischen Laboren bei ein und derselben Probe ebenso hoch seien wie die Abweichungen der NIRS-Messungen von den Laborergebnissen. Das ist verkehrt, denn viele Labore unterziehen sich einer Qualitätskontrolle, einem sogenannten Ringversuch. Dabei wird ein und dieselbe Gülle - meistens sind es mehrere verschiedene Güllen - an die teilnehmenden Labore verschickt. Diese wiederum melden ihre Untersuchungsergebnisse an die (unabhängige) zentrale Stelle, die den Ringversuch organisiert und auswertet. Den Laboren wird mitgeteilt, ob und wie sie den Ringversuch bestanden haben. Ein gutes Labor wird seinen Kunden auf Anfrage immer mitteilen, ob es an einem solchen Versuch teilgenommen und wie es dort abgeschnitten hat; kleine Unterschiede zwischen den Laboren (maximal 10 % Abweichung) lassen sich grundsätzlich nicht vermeiden. Den Herstellern der NIRS-Sensoren obliegt es also, sich das passende Labor zur Kalibrationserstellung auszusuchen.

Das NIRS-Verfahren bei der Anwendung im Düngerecht

Aufgrund der Vorteile, die das Verfahren bietet, möchten es viele Landwirte nutzen, um ihren Dokumentationspflichten gemäß Dünge- oder Verbringungsverordnung nachzukommen. Dabei ist Folgendes zu beachten:

1) Beim Inverkehrbringen/der Abgabe von Wirtschaftsdüngern

Wer Wirtschaftsdünger an Dritte abgibt (in Verkehr bringt), hat zum Zeitpunkt der Abgabe nach den Vorgaben der Düngemittelverordnung (DüMV) u.a. die Nährstoffgehalte zu deklarieren. Dabei gilt der Grundsatz der Garantenstellung des Inverkehrbringers. Das bedeutet, mit der Deklaration des Wirtschaftsdüngers bei der Abgabe (des Inverkehrbringens) werden die deklarierten Nährstoffgehalte zugesichert.

Vor dem Hintergrund der Garantenstellung gibt es in der DüMV für den Abgeber keine Pflicht zur Untersuchung der Nährstoffgehalte. Allerdings liegt die korrekte Deklaration der Nährstoffgehalte (die „Qualitätssicherung“) in der Verantwortung des Abgebers (Inverkehrbringers). Er trägt hier ein hohes Maß an Eigenverantwortung.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Anwender des Wirtschaftsdüngers (der Landwirt) nach den Vorgaben der DüV verpflichtet ist, die vom Inverkehrbringer deklarierten Nährstoffgehalte einerseits für die Ermittlung der aufzubringenden Düngermengen und andererseits für die Erstellung seines betrieblichen Nährstoffvergleichs bzw. der Stoffstrombilanz zu verwenden.

2) Beim Aufbringen von im eigenen Betrieb erzeugtem Wirtschaftsdünger

Die Düngeverordnung (DüV) regelt, dass das Aufbringen von Wirtschaftsdüngern nur erfolgen darf, wenn dem Betriebsinhaber vor dem Aufbringen die Gehalte an Nges, NH4-N oder verfügbarem N und P2O5 bekannt sind. Diese Gehalte können wie folgt ermittelt werden:

  1. Auf der Grundlage von Daten der nach Landesrecht zuständigen Stelle (Standardwerte).
  2. Feststellung auf der Grundlage wissenschaftlich anerkannter Messmethoden vom Betriebsinhaber oder in dessen Auftrag.

Die Feststellung der Nährstoffgehalte nach b) ist aktuell mit NIRS rechtlich nicht möglich, da sie keine wissenschaftlich anerkannte Methode für die Analyse von Wirtschaftsdüngern ist.

Weitere Vorgehensweise auf Bundesebene

Auf Bundesebene hat sich eine Arbeitsgruppe mit Teilnehmern von der DLG, dem Verband der Landwirtschaftskammern (VLK) und dem Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA) gebildet. Diese hat zum Ziel, ein Verfahren zur regelmäßigen unabhängigen Prüfung von NIRS-Sensoren auf Ausbringgeräten für flüssige organische Dünger zu entwickeln. Damit sollen die Bedingungen definiert werden, die eingehalten werden müssen, damit die Sensoren auch im Düngerecht zur Dokumentation von Nährstoffgehalten eingesetzt werden können.

Fazit

Sensoren auf NIRS-Basis erlauben eine schnelle, berührungslose Vorhersage von Trockensubstanz, Gesamtstickstoff- und Ammoniumgehalt sowie eine Schätzung der Phosphor- und Kaliumgehalte in Güllen und Gärresten. Mit der nasschemischen Untersuchung in einem akkreditierten Labor werden jedoch die genaueren Werte ermittelt.

Da es sich bisher bei NIRS um keine wissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethode handelt, ist die Dokumentation der Wirtschaftsdüngeraufbringung auf Grundlage der damit ermittelten Nährstoffgehalte nicht möglich.

Beim Inverkehrbringen von Wirtschaftsdüngern ist der Einsatz von NIRS am Fass zur Ermittlung der Nährstoffgehalte ebenfalls nicht möglich, da die Warendeklaration einschließlich der festgestellten Nährstoffgehalte spätestens mit der Abgabe des Düngemittels erfolgen muss. Sollten die Nährstoffgehalte vor dem Inverkehrbringen bereits mit NIRS festgestellt worden sein (Sensortechnik vor der Befüllung des Fasses), müssen sich der Hersteller und der Anwender Geräte (ggf. Lohnunternehmen als Inverkehrbringer) der Verantwortung dafür bewusst sein, dass die Messtechnik reproduzierbare Werte ermittelt, um im Fall einer Kontrolle einem Vergleich mit amtlichen Verfahren standzuhalten. Es ist daher ein hohes Maß an Eigenverantwortung im bestimmungsgemäßen Betrieb und beispielsweise der Gerätewartung bei den Anwendern gefordert, um eine bestmögliche Funktion und Genauigkeit der Messtechnik zu gewährleisten. Ebenso müssen die Hersteller und Entwickler dafür Sorge tragen, dass die Techniken stetig weiterentwickelt werden und die Schätzgüte durch fortschreitende Kalibrierungsmaßnahmen weiter verbessert wird.

Beim Inverkehrbringen von flüssigen, gut homogenisierbaren Wirtschaftsdüngern, z. B. Gärresten, empfiehlt sich weiterhin in jedem Fall eine zeitgerechte und sachgemäße Probenahme sowie die Nährstoffuntersuchung nach wissenschaftlich anerkannten Untersuchungsverfahren (akkreditierte Düngemittellabore).