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Landessortenversuche 2019: Winterroggen

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Die Anbaufläche von Winterroggen hat gegenüber 2018 zugenommen. Das liegt zum einen an den vergleichsweise guten Erträgen, die 2018 trotz der Trockenheit erzielt werden konnten, zum anderen an den höheren Preisen, die im Herbst 2018 für Getreide gezahlt wurden. Die Tatsache, dass der Roggen seine Trockentoleranz 2019 erneut unter Beweis stellen musste und konnte, hat die Roggenanbauer in ihrer Entscheidung bestätigt. 

 

Winterroggen
WinterroggenWilli Thiel
Winterroggen kam mit den letztjährigen trockenen Bedingungen wie erwartet am besten zurecht. Insbesondere im direkten Vergleich mit den anderen Wintergetreidearten zeigte sich eindrucksvoll die höhere Trockentoleranz durch entsprechende bessere Erträge, insbesondere in den typischen Roggenanbauregionen. Diese klare und bekannte Tatsache sowie attraktive Erlöse im Herbst auf Grund des generellen Preisanstiegs bei Getreide, hervorgerufen durch hohe Futterpreise, führte zu einer deutlichen Flächenausdehnung. Laut Prognosen des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) vom 16.08.2019 stieg die Anbaufläche für das Erntejahr 2019 auf über 136.000 ha, was einem Anteil an der Ackerfläche von 7,2 % entspricht. Drastische Mindererträge, wie sie vereinzelt im vergangenen Jahr auch beim Roggen zu verzeichnen waren, blieben in diesem Jahr aus, sodass sich der Ertrag gegenüber 2018 um 10 dt/ha auf durchschnittlich 60 dt/ha erhöhte. Dank der zumeist beständigen Erntebedingungen konnte der Roggen nach Erreichen der Reife unproblematisch mit geringen Feuchtegehalten und hohen Fallzahlen geerntet werden.

Die durchweg hohen und sehr guten Erträge auf den Versuchsstandorten der Landessortenversuche (LSV) spiegeln die stärkeren trockenheitsbedingten Ertragsunterschiede in den einzelnen Regionen nur bedingt wider, da die Versuchsstandorte keinen stärkeren Trockenstressbedingungen ausgesetzt waren. Sie zeigen aber auch in diesem Jahr häufig die deutlichen Ertragsvorteile gegenüber dem auf gleicher Fläche angebauten Weizen, die Ertragsunterschiede von 20 dt/ha ausmachen können. Damit wird auch nach diesem Erntejahr die Akzeptanz des Roggenanbaus tendenziell zunehmen, auch wenn sich die Vermarktungsaussichten für Brotroggen nicht unbedingt verbessert haben. Insbesondere auf Grenzstandorten des Weizenanbaus und in den Beregnungsregionen Nordosthannovers könnte der Anbau ausgedehnt werden, wenn beispielsweise für einen gesicherten Braugerstenanbau nicht genügend Beregnungsmengen zur Verfügung stehen. Hier könnte der Roggen mit geringerem Dünge- und Pflanzenschutzaufwand noch wirtschaftlich sein.

Ergebnisse der Sorten

In den diesjährigen Prüfungen wurden mit Piano und KWS Trebiano zwei neu vom Bundessortenamt zugelassene Hybridsorten zusätzlich zu den mehrjährig geprüften Hybridsorten getestet. KWS Serafino steht als EU-Sorte nunmehr im zweiten Prüfjahr. Populationssorten wie z. B. Conduct wurden im LSV nicht mehr geprüft. Aus den in Niedersachsen stehenden Wertprüfungen werden regelmäßig die deutlichen Ertragsunterschiede zwischen Hybrid- und Populationssorten in jedem Jahr bestätigt. Von den beiden Züchterhäusern Hybro/Saaten-Union und KWS Getreide wurden insgesamt neun Sorten geprüft.

Die Landessortenversuche Winterroggen wurden wieder in den drei Anbauregionen Sandböden West und Nord, sowie auf den leichteren westlichen Lehmstandorten durchgeführt. Standortergebnisse aus NRW fließen für die westlichen Regionen mit ein. Da die Versuchsstandorte durch die Trockenheit nur mäßig, teilweise gar nicht beeinträchtigt wurden, waren alle angelegten Versuche auswertbar.

Die in den mehrjährigen Ergebnissen dargestellten Werte wurden auf Basis der 2019 geprüften Sorten berechnet, sie schließen auch die Versuchsergebnisse aus den Vor-, sprich den Wertprüfungen, mit ein.

Um als Brotroggen verkauft werden zu können, ist eine hohe Fallzahl als Qualitätskriterium ein wichtiger Aspekt. Die günstigen Erntebedingungen haben im zweiten Jahr in Folge zu keinerlei Beeinträchtigungen bei diesem Merkmal geführt. Gleichwohl sind die Sortenunterschiede auch bei hohen Werten insgesamt wieder erkennbar. Ebenso traten dank der trockenen Witterung während der Blüte keine Probleme mit einem erhöhten Mutterkornbesatz auf. Generell ist für den Verkauf der Ernteware entscheidend, dass kein oder nur ein sehr geringer Anteil an Mutterkorn (siehe Absatz Problematik Mutterkorn) vorhanden ist. Ergänzend zu den Ertragsleistungen, die im Folgenden für die Anbauregionen detailliert vorgestellt werden, sollten die Sorteneigenschaften in Bezug auf die Standfestigkeit und die Empfindlichkeit gegenüber Krankheitsbefall bei der Sortenwahl berücksichtigt werden. Der Braunrostbefall war in diesem Jahr wieder die bedeutendste Krankheit, die an mehreren Standorten differenziert sortenspezifisch bonitiert wurde. Hier zeigten sich einzelne Sorten etwas anfälliger als in den Vorjahren. Hinweise hierzu sind in der Tabelle der Sorteneigenschaften dargestellt.

Während 2017 die damals neu geprüfte Sorte KWS Binntto in allen Anbauregionen deutlich die besten Leistungen erreichte, liegen die Erträge der ertragsstärksten Sorten 2019, wie bereits 2018, enger beieinander. Die von den Züchtervertretern prognostizierten deutlichen Ertragssprünge fallen im Durchschnitt der mehrortigen Verrechnung dann doch etwas geringer aus.

Die Leistungen der Sorten in den drei Anbauregionen stellen sich wie folgt dar:

In der Anbauregion der Sandböden West erzielten 2019 KWS Eterno, KWS Serafino und Piano die besten Erträge. Die neue Sorte KWS Trebiano und SU Performer enttäuschten ertraglich. Dank der guten Vorjahresergebnisse erreichten mehrjährig KWS Serafino, KWS Eterno und KWS Binntto sowie SU Forsetti die besten Erträge und sind daher für den Anbau zu empfehlen. SU Performer, SU Cossani und KWS Daniello lagen knapp dahinter. Für den Probeanbau könnte Piano in Betracht kommen.

Auf den Sandböden Nordhannover konnte KWS Serafino das unterdurchschnittliche Vorjahresergebnis wettmachen und erzielte die höchsten Erträge. KWS Binntto, KWS Eterno und Piano erreichten ebenfalls gute Leistungen. Mit Ausnahme der neuen Sorte KWS Trebiano, die auch in dieser Anbauregion schwache Erträge erzielte, lagen die übrigen Prüfkandidaten auf vergleichbarem Niveau. Dank der in jedem Jahr überdurchschnittlicher Leistungen sind vor allem KWS Eterno und KWS Binntto für den Anbau zu empfehlen. KWS Serafino erreichte mehrjährig trotz deutlich schwankender Einzeljahresergebnisse einen überdurchschnittlichen Ertrag und wird daher auch empfohlen. SU Forsetti lieferte über die Jahre konstant durchschnittliche Leistungen und ist daher auch für den Anbau geeignet. Ertraglich auf gleichem Niveau, aber mit der höheren Anfälligkeit gegenüber Mutterkornbefall erhält SU Performer nur eine eingeschränkte Empfehlung. Sollten sich die guten Einjahresergebnisse bei Piano im kommenden Jahr bestätigen, so würde sie dann ebenfalls für den Anbau empfohlen werden.

Auf den Lehmböden erzielte die neue Sorte KWS Trebiano die höchsten Erträge, gefolgt von KWS Eterno, KWS Serafino und KWS Binntto. Sehr schwache Leistungen zeigte hier KWS Daniello, aber auch die in den anderen Regionen ertragsstarke neue Sorte Piano lieferte auf allen Einzelstandorten nur unterdurchschnittliche Ergebnisse ab. Empfohlen werden auch hier KWS Eterno, KWS Binntto und KWS Serafino, die in allen Jahren ertraglich überzeugen konnten. SU Forsetti wird ebenfalls aufgrund der insgesamt guten Ergebnisse empfohlen, während bei SU Performer wiederum die Einschränkung aufgrund der Schwäche gegenüber Mutterkorn gemacht wird.

Wie eingangs bereits erwähnt, lieferte die Populationssorte Conduct als Vergleichssorte auf den Wertprüfungsstandorten wiederum Mindererträge von ca. 15 bis 20 % und stellt stellvertretend für die Populationssorten aus ertraglicher Sicht keine Alternative zu Hybridsorten dar.

Qualitätsergebnisse

Die Hektolitergewichte erreichten 2019 mit durchschnittlich 76,2 kg gute Werte. Es zeigten sich jedoch trockenheitsbedingt stärkere Unterschiede zwischen den Standorten, es war eine Schwankungsbreite von 71 bis 81 kg zu verzeichnen. Die besten Werte erreichten SU Forsetti und SU Performer und bestätigen die hohen Werte der Vorjahre. KWS Binntto erzielte hier die schwächsten Gewichte, die sich mit knapp 75 kg aber auch noch auf einem recht hohen Niveau befinden.

Die Fallzahl, als Schnellbestimmungskriterium für die Backqualität, war dank der zeitigen und nicht durch Niederschläge unterbrochenen Ernte mit Durchschnittswerten von über 330 sek. sehr hoch.

Mit Werten oberhalb von 350 sec. erreichten KWS Serafino und Piano die höchsten Fallzahlen und bestätigen damit die Einstufung des Bundessortenamtes (BSA). Das gleiche gilt für SU Forsetti, nur das in diesem Fall die schwache BSA-Einstufung mit einer Fallzahl von lediglich 292 sec. bestätigt wird. Für die tatsächliche Beschreibung des Backverhaltens von Roggen ist allerdings der so genannte Amylogrammwert, der in keiner direkten Beziehung zur Fallzahl steht, von wesentlich größerer Bedeutung; bisher gibt es zur Ermittlung dieses Parameters jedoch noch keine geeignete Schnellbestimmungs­methode.

Fungizid- und Wachstumsreglereinsätze 2019

Der intensive Einsatz von Wachstumsreglern war an einzelnen Standorten durchaus sinnvoll, weil sich dort dann auch die unterschiedliche Standfestigkeit der Sorten bonitieren ließ. Auf den ertragsschwächeren Standorten hingegen wäre ein Einsatz nicht in jedem Fall erforderlich gewesen. Zum Zeitpunkt des Einsatzes war jedoch die nachfolgende Trockenperiode noch nicht absehbar. Stärkere Auswirkungen von ca. 20 % Mindererträgen durch den Verzicht auf Fungizide waren vor allem durch den Befall durch Braunrost erkennbar. Die Auswirkungen auf den Wachstumsregler- und Fungizidverzicht waren zwischen den Regionen und auch innerhalb der Standorte unterschiedlich.

Problematik Mutterkorn

Der Besatz mit Mutterkorn spielte in diesem Jahr nicht die große Rolle, wie es 2016 regional der Fall war. Dennoch wird das Thema Mutterkornbesatz vom Erfassungshandel und den Mühlen sehr sensibel betrachtet und sollte bei der Sortenwahl entsprechend berücksichtigt werden.

Ein Befall mit diesem Pilz ist wegen der im Mutterkorn enthaltenen Alkaloide und deren Toxizität für Mensch und Tier von Bedeutung für Nahrungs- und Futtergetreide. Roggen ist aufgrund seines offenen Abblühverhaltens besonders gefährdet, doch auch andere Getreidearten wie Weizen, Triticale u. a. können betroffen sein.

Im Handel herrschen strenge Grenzwerte für den Besatz mit Mutterkorn. Diese liegen bei Getreide, das für die menschliche Ernährung Verwendung findet bei 0,05 % Gewichtsprozent, für Futtergetreide bei 0,1 % Gewichtsprozent.

Neben produktionstechnischen Möglichkeiten zur Vermeidung des Auftretens von Mutterkorn spielt die Sortenwahl eine entscheidende Rolle. Die mit „SU“ gekennzeichneten Sorten aus dem Hause Hybro/Saaten-Union werden mit einer 10 %igen Zumischung von Populationssorten, die über ein höheres Pollenschüttungsvermögen verfügen, vermarktet. Hierdurch wird die Gefahr des Mutterkornbesatzes gemindert. Sehr hoch anfällige Sorten werden von diesem Züchterhaus mittlerweile nicht mehr weiterverfolgt. Zahlreiche Sorten aus dem Hause KWS Getreide hingegen sind laut Einstufung des Bundessortenamtes günstiger gegenüber Mutterkornbeatz eingestuft und benötigen diese Beimischung nicht. Mit KWS Trebiano ist eine neue Sorte in die Prüfungen aufgenommen worden, die mit der derzeit für dieses Merkmal besten Boniturnorte 3 eingestuft wurde. Auch KWS Serafino wurde gegenüber Mutterkornbefall gleichwertig bewertet, wobei die Sorte ertraglich bislang bessere Ergebnisse liefert. Dies belegen die aktuellen Versuchsergebnisse sowie die BSA-Ertragseinstufung.

Sortenbeschreibung und -empfehlungen

 KWS Binntto überzeugt mehrjährig mit überdurchschnittlichen Ertragsleistungen und bestätigt daher die letztjährigen Anbauempfehlungen für alle Anbauregionen. Gleichzeitig ist sie standfest, weist hohe Fallzahlen auf und zeigt auch gegenüber Krankheiten mit Ausnahme beim Mehltau keine gravierenden Schwächen. Wie andere Sorten auch, ist sie gegenüber Braunrost etwas empfindlicher geworden. Die Sorte wird laut Züchterangaben leider künftig nicht weiter verfolgt. Für die kommende Aussaat ist sicherlich ausreichend Saatgut vorhanden.

Auch KWS Eterno zählt in allen Regionen zu den ertragsstärksten Sorten und wird von daher ebenso generell empfohlen. Zu beachten ist die schwächere Einstufung gegenüber Mehltau und auch die Lagerneigung sollte nicht außer Acht gelassen werden.

KWS Serafino zählt nach dem zweiten LSV-Jahr zu den ertragsstärksten Sorten. Sie zeichnet sich darüber hinaus durch eine gute Blattgesundheit und eine sehr geringe Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn aus. Eine nur mittlere Standfestigkeit sollte beim Wachstumsreglereinsatz berücksichtigt werden.

SU Forsetti erreichte in allen drei Anbauregionen durchschnittliche Erträge und weist dabei eine recht gute Ertragskonstanz aus. Sie ist daher neben den vorgenannten KWS Sorten für alle Anbauregionen empfohlen.

Mit vergleichsweise gleichhohen Erträgen kann auch die blattgesunde Sorte SU Performer punkten. Eine eingeschränkte Empfehlung erhält sie für die Sandstandorte Nord und die Lehmstandorte, wenn man die Schwächen gegenüber Mutterkornbefall berücksichtigt und sie für entsprechende problemlose Standorte vorsieht. Die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn muss insbesondere für die Brotroggenproduktion beachtet werden. Von daher kann sie nur eingeschränkt empfohlen werden.

Die Sorten SU Cossani und KWS Daniello schnitten ertraglich etwas schwächer ab und werden daher nicht direkt empfohlen. Gleichwohl muss man festhalten, dass die Ertragsunterschiede zwischen den Prüfsorten insgesamt relativ gering ausfallen. SU Cossani weist eine gute Standfestigkeit auf, während KWS Daniello als blattgesund eingestuft wurde.

Piano wird für die Sandstandorte West für den Probeanbau dank überdurchschnittlicher Erträge empfohlen. Darüber hinaus erweist sie sich als standfeste und blattgesunde Sorte mit sehr guten Fallzahlen.

KWS Trebiano konnte lediglich auf den Lehmstandorten ertraglich überzeugen. Bei künftig noch besseren Ertragsleistungen wäre die Sorte für den Anbau sicherlich interessant, insbesondere wegen der sehr guten Einstufung gegenüber Mutterkornbefall. Darüber hinaus sind die Standfestigkeit, Blattgesundheit und gute Fallzahleinstufung hervorzuheben. In Regionen mit der Gefahr einer erhöhten Mutterkornproblematik wäre sie sicherlich eine Alternative zu den übrigen empfohlenen Sorten.

Von Züchterseite wird derzeit die Sorte KWS Tayo beworben, die 2019 im dritten Wertprüfungsjahr getestet wird und daher noch nicht im LSV geprüft werden kann. Erste offizielle LSV-Ergebnisse kann es daher erst im kommenden Jahr geben.

Zusammenfassung

Die Anbaubedeutung von Roggen wird insbesondere auf den leichteren, trockenheitsbeeinflussten Sandstandorten eher zu- statt abnehmen. Der direkte Ertragsvergleich auf gleichen Standorten bescheinigt ihm die höhere Leistungsfähigkeit gegenüber Triticale und vor allem Weizen. Da die Wasserdefizite auch zunehmend auf den höher bonitierten Standorten spürbar wurden, nehmen auch hier die Überlegungen zu einem Einstieg in den Roggenanbau zu. Bei einem relativ eng begrenzten Markt wird eine deutliche Anbauausdehnung sicherlich die Marktpreise beeinflussen. Es zeigt sich bereits in diesem Jahr, dass aktuell nach der Ernte die Erzeugerpreise für Brotroggen unter den Futtergerstenpreisen liegen. Um den Anbau wirtschaftlich zu gestalten, muss der sichere Anbau als Brotroggen im Vordergrund stehen. Dazu ist es erforderlich, Sorten mit guten Fallzahlen und geringer Anfälligkeit gegenüber Mutterkornbesatz anzubauen. Merkmale wie Lager- und Krankheitsanfälligkeit sind zusätzliche wichtige Kriterien bei der Sortenentscheidung.