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Beschäftigungsmaterial und Raufutter für Schweine

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Rechtliche Vorgaben zum Einsatz von Beschäftigungsmaterial für Schweine sind nichts Neues. In der Praxis sind aber noch viele Fragen offen, wenn es um organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial und um Raufutter geht. Oft herrscht regelrechte Verwirrung hinsichtlich der Abgrenzung und Anforderungen. Die Pflicht zur Verwendung von Beschäftigungsmaterial betrifft alle Schweinebetriebe, der verpflichtende Einsatz von Raufutter nur die ITW-Betriebe. Einige, aber nicht alle Beschäftigungsmaterialien können auch Raufutter sein.

1. Beschäftigungsmaterial

Laut §26 Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung muss allen Schweinen gesundheitlich unbedenkliches Beschäftigungsmaterial angeboten werden, das ab 1.8.2021 zusätzlich organisch und faserreich sein muss. Der Tierschutzdienst des Laves Niedersachsen bietet eine tierschutzrechtliche und -fachliche Einschätzung verschiedener Beschäftigungs-materialien an.  Diese Bewertung bezieht sich auf die nationalen Mindestanforderungen, sie bezieht jedoch die unten genannte Empfehlung (EU) zur Auslegung nationaler Rechtsbegriffe mit ein. Dort heißt es:

Beschäftigungsmaterialien müssen „bewegbar“, „untersuchbar“, und „veränderbar“ sein und "dem Erkundungsverhalten dienen".

Untersuchbar: Das Schwein kann darin wühlen. Diese Anforderung gilt als erfüllt, wenn das Beschäftigungsmaterial die natürliche Verhaltensweise des Wühlens fördert (bodennahes Angebot, Schweine können das Material bewühlen oder zumindest „hebeln“).

Bewegbar: Das Schwein kann den Standort/die Position des Materials verändern.

Veränderbar: Das Schwein kann Aussehen und Struktur des Materials verändern. Das Beschäftigungsmaterial kann einfach vom Schwein ins Maul genommen werden und ist leicht zerkaubar.

Tabelle 1: Beurteilung von Beschäftigungsmaterialien (Laves Niedersachsen, 2021, https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/tiere/tierschutz/tierhaltung/beschaeftigungsmaterial-fuer-schweine-125541.html)

 

untersuchbar

beweg-bar

veränderbar

Erkundungs-verhalten

orga-

nisch

faserreich

Bemerkungen

Stroh

Heu

Luzerneheu

Maissilage

 

ja,

wenn das Wühlverhalten gefördert wird beispielsweise durch Darreichung auf planbefestigtem Boden, in Automaten mit Auffangschalen oder durch Gummimatten und Raufen

ja

ja

ja

ja

ja

erfüllen auch die Eigenschaft „essbar“

sehr attraktive Materialien, die nahezu alle mit der Nahrungssuche in Zusammenhang stehende Bedürfnisse der Schweine befriedigen

Torf

Hobelspäne

ja,

wenn das Wühlverhalten gefördert wird beispielsweise durch Darreichung auf planbefestigtem Boden

ja

ja,

wenn Struktur, angebotene Menge und Darreichungs-form gewähr-leisten, dass die Schweine größere Mengen ins Maul auf-nehmen und zerkauen/ zerstören können

ja,

wenn untersuchbar, bewegbar und veränderbar erfüllt

ja

ja

Torf erfüllt auch die Eigenschaft „essbar“.

Insbesondere bei der Verwendung von Torf ist auf die Keimbelastung (Mykobakterien) zu achten.

Papier-schnitzel

ja,

wenn das Wühlverhalten gefördert wird beispielsweise durch Darreichung auf   planbefestigtem Boden

ja

ja,

wenn Struktur, angebotene Menge und Darreichungs-form gewähr-leisten, dass die Schweine größere Mengen ins Maul auf-nehmen und zerkauen/ zerstören können

ja,

wenn untersuchbar, bewegbar und veränderbar erfüllt

ja

ja

Das verwendete Papier muss frei von gesundheitsschädlichen Stoffen, Rückständen etc. sein (unbedruckt, unbeschichtet usw.)

Baumwollseile

Jutesäcke

ja,

wenn diese teilweise auf dem Boden hängen, damit das Wühlverhalten gefördert wird

ja

ja

ja,

wenn untersuchbar, bewegbar und veränderbar erfüllt

ja

ja

 

Stroh-presslinge

ja,

wenn das Wühlverhalten durch bodennahes Angebot gefördert wird

ja

ja

ja,

wenn untersuchbar, bewegbar und veränderbar erfüllt

ja

ja

erfüllen auch die Eigenschaft „essbar“

 

Pellets oder Cobs aus Stroh, Heu, Luzerne

ja,

wenn das Wühlverhalten gefördert wird beispielsweise durch Darreichung auf planbefestigtem Boden, in Automaten mit Auffangschalen

ja

ja,

wenn die Größe und angebotene Menge der Pellets sowie die Dar-reichungsform gewährleisten, dass die Schweine größere Mengen ins Maul auf-nehmen und zerkauen/ zerstören können

ja

ja

ja,

wenn Rohfaser-gehalt vergleichbar mit Raufutter oder Stroh (mindestens 20% in der Trocken-substanz)

erfüllen auch die Eigenschaft „essbar“

 

Holz

ja,

wenn das Wühlverhalten durch bodennahes Angebot gefördert wird und das Holz leicht (innerhalb weniger Tage) zerkaubar ist (beispielsweise Hobelspäne oder frische Zweige/Äste auf dem Boden)

ja

ja,

wenn grünes Weichholz oder Zweige/Äste verwendet werden

ja,

wenn untersuchbar, bewegbar und veränderbar erfüllt

ja

ja

Es sollte unbehandeltes grünes Weichholz (beispielsweise frisches Pappelholz) verwendet werden, da getrocknetes Holz härter ist und eventuell splittert

Metallketten

Futterketten

Kunststoff-

objekte

ja,

abhängig von Darreichungsform (Bodenkontakt)

ja

nein

nein

nein

nein

Diese Materialien erfüllen als alleinige Beschäftigungs-materialien auf keinen Fall die rechtlichen Mindestanforderungen.

In der „Empfehlung (EU) 2016/336 zur Anwendung der Richtlinie 2008/120/EG über Mindestanforderungen für den Schutz von Schweinen im Hinblick auf die Verringerung der Notwendigkeit, den Schwanz zu kupieren“ sind Anforderungen an das Beschäftigungsmaterial wie folgt beschrieben:

„Mit dem Beschäftigungsmaterial sollten die Schweine ihre Grundbedürfnisse befriedigen können, ohne dass ihre Gesundheit Schaden nimmt. Zu diesem Zweck sollte das Beschäftigungsmaterial sicher sowie folgendermaßen beschaffen sein:

a) essbar — damit die Schweine es fressen oder daran schnüffeln können, vorzugsweise mit ernährungsphysiologischem Nutzen,

b) kaubar — damit die Schweine darauf herumbeißen können,

c) untersuchbar — damit die Schweine es untersuchen können,

d) beweg- und bearbeitbar — damit die Schweine Standort, Aussehen oder Struktur des Materials verändern können.

Zusätzlich sollte das angebotene Beschäftigungsmaterial folgende Beschaffenheit aufweisen: a) es sollte nachhaltig Interesse erwecken, d. h., es sollte das Erkundungsverhalten der Schweine fördern und regelmäßig ersetzt und aufgefüllt werden,

b) es sollte so angebracht sein, dass es mit dem Maul bewegt und bearbeitet werden kann,

c) es sollte in ausreichender Menge bereitgestellt werden,

d) es sollte sauber und hygienisch sein.“

Nach der Forderung, dass das Beschäftigungsmaterial sicher sein soll, folgt in der EU-Empfehlung als nächstes die Anforderung „essbar“, wobei besonderer Wert auf den ernährungsphysiologischen Nutzen gelegt wird. Nicht alle Beschäftigungsmaterialien erfüllen diese für das Schwein so wichtige Eigenschaft. Es bleibt abzuwarten, in welchem Umfang nicht essbare Beschäftigungsmaterialien zukünftig weiter eingesetzt werden.

Da die Verwendung als Beschäftigungsmaterial nicht unter das Futtermittelrecht fällt, ist laut Laves keine futtermittelrechtliche Kennzeichnung erforderlich.

Hygienische Beschaffenheit von Beschäftigungsmaterial

Wie ist es um die hygienische Beschaffenheit bestellt? Da diese bisher eher selten untersucht wurde, ist hier keine zufriedenstellende Antwort möglich. Für Beschäftigungsmaterial bestehen keine rechtlichen Höchstgehalte bezüglich der hygienischen Beschaffenheit. Ein Gutachten der EFSA (2014) weist aber darauf hin, dass Beschäftigungsmaterialien auch negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit haben und eventuell ein hygienisches Risiko darstellen können.

In einem Projekt der Tierärztlichen Hochschule und der LWK Niedersachsen (2016) wurde der hygienische Status organischer Beschäftigungsmaterialien (Holzerzeugnisse, Stroh, Heu, Maiscobs, Wühlerde u.a.) auf Gesamtkeimzahl, coliforme Keime, E. coli, Klebsiellen, Yersinien, Salmonellen, Pilze, Methicillin-resistene Staphylococcus aureus (MRSA) und Mykobakterien untersucht. E. coli, Klebsiellen, Salmonellen und MRSA konnten in keiner der Proben nachgewiesen werden. Insgesamt zeigte die Studie deutliche Unterschiede im Hygienestatus der Materialien auf. Zur genaueren Beurteilung der Vorbelastungen verschiedener Beschäftigungsmaterialien sind wiederholte Untersuchungen notwendig.

QS-Anforderungen

Im QS-Leitfaden Landwirtschaft (Schweinehaltung) sind in Bezug auf Qualität von Beschäftigungsmaterial und Einstreu folgende Anforderungen aufgeführt:

3.2.14 [K.O.] Beschäftigungsmaterial

In einstreulosen Ställen muss jedes Schwein jeden Alters jederzeit Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem Beschäftigungsmaterial haben, welches das Schwein untersuchen und bewegen kann und das vom Schwein veränderbar ist und damit dem Erkundungsverhalten dient (z. B. Holz oder Hartgummi an einer Kette, Stroh, Raufutter). Es dürfen keine Gegenstände eingesetzt werden, die offensichtlich das Risiko einer Schadstoffbelastung bergen, außerdem keine Gegenstände, die das Risiko einer Verletzung der Tiere mit Splitterrückständen in der Zunge bergen, z. B. Kanister, Drahtseile, Autoreifen, Schläuche mit Metallverstärkungen oder scharfkantige Kunststoffteile.

3.6.3 Umgang mit Einstreu, Dung und Futterresten

Verwendung von Einstreu und organischem Beschäftigungsmaterial

Einstreu und organisches Beschäftigungsmaterial (z. B. Getreidestroh, Rindenmulch, Kompost, Torf, Silage) müssen tiergerecht, hygienisch und sauber sein. Es dürfen nur Einstreu bzw. Beschäftigungsmaterialien verwendet werden, die augenscheinlich frei von Pilzbefall sind. Einstreu- und Beschäftigungsmaterialien sind sorgfältig zu lagern. Zur Lagerung sind auch Feldmieten geeignet. Verunreinigungen sind zu vermeiden. Die Lagerplätze müssen fortlaufend vor Schädlingen geschützt werden. Einstreu muss vor dem Zugang von Wildschweinen geschützt werden.

2. Raufutter

Raufutter ist im Gegensatz zu Grobfutter nicht definiert. Allerdings steht in der VO (EU) 767/2009 über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln, wie Grünfutter und Raufutter zu deklarieren sind: Rohfaser, Rohprotein > 10 %.

Es gibt Ausnahmen, wenn der Käufer schriftlich auf die Deklaration verzichtet. Allerdings kann auch nach dem EU-Katalog der Einzelfuttermittel deklariert werden, wenn das Futtermittel der Beschreibung und Bezeichnung im Katalog entspricht. Hiernach muss beispielsweise für Gerstenstroh nichts angegeben werden.

Welche Analysen fordert QS z.B. für das Futtermittel Stroh? Der QS-Leitfaden Futtermittelmonitoring beinhaltet in den Kontrollplänen Einzelfuttermittelhersteller u.a die Kontrollpläne für getrocknete Produkte. Diese gelten für Trocknungsbetriebe, die eine direkte Trocknung der Produkte vornehmen. Stroh für Futterzwecke ist hier gelistet. Für alle Produkte aus Trocknungsbetrieben sind Analysen auf Dioxin, dioxinähnliche und nicht-dioxinähnliche PCB sowie PAK vorgeschrieben, für Futterstroh zusätzlich DON, ZEA, Salmonellen, Arsen, Blei, Cadmium, Quecksilber und Pflanzenschutzmittelrückstände. Die Zahl der Analysen hängt vom Produktionsumfang ab.

Für die mikrobiologische Qualitätsbeurteilung von Futtermitteln hat der VDLUFA Orientierungswerte veröffentlicht.

ITW (Initiative Tierwohl)

ITW führt in ihrem Kriterienkatalog Schweinemast, Programm 2021-2023, auf, dass die Tiere Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem Raufutter haben müssen. Bei Raufutter handelt es sich um rohfaserreiche, strukturreiche Futtermittel. Es muss fressbar, kaubar, untersuchbar sowie beweg- und bearbeitbar sein.  Die nicht abgeschlossene Liste in den Erläuterungen zur ITW Schweinemast enthält folgende Futtermittel:

Stroh und Heu in Lang-, Kurz- oder Pelletform

Silagen (Maissilage, Grassilage, Lieschkolbensilage)

Trockenschnitzel

Luzerne, Luzernepellets

Erbsen-, Sonnenblumen-, Sojaschalen

Trester, Treber

Getreidekleien (auch Getreideschälkleien)

Getreidespelzen

Grünmehle, Grünmehlpellets

Strohpressformen, Stroh/Melasse-Pressformen

Miscanthus

Torf (Einzelfuttermittel)

Beschäftigungs(rau)futter (mit Rohfasergehalt ab 20 %)

Nicht anerkannt:

CCM, Extraktionsschrote, Getreide, Getreideschrote, Grießkleien, Körnermais, Holz, Hanfseile, Jutesäcke, Naturkautschuk (z.B. Beißrolle), Melasseblöcke oder Mineral-Lecksteine

Wünschenswert wären identische Anforderungen an den Rohfasergehalt von Raufutter und Beschäftigungsmaterial. ITW fordert 20 %, in der Laves-Liste werden die 20 % Rohfaser auf die Trockensubstanz bezogen. Zu klären ist, ob Miscanthus ein Einzelfutter ist, denn in der QS-Liste der Einzelfutter ist dieses Produkt nicht aufgeführt.

ITW schreibt keine Mengen vor. Es muss aber eine Menge aufgenommen werden können, die im Magen-Darm-Trakt diätetisch wirken kann. Sowohl für Ferkel als auch für Sauen und Mastschweine wird ein Orientierungswert von etwa 50 g/Tag angegeben. Das Raufutter muss mehr als 12 Stunden pro Tag verfügbar sein. Es muss zusätzlich und separat zum Beschäftigungsmaterial angeboten werden. Betriebe mit Strohhaltung müssen kein Raufutter anbieten, sofern die Einstreu Futterqualität hat.

Das in Kürze erscheinende DLG-Merkblatt „Fütterung und Tierwohl beim Schwein“ enthält wertvolle Informationen zu diesem Themenkomplex.

Insgesamt wären eindeutige Vorgaben und exakte Begriffsdefinitionen sowohl für die Landwirte als auch für die Inverkehrbringer von Beschäftigungsmaterial und Raufutter sehr hilfreich.