Verpackungsarmer Hofladen – eine Chance für Direktvermarkter?
Rund 400 Millionen Tonnen Plastik werden weltweit produziert, davon entfällt etwa ein Drittel auf Verpackungen. Das Umdenken der Verbraucher in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz stellt auch Direktvermarkter zunehmend vor Herausforderungen. Neben dem Trend, Verpackung insgesamt einzusparen oder auf vermeintlich umweltschonendere Alternativen umzusteigen, setzen einige Unternehmer auf sogenannte „Unverpackt-Läden“ oder „Unverpackt-Ecken“.
Deutschlandweit sind davon in den letzten Jahren schon über 150 Läden entstanden und auch der eine oder andere direktvermarktende Betrieb hat sich auf „unverpackt“ eingestellt – denn wo, wenn nicht auf landwirtschaftlichen Betrieben können Lebensmittel ohne Verpackung angeboten werden?
Einmachgläser, Jutebeutel und Co.
Lose Waren können vom Kunden in ein mitgebrachtes Gefäß abgefüllt werden und so nach Hause transportiert werden. Produkte, die nicht ohne weiteres abgefüllt werden können, gibt es in Pfandflaschen, Papierpackungen oder im Karton. Ziel ist es, Verpackungsmüll zu reduzieren und dem Kunden exakt die Menge an Lebensmittel anzubieten, die er wirklich braucht.
Besonders geeignet für einen Einkauf im Unverpackt-Laden sind z.B. Einmachgläser mit Twist-Off-Verschluss oder mit Bügeldeckel, Brotdosen, Stoffsäcke oder Blechdosen. Wichtig ist, dass das Behältnis für Lebensmittel geeignet, sauber und für die gewünschte Menge ausreichend groß ist. Um in einem verpackungsarmen Laden einzukaufen benötigt der Kunde ein wenig Vorbereitung, spontane Einkäufe sind möglich aber mit zusätzlichem Aufwand bzw. Kosten verbunden. Bevor der Kunde das gewünschte Lebensmittel abfüllt wird das Behältnis gewogen und das Leergewicht notiert. Dann hält der Kunde sein Gefäß unter den Spender und dreht oder schüttet das gewünschte Lebensmittel in das dafür vorgesehene Behältnis. Beim Bezahlvorgang wird das Behältnis gewogen und das Leergewicht abgezogen.
Ein Hoch auf Grundnahrungsmittel
Für den losen Verkauf eignen sich besonders trockene Lebensmittel des täglichen Bedarfs. Vor allem Reis, Nudeln, Nüsse und Getreide zählen zu beliebten Produkten, aber auch Puddingpulver, Kaffee und Gewürze lassen sich in sogenannten Bulk-Bins, Glasgefäße oder Schüttbehälter einfüllen und lose an den Kunden abgeben. Vor allem Obst und Gemüse kommt bequem ohne Verpackung aus. Milch- und Milchprodukten gelten in der Branche als lukrativ, sind aber schwieriger in der Handhabung. Hier haben sich zwei Alternativen durchgesetzt, entweder die Produkte werden in Glasflaschen mit einem Pfandsystem angeboten oder durch eine Bedienung abgefüllt um eine Kontamination durch den Kunden zu vermeiden. Auch Kosmetik- und Reinigungsprodukte lassen sich fast verpackungsfrei verkaufen. In der Kosmetik gibt es viele Hersteller, die trockene Produkte wie z.B. festes Shampoo anbieten. Gleiches gilt für flüssige Produkte wie Reinigungsmittel, Essige und Öle, die in ein eigenes Gefäß abgezapft werden können.
Hygiene ist das A und O
Der Einkauf in einem Unverpacktladen sollte vor allem eins: Spaß machen – dazu gehört eine ansprechende Warenpräsentation, die auf die Kundenzielgruppe zugeschnitten ist. Außerdem gilt es geltende Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, der Lebensmittelhygieneverordnung, der Kennzeichnungsverordnung und ggf. der EU-Ökoverordnung zu beachten. Wichtig ist, bei den Behältern darauf zu achten, dass sie möglichst zugriffsarm sind, sodass der Kunde das gewünschte Produkte zwar herausnehmen kann, aber nichts hineingelangen kann. Der Lebensmittelunternehmen muss außerdem sicherstellen, dass ein guter Hygienestandard eingehalten wird. Dazu muss er Kontrollpunkte festlegen, die er regelmäßig kontrolliert. Ein solcher Kontrollpunkt könnte zum Beispiel das Reinigen und Wiederbefüllen von einem Bulk-Bin sein. Nach jeder Charge, die in dem Behälter verkauft wird, muss dieser komplett zerlegt, gereinigt und wieder befüllt werden. Ein weiterer kritischer Punkt kann auch das mitgebrachte Gefäß vom Kunden darstellen, hier muss ein klares Konzept her, nachdem die MitarbeiterInnen verfahren müssen. Besonders kritisch sind Dosen, in die Wurst, Käse und andere frische Produkte gefüllt werden und hinter die Theke gelangen. Hier hat es sich bewährt ein Tablett zu benutzen, auf das die Dose gestellt wird, so kann gewährleistet werden, dass die mitgebrachte Dose den sauberen Bereich hinter der Theke nicht verschmutzt.
Neben der Hygiene ist die Produktkennzeichnung der Lebensmittel zu beachten. Es ist vorgeschrieben, dass die genaue Bezeichnung des Lebensmittels angegeben ist, sowie die Zutaten, die Allergene und der Grundpreis. Oft sind das zu viele Informationen für das kleine Etikett, dass an dem Bulk-Bin angebracht werden kann. Eine Möglichkeit kann es dann sein, einen Ordner mit Allergenen oder Zutaten für die Kunden bereitzulegen. Ein Unverpackt-Konzept kommt allerdings nicht ohne gut geschultes Personal aus. Es ist ratsam vor dem Verzicht auf Verpackungen eine umfangreiche Beratung durch das Gesundheitsamt wahrzunehmen.
Alles nur Augenwischerei?
Natürlich kommen alle Lebensmittel, die unverpackt an den Kunden abgegeben werden sollen auch beim Direktvermarkter in einer Verpackung an. Ziel ist es jedoch die Verpackungen insgesamt zu reduzieren. Aus diesem Grund hat sich der Verband Unverpackt e.V. gegründet um das Beziehen möglichst unverpackter Waren zu vereinfachen. Fast alle Produkte können in deutlich größeren Gebinden gekauft werden, als es für einen Privathaushalt üblich ist. So kommen Nudeln, Reis und andere Trockenwaren beispielsweise in 5 – 25 kg Säcken, diese Säcke sind teilweise aus Plastik aber ohne weitere Umverpackung. Einige Produkte lassen sich nur in Plastikverpackungen beziehen, da die Produktqualität zu sehr unter einem anderen Verpackungsmaterial leiden würde. Dennoch werden fast 70 % des üblichen Sortiments in Papierverpackungen geliefert. Auch wenn Papier durch den hohen Ressourceneinsatz nicht automatisch die bessere Alternative zu Plastik darstellt, so ist es bei der Entsorgung sehr wohl die bessere Alternative. Die Behältnisse von flüssigen Waren wie Öle, Essige oder Reiniger sind in der Regel Einwegverpackungen, da eine Reinigung oftmals zu aufwendig oder aus ressourcenschonender Sicht keinen Sinn machen würde. Eine Zusammenarbeit mit regionalen Lieferanten kann ihr Angebot positiv bereichern und die Lieferwege kurzhalten.
Mit kleinen Dingen starten
Natürlich kann man den ganzen Hofladen umkrempeln und weitestgehend auf Verpackung verzichten, dennoch sollte das Konzept gut geplant werden und zur vorhandenen Zielgruppe passen. Sie sollten sich die Frage stellen, in wieweit ihr Kundenklientel bereit ist, ihren Einkauf im Vorfeld zu planen, eigene Behältnisse mitzubringen und den deutlich schwereren Einkauf nach Hause zu transportieren. Vielleicht ist es auch möglich kleine Sortimentsbereiche ohne Verpackung anzubieten. Produkte wie Obst und Gemüse sind naheliegend aber auch Nüsse oder flüssige Produkte können eine Option darstellen. Außerdem können monetäre Anreizsystem angeboten werden, indem der Kunden belohnt wird, wenn er freiwillig auf Serviceverpackungen wie z.B. die Plastiktüte verzichtet. Auch wiederverwendbare Stoff- oder Kunststofftaschen mit ihrem Logo können das Kaufverhalten ihrer Kundschaft positiv beeinflussen.
Mit einem Angebot an unverpackten Lebensmittel können direktvermarktende Betriebe unter Umständen ihren Kundenkreis erweitern. Die wenigsten Kunden werden ihren kompletten Einkauf verpackungslos vollziehen, dennoch findet ein Umdenken in der Bevölkerung statt, auf das Betriebe mit ihrem Angebot an Lebensmitteln eingehen können. Die Lebensmittel sollten vor allem Lebensqualität und Umweltbewusstsein wiederspiegeln.
Kontakte
Christine Gehle
Ausbildungsberaterin Beruf Hauswirtschafter/-in, Beraterin Direktvermarktung, Frauen in der Landwirtschaft
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