Digitale Managementsysteme im Gemüsebau - Die Menschen mitnehmen
Digitale Managementsysteme für die Arbeitserleichterung im Büro und auf dem Feld sind weniger berühmt als selbstfahrende Roboter und autonome Drohnen. Doch der Markt für solche IT-Lösungen entwickelt sich momentan rasant. Warum sich Gärtner damit beschäftigen und worauf sie achten sollen, lesen Sie im Beitrag.
Zurzeit sprechen Fachpresse, Verbände und Politik sehr viel von Digitalisierung der Landwirtschaft und des Gartenbaus. In den meisten Fällen geht es dabei um Industrie 4.0 – Anwendungen in der Produktion. Hierbei steht die Vernetzung von Computern und Prozessen, autonom fahrende und arbeitende Maschinen und die Verbindung zwischen der digitalen und der analogen Welt im Vordergrund. Im Ackerbau sind wir hier in Teilen schon ziemlich weit, zum Beispiel kann der Computer auf dem Schlepper satellitengestützte Nährstoffkarten mit GPS-Daten abgleichen und mit dieser Information den Düngerstreuer regulieren.
Durch diese teilflächenspezifische Düngung kann viel Dünger eingespart werden. Im Gemüsebau haben wir noch viel Handarbeit in den Produktionsprozessen, weil viele Kulturen und Arbeitsschritte sich derzeit kaum mechanisieren lassen. Es gibt viele spannende und vielversprechende Ansätze, diesen Arbeitseinsatz auf lange Sicht durch Robotik und künstliche Intelligenz (KI) zu reduzieren. Die konkrete Umsetzung in die Praxis wird allerdings noch auf sich warten lassen, da die Maschinen zurzeit noch zu langsam sind und sich auch betriebswirtschaftlich noch nicht rechnen.
Auch haben wir vielfach einen grundsätzlichen Nachholbedarf auf den Betrieben mit Blick auf die Hardware: Wenn ich keine leistungsfähigen Computer auf dem Schlepper und im Büro habe, kann ich auch nichts vernetzen. Dazu kommen häufig sehr geringe Netzabdeckungen im ländlichen Raum, die den Transfer großer Datenmengen für KI-Anwendungen unmöglich macht.
Einsatzgebiete von digitalen Managementsystemen
Deutlich weniger kostspielig und zeitnaher umsetzbar ist das Einführen von digitalen Managementsystemen im Betrieb. Es gibt bereits jetzt viele Prozesse auf Managementebene, bei denen eine Vernetzung sehr sinnvoll ist.
Gut designte Software kann den Betriebsleiter*innen bei der Organisation ihrer Betriebe helfen und substantiell Arbeitszeit und Betriebsmittel einsparen. Einige Beispiele demonstrieren, was alles heute schon möglich ist:
- automatische Arbeitszeiterfassungen und Kostenkalkulationen,
- digitale Ackerschlagkarteien,
- Aufgabenverteilung an alle Mitarbeiter*innen per Smartphone,
- automatische digitale Rechnungserstellung oder
- automatische Bestellungen bei Zulieferern.
Deutlich vereinfachte Dateneingabe und -weitergabe kann den Betriebsleiter*innen auch bei gestiegenen Dokumentationspflichten helfen. Vor allem die von vielen Betriebsleiter*innen wenig geliebte Bürozeit kann dadurch substantiell reduziert werden. Auch die betriebswirtschaftliche Analyse wird deutlich vereinfacht: Programme wie der staatlich geförderte Betriebsvergleich 4.0 des Zentrums für Betriebswirtschaft im Gartenbau (ZBG) können digitale Jahresabschlüsse einlesen und automatisch Kennzahlen im Spartenvergleich berechnen und graphisch darstellen.
Die richtigen Software-Lösungen für Ihre Bedürfnisse finden
Möchten Sie digitale Managementsysteme zum Beispiel für das papierlose Büro einführen, gibt es bei der Wahl der Programme einiges zu beachten. Das benutzte Programm sollte elektronische Rechnungen im etablierten ZUGFerD-Format produzieren können. Das ZUGFerd-Format (Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland) wurde von Verbänden, Ministerien und Unternehmen entwickelt, um rechtssicher papierlose Rechnungen verschicken zu können. Im Vergleich zu vorhergehenden Formaten ist hierbei eine gesonderte Einverständniserklärung aller Kund*innen nicht nötig.
Auch sollten bei Anwendungen für das papierlose Büro die Buchungsdaten GoDBkonform abgespeichert werden, damit die digitale Archivierung rechtssicher ablaufen kann. Die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) ist eine Verwaltungsvorschrift des Bundesfinanzministeriums, die die ordnungsgemäße Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen im digitalen Format regelt.
Gab es vor einigen Jahren nur eine Handvoll relevanter Akteure am Markt für Managementlösungen im Gartenbau, so ist es in den letzten Jahren unübersichtlich geworden. Insbesondere die Entwicklung von Apps für Smartphones kostet verhältnismäßig wenig Geld und so entwickeln findige Teams für jedes erdenkliche Problem eine digitale Lösung. Diese sehr positive Entwicklung hilft den Betrieben, die beste Lösung für ihre individuellen Probleme zu finden. Es bedeutet aber auch, dass wir uns von dem oft geäußerten Wunsch der Betriebsleiter*innen nach „Komplettlösungen“ verabschieden müssen.
Kostenrechner, Apps für den Betriebsmitteleinkauf, vernetzte Wetterstationen, und und und… Viele kleine digitale Tools können uns neben den etablierten Managementprogrammen täglich viel Zeit, Energie und Nerven ersparen. Wichtig ist dabei, dass man immer die Schnittstellenproblematik im Auge behält. Wenn ich meine Daten händisch ins Smartphone eintragen muss, ist schnell jeder Zeitvorteil dahin. Wenn zum Beispiel die Düngedaten schon in der digitalen Ackerschlagkartei eingetragen sind, müssen diesen Daten mit wenigen Klicks an die Düngebehörde weitergegeben werden können. Noch besser ist es, wenn solche Prozesse automatisch ablaufen. Dann sollte man allerdings auch genau hinschauen, wo die Daten hinfließen und wie sicher die Datenverbindungen sind.
Daten schützen
Bei der Implementierung von digitaler Infrastruktur begegnet Anbietern oft eine gewisse Grundskepsis gegenüber neuen Programmen, weil die zukünftigen Nutzer*innen Angst vor dem Verlust oder Missbrauch ihrer Daten haben. Dies liegt meiner Erfahrung nach häufig nicht daran, dass sie nicht genug von den Firmen informiert werden, sondern daran, dass die Informationen schwer einzuordnen sind. In der Tat ist es sehr wichtig, sich über den Schutz der persönlichen und betrieblichen Daten Gedanken zu machen. Die Frage „Welche Daten werden von mir oder meinem Betrieb erhoben, wohin gehen sie und was wird damit gemacht?“ sollten Sie sich vor jeder Installation stellen.
Ich rate Ihnen, dies nicht nur im betrieblichen, sondern vor allem auch im privaten Bereich deutlich häufiger zu tun, um die Vorteile der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für sich zu nutzen. Mit der DSGVO haben wir in der EU eines der besten Gesetze zum Schutz der digitalen Privatsphäre weltweit. Um die Informationen zu verstehen, muss man in den sauren Apfel beißen und die Datenschutzerklärung durchgehen und gegebenenfalls nachfragen, wenn etwas unklar ist. Seriöse Anbieter werden Ihnen diese Fragen sehr gerne beantworten. Grundsätzlich als vertrauenswürdig würde ich Anbieter einschätzen, die nur die für die Dienstleistung absolut notwendigen Daten erheben und ihre Daten nachweislich nur im EU-Raum verwenden und speichern.
Bei der Digitalisierung im Betrieb die Menschen im Blick haben
Warum sprechen wir bei Digitalisierung so viel mehr über selbstfahrende Roboter als über das papierlose Büro? Mein Eindruck ist, dass es einfacher ist, über Applikationskarten und fliegende Drohnen zu diskutieren, weil sich diese Elemente relativ leicht in das aktuelle Unternehmensgefüge einfügen: Im Idealfall sparen die Maschinen Betriebsmittel ein oder übernehmen einen Teil der menschlichen Arbeit und ich muss an meinen Prozessen gar nichts ändern. Wenn ich meine Managementprozesse digitalisieren möchte, geht es plötzlich nicht mehr nur darum, was technisch möglich ist, sondern vor allem darum, was menschlich möglich ist.
Echtzeiterfassung von Arbeitsschritten über digitale Arbeitszeiterfassung und Ackerschlagkarteien bringt eine völlig neue Transparenz in den Betrieb. Dies könnte als Überwachung gewertet werden. Möchte ich das für mich selbst, aber auch für meine Mitarbeiter*innen? Was macht dies mit der Unternehmenskultur? Oder Stichwort digitales Büro: Welche Arbeitsschritte will ich digitalisieren und welche brauche ich weiter analog? Viele Prozesse werden auch wegfallen oder komplett neugestaltet werden müssen. Was macht die Person, die bisher die Stundenzettel von Hand in den Rechner übertragen hat? Aufgaben müssen neu verteilt werden, Kompetenzen und Rollen überdacht werden.
Auch die Betriebsleiter*innen selber müssen sich fortbilden, um effizienter und effektiver mit Computer und Smartphone umgehen zu können. Hier bewegen wir uns schnell auf unsicherem Terrain, Dinge dauern anfangs länger, wir machen Fehler. Vielleicht müssen wir auch mal unsere Mitarbeiter*innen fragen, wie etwas funktioniert. Und schon sind wir wieder auf der zwischenmenschlichen Ebene: Wie ist die Fehlerkultur in meinem Unternehmen? Darf ich mir gegenüber meinen Mitarbeiter*innen überhaupt Schwächen erlauben? Was macht das mit mir, wenn ich plötzlich nicht die Kontrolle über alle Prozesse habe?
Managementsysteme helfen, Prozesse und Abläufe zu optimieren
Und doch lohnt sich auch gerade wegen der Unwägbarkeiten der Schritt in die Digitalisierung des Betriebes. Wenn man schon mal dabei ist, kann man ja auch gleich mal ein paar ineffektive oder unnötige Prozesse überarbeiten und neue Vorgehensweisen einrichten. Auch macht eine gute digitale Infrastruktur den Betrieb deutlich attraktiver für potentielle Übernehmer*innen. Solche grundlegenden Umwandlungsprozesse im Betrieb sollte man nicht nebenbei machen. Eine Person im Betrieb sollte dies als Aufgabe für die nächsten Jahre übernehmen, damit die Umsetzung nicht im Alltag wieder untergeht.
Für einen möglichst reibungslosen Ablauf holen Sie sich am besten eine neutrale Person von außerhalb mit Erfahrung in Organisationsentwicklung dazu. Diese Person moderiert den Strategieprozess und die Bedürfnisformulierung aller Beteiligten und sorgt dafür, dass alle Mitarbeiter*innen bei der Umsetzung mitgenommen werden.
Nehmen Sie die Herausforderung an
Nichts ist so beständig wieder der Wandel, wie es so schön heißt. Die Digitalisierung revolutioniert gerade die Art und Weise, wie wir arbeiten und beeinflusst nahezu alle unsere gewohnten Lebensbereiche. Diese Entwicklung macht auch vor dem Gemüsebau nicht halt: Was vor zehn Jahren noch undenkbar erschien, ist heute schon möglich und in fünf Jahren Standard. Nehmen Sie die Herausforderung an und machen Sie Ihren Betrieb fit für die Zukunft.
Dieser Artikel ist erstmalig in der Fachzeitschrift Gemüse, Ausgabe 12/2020 erschienen.

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