Herausforderungen und Chancen für den deutschen Gemüsebau in Krisenzeiten
Zuversichtlicher Saisonausklang beim Profi-Tag Gemüsebau 2022 der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Hannover – Fachvorträge befassen sich u.a. mit wirtschaftlicher Situation und dem Pflanzenschutz
Hannover – Die betrieblichen Herausforderungen in der aktuellen wirtschaftlichen Lage, Anbauthemen mit dem Schwerpunkt Pflanzenschutz sowie neue Anbauverfahren in Zeiten zunehmender Wasserknappheit standen im Fokus des diesjährigen Profi-Tags Gemüsebau am 15. November 2022 in Hannover-Ahlem. An der von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) und dem Kompetenzzentrum Freilandgemüsebau der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern organisierten Veranstaltung nahmen über 150 Gäste teil. Dr. Hendrik Führs, Leiter des LWK-Fachbereichs Beratung und Qualitätsmanagement im Gartenbau, übernahm die Moderation.
Energiekrise und Inflation – Auswirkungen auf den Gemüsemarkt und den Gemüsebau
Robert Luer vom Zentrum für Betriebswirtschaft im Gartenbau e.V. (ZBG) verdeutlichte anhand von Datenauswertungen aus dem Betriebsvergleich und Szenarioanalysen, dass die Gemüsebranche in Abhängigkeit vom produzierten Erzeugnis und Anbauverfahren (Freiland oder Unterglas) eine Preiserhöhung von 20 - 30 % vornehmen müsste, um die Rentabilität für die Produktion weiterhin auf dem Niveau von 2021 zu halten. Diese schwierige Herausforderung sei jedoch nicht grundsätzlich Grund zur Resignation, denn der deutsche Gemüsebau habe in den vergangenen Jahren im internationalen Vergleich deutliche Marktanteile dazu gewonnen und stehe grundsätzlich gut da.
Regionalität sei für Verbraucher*innen nach wie vor ein sehr wichtiges Kaufargument, was die heimische Produktion stärke und auch ein Argument angemessener und fairer Preise biete. Als zukünftigen Handlungsschwerpunkt sieht Luer, wettbewerbsfähige Arbeitsproduktivität bei steigenden Lohnkosten und zunehmend fehlenden Arbeitskräften sicherzustellen.
Solide Kenntnis der eigenen betriebswirtschaftlichen Situation
Hanna Wildenhues, neue Leiterin des LWK-Sachgebietes Prozessqualität im Gartenbau, referierte über Anpassungsoptionen in der aktuellen Krise durch Prozess- und Produktoptimierungen und langfristige Mechanisierung. Gerade für nun erforderliche kurz- und mittelfristige Anpassungen sei eine gute Kenntnis der eigenen Zahlen und eine Sicherstellung der Liquidität wichtig. Ein Hilfsmittel zur wirtschaftlichen Betriebsplanung stellt dabei z.B. die Szenarioanalyse im Rahmen des Betriebsvergleiches 4.0 des ZBG dar. Anhand dieser Analyse können auf Basis der betriebseigenen Daten Szenarien gerechnet werden, an denen der Betrieb dann zielgerichtet ansetzen und auf Wunsch mit Unterstützung durch die betriebswirtschaftliche Beratung passgenaue Lösungen erarbeiten kann.
Was gibt es Neues im Pflanzenschutz?
Der Nachmittag startete mit Themen zum Pflanzenschutz im Gemüsebau. Zunächst stellte sich Nelli Rempe-Vespermann als neue Leiterin des LWK-Sachgebiets für Pflanzenschutz im Gemüse- und Obstbau, Pflanzenschutzamt, vor. Ulrike Weier, LWK-Sachbearbeiterin im Sachgebiet Pflanzenschutz im Gemüse- und Obstbau, gab den schon seit vielen Jahren auf dem Profi-Tag etablierten Rückblick auf die Pflanzenschutz-Saison 2022 sowie einen Ausblick auf 2023. Sie ging kurz auf die Themen Klimabedingungen, Besonderheiten von Krankheiten und das Auftreten von Schädlingen ein und erläuterte anschließend die aktuelle und für das Jahr 2023 relevante Zulassungssituation von Pflanzenschutzmitteln.
Torfminderung im Gemüsebau wird zukünftig mehr an Bedeutung bekommen
Das Thema Torfminderung ist im Gartenbau derzeit allgegenwärtig, auch im Gemüsebau. Einige Untersuchungen und Lösungsansätze zur Torfreduzierung im Gemüsebau präsentierte Dr. Kai-Uwe Katroschan, Leiter der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern. Neben der Torfsubstitution, also dem Ersatz von Torf durch andere Materialien, kann auch die Torfreduktion beispielsweise in Form einer Substratreduktion bei Erdpresstöpfen zu einem verminderten Torfeinsatz im Gemüsebau beitragen.
Betriebsporträt
Wie bereits bei einigen früheren Profi-Tagen in Hannover-Ahlem rundete ein Betriebsporträt die Vortragsveranstaltung ab: Johannes Storch, Mitbegründer der Live2Give GmbH, stellte sein Betriebskonzept der Mulchpflanzung vor. Die Gemeinschaft Live2give mit ihrem Gemüsebaubetrieb und Maschinenbau hat mit dem Thema „Mulch – Direktpflanzung für den ökologischen Gemüsebau“ den Bundespreis Ökologischer Landbau 2022 im Bereich Pflanzenbau gewonnen.
Storch teilte seine mehr als zehnjährige Erfahrung mit der Mulchpflanzung mit dem Publikum. Ziel des Konzeptes ist laut Storch eine möglichst ganzjährige Durchwurzelung des Bodens. Die Pflanzung in eine ca. 8-10 cm dicke Mulchschicht reduziert die Evaporation des Bodens, unterdrückt Unkrautwachstum, liefert Nährstoffe und fördert Bodenleben, -struktur und Humusaufbau. Bodenerosion wird vermindert. Gerade in einem so stark von Trockenheit geprägten Jahr wie 2022 rücken wasserextensive Produktionssysteme verstärkt in den Fokus – der Mulchanbau kann dabei eine dieser Optionen sein. Durch die Entwicklung einer eigenen Mulch- und Pflanzmaschine, dem „MulchTec Planter“, kann der hohe Arbeitsaufwand des händischen Ausbringens des Mulchmaterials umgangen werden.
Neben den vielen aktuellen Herausforderungen wurde in der Veranstaltung deutlich, dass die Gemüsebranche auf einem guten Fundament in die nächsten Monate starten kann. Vor diesem Hintergrund wünschte Führs den Betriebsleiterinnen und Betriebsleitern alles Gute für die Saison 2023.

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