Automatische Melksysteme verbessern automatisch die Eutergesundheit!?
Zu den bedeutendsten Entwicklungen des maschinellen Melkens zählen heute sicherlich die automatischen Melksysteme, die sich mittlerweile nicht nur auf dem Markt etabliert haben, sondern im Hinblick auf die stetig wachsenden Verkaufszahlen fester Bestandteil der Zukunft des maschinellen Melkens sind.
Auch in konventionellen Melkanlagen – vorwiegend Melkkarussellen – wird diese Hochtechnologie inzwischen eingesetzt, bei der ohne menschliches Eingreifen anerkannte Schritte der Melkroutine wie Zitzenreinigung und Stimulation, Ansetzen der Melkbecher, Becherabnahme etc. umgesetzt werden.
Grundsätzlich kann maschinelles Melken die Eutergesundheit beeinflussen, wobei zwischen direkten und indirekten Effekten bzw. Risiken unterteilt wird – die sowohl für das konventionelle als auch das automatische Melken vorhanden sind. Ein direkter Effekt ist die Übertragung von Erregern auf bzw. in die Zitze. Hierbei kommt es durch ungünstige Vakuumverhältnisse in Kombination mit unzureichenden Querschnitten der milchableitenden Wege zum sogenannten Umspülen der Zitze mit Milch. Insbesondere Infektionen mit umweltassoziierten Erregern, wie Sc. uberis oder coliformen Keimen werden hierdurch begünstigt und zwar umso stärker je schlechter der Zustand der Zitzenkuppensauberkeit vor dem Melken ist. Zu den indirekten Effekten zählt die Beeinträchtigung der Erregerabwehr der Zitze. Dies kommt zum Tragen, wenn die Auswahl des Zitzengummis und die Einstellungen sowohl des Betriebsvakuums als auch der Pulsation nicht aufeinander abgestimmt sind. An dieser Stelle ist es sinnvoll die Zitzenkondition regelmäßig, jedoch unmittelbar nach der Melkung visuell zu prüfen: Werden vermehrt Einschnürungen/Schwellungen im Bereich des fürstenberg`schen Venenringes, Farbveränderungen (rot bis blau) der Zitze oder Hyperkeratosen (Verhornung des Keratins am Zitzenkanaleingang) festgestellt, ist Handlungsbedarf angesagt, um insbesondere Neuinfektionen zu vermeiden!
Handlungsbedarf besteht aber generell bei den automatischen Melksystemen, denn ohne ein strukturiertes Management stoßen auch diese Systeme an ihre Grenzen! Trotz Hochtechnologie und moderner Sensorik ist es z.B. nicht möglich den Verschmutzungsgrad von Euter und Zitzen zu erkennen und somit eine verschmutzungsindividuelle Eutervorbereitung vorzunehmen. Ebenso ist es nicht möglich, den aktuellen Verschleiß insbesondere der Zitzenreinigungssysteme festzustellen und somit beispielsweise bei fehlenden Borsten an Bürstensystemen eine Warnung für den Betreiber auszulösen. An dieser Stelle sei auf die Herstellerangaben hingewiesen, die bezüglich Hygiene und Austausch von Verschleißteilen für ihr jeweiliges Produkt detaillierte Vorgaben erstellt haben, die durch das betreuende Personal grundsätzlich einzuhalten sind! Im Fokus stehen hierbei die unterschiedlichen Techniken, die von den jeweiligen Herstellern eingesetzt werden, denn neben der notwendigen und effektiven Zitzenreinigung wird diese Technik gleichzeitig dafür genutzt die Milchkuh ausreichend zu stimulieren. Eine ausreichende Stimulation ist wichtig und unverzichtbar für die euterschonende und zügige Milchabgabe: Auch bei den automatischen Melksystemen muss diesem neurohormonellen gesteuerten Vorgang Rechnung getragen werden. Durch den Berührungsreiz infolge der Zitzen- und Zitzenkuppenreinigung sowie das gleichzeitige oder separate Vormelken, kommt es zur Ausschüttung des Oxytocins, welches nach einer Induktionszeit von 60 – 90 sec. in ausreichend hoher Konzentration über die Blutgefäße zum Euter gelangt und dort zum umgangssprachlichen „Einschießen der Milch“ führt. Die eingesetzten Techniken der unterschiedlichen Systeme werden hier im Folgenden detaillierter beschrieben:
Bei der Bürstenreinigung wird jede einzelne Zitze zwischen zwei gegenläufig sich drehende Bürsten aufgenommen gereinigt und gleichzeitig stimuliert. Nach dem Ansetzen der Melkbecher werden die Bürsten mittels einer Sprüheinrichtung gereinigt und desinfiziert. Unmittelbar vor der nächsten Melkung drehen die Bürsten an zwei fest installierten Abstreiferrohren, um mit möglichst geringer Restfeuchte die Zitzen der Kuh zu reinigen.
Separater Vormelkbecher (BouMatic / DeLaval)
Die Fa. BouMatic setzt hierbei grundsätzlich auf die während des Melkens eingesetzte Technik, wobei über ein im Zitzengummikopf mündendes Kanalsystem Wasser in den Zitzenbecherinnenraum eingetragen und über Vakuum und Pulsierung die Zitze gereinigt und vorgemolken wird. Ein separater Pulsator dieses Vorbereitungsbechers, bei dem die doppelte Taktzahl eingestellt ist, als dies während des Melkens der Fall ist, sorgt über den taktilen Reitz für die notwendige, tierindividuelle Stimulation der einzelnen Kuh.
Der Vorbereitungsbecher der Fa. DeLaval besteht aus der Becherhülse und einer inneren zylindrischen Kunststoffhülse, die mit einer bestimmten Anordnung von Kanälen versehen ist, deren Bohrungen in den Zitzenbecherinnenraum führen. Durch die Kanäle werden während der Zitzenvorbereitung in schnellem Wechsel Druckluft und warmes Wasser zur Säuberung an die Zitze geführt. Das anliegende Melkvakuum sorgt für das Vormelken und die Druckluft sorgt im Anschluss daran, dass die Zitzenhaut unmittelbar vor dem Melken möglichst trocken ist.
Bei beiden Herstellern ist in den aktuell auf dem Markt befindlichen Systemen das Zuleiten einer Euterseife in den Vorbereitungsbecher möglich.
In-Liner Everything-Technologie (GEA-Farm Technologies)
Auch bei GEA kann ein speziell für diesen Zweck abgestimmtes Zitzenreinigungsmittel herangezogen werden, um eine optimale Keimreduktion auf der Zitzenhaut zu erreichen.
Bei allen beschriebenen Varianten wird das Vorgemelk entsprechend den aktuellen Anforderungen und Verordnungen separiert und verworfen, um nicht in die Anlieferungsmilch zu gelangen.
Wie bereits erwähnt, sind im Bedarfsfall Vorgaben der Hersteller im Hinblick auf das Wechselintervall der Bürsten, die Desinfektion der Zitzenvorbereitungseinrichtung etc. auf die betriebliche Situation anzupassen bzw. zu erweitern. Sind beispielsweise vermehrt „Spaltenlieger“ in der Herde, sollte und kann z.B. die Zitzenreinigung tierindividuell angepasst werden, indem die Dauer und Häufigkeit der Zitzenreinigung verändert werden. Bei vermehrten Infektionen mit Umwelterregern kann der oben beschriebene Einsatz einer Euterseife dabei helfen, den Infektionsdruck zu senken.
Anpassungen sind aber auch aus physiologischer Sicht erforderlich um durch einen verlängerten bzw. intensiveren taktilen Reiz einer möglichen, verspäteten Milchejektion gerecht zu werden.
Ähnlich ist auch eine laktationsabhängige Veränderung der Stimulation – wie beispielsweise bei GEA zu bewerten, bei der berücksichtigt wird, dass Tiere mit einer geringen Euterfüllung mehr Stimulationsbedarf haben, als Tiere mit einer hohen Euterfüllung.
Unabhängig von der Endscheidung für ein bestimmtes automatisches Melksystem und der damit einhergehenden Technik bezüglich Stimulation und Zitzenreinigung ist diese durch den Betreiber der Anlage bzw. des hiermit beauftragten Personals regelmäßig zu kontrollieren. Je nach eingesetzter Technik unterliegen diese Bauteile einem natürlichen Verschleiß. Abgenutzte Bürsten, beschädigte bzw. nicht funktionierende Vorbereitungsbecher sowie überalterte Zitzengummis werden der notwendigen Stimulation und Reinigung der Zitzen sowie dem gewünschten euterschonenden und zügigen Melken nicht gerecht.
Die Sicherstellung oder notwendige Verbesserung der Eutergesundheit durch ein automatisches Melksystem, kann nur durch die Einhaltung der herstellerspezifischen und betriebsbedingten Hygiene- und Wartungsmaßnahmen maßgeblich positiv beeinflusst und auch erreicht werden.
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