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Wirksamkeit des Stickstoffs aus organischen Nährstoffträgern – wie ist sie aus pflanzenbaulicher Sicht zu bewerten?

Webcode: 01016600

Die Düngeverordnung (DüV) gibt Mindestwerte für die Ausnutzung des Stickstoffs aus organischen oder organisch-mineralischen Düngemitteln im Jahr des Aufbringens an. Zuletzt wurden diese Werte mit der neuesten Novelle der DüV im Jahr 2020 für Rinder- und Schweinegülle sowie flüssige Gärreste auf Ackerland um zehn Prozentpunkte angehoben. Seitdem sind 60% Mindestanrechenbarkeit für Rindergülle und flüssige Gärreste sowie 70% für Schweinegülle anzusetzen. 

Die unter dem Webcode 01040299 angegebenen Anrechenbarkeiten nach Anlage 3 der DüV - mindestens jedoch der ermittelte Gehalt an verfügbarem oder Ammoniumstickstoff - sind vor diesem Hintergrund für den Anwender im Zuge der Düngebedarfsermittlung bindend. Dennoch stellt sich die Frage, ob unter bestimmten Bedingungen oder bei ausgewählten Kulturen durch produktions- und anbautechnische Maßnahmen eine höhere als die angegebene Anrechenbarkeit erreicht und somit eine Reduktion der (mineralischen) Ergänzungsdüngung erfolgen kann. Gerade vor dem Hintergrund aktuell stark gestiegener Preise für mineralische Stickstoffdünger ist diese Betrachtung auch unter ökonomischen Gesichtspunkten interessanter denn je.

In organischen Nährstoffträgern liegt der Stickstoff sowohl in organisch gebundener als auch in gelöster und somit direkt pflanzenverfügbarer Form vor. Die Anteile an organisch und mineralisch gebundenem Stickstoff variieren bei den Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft in Abhängigkeit von Tier- und Wirtschaftsdüngerart. Aus diesem Grund empfiehlt sich vor der Ausbringung eine aktuelle Wirtschaftsdüngeranalyse. Nur wer die Inhaltsstoffe seiner Organik kennt, kann diese zielgerichtet einsetzen. Dabei ist vor allem auch eine aktuelle Analyse der Nährstoffträger zu Beginn der Vegetation wichtig, damit diese pflanzenbedarfsgerecht eingesetzt werden können. Es ist davon auszugehen, dass der in NH4-Form (Ammonium) vorliegende Stickstoff unter günstigen Anwendungsbedingungen der NH4-N-Wirkung von Mineraldüngern entspricht. Gleichzeitig gehen von der Ammonium-Fraktion organischer Nährstoffträger die größten Verlustpotenziale aus. Dem liegt das temperatur- und pH-abhängige Gleichgewicht zwischen Ammonium und Ammoniak zugrunde: je höher der pH-Wert oder die Temperatur der Organik sind, desto mehr verschiebt sich dieses Gleichgewicht in Richtung des gasförmig entweichenden Ammoniaks und der direkt pflanzenverfügbare Ammonium-Anteil wird verringert. Die bekannten Grundsätze der emissionsarmen Ausbringung bei geringen Temperaturen, wenig Wind und geringer Sonneneinstrahlung legen einen Grundstein für geringe Verluste in diesem Bereich. Darüber hinaus kann die Ansäuerung mit Schwefelsäure aufgrund dann absinkender pH-Werte der Organik die Ammoniak-Verluste effektiv mindern. Mehrjährige Versuchsergebnisse zum Einsatz von Schwefelsäure in organischen Düngern finden Sie in einem separaten Artikel unter dem Webcode 01040279.

Der pflanzenverfügbare Ammoniumanteil der Wirtschaftsdünger kann nur in einem hohen Umfang von der Pflanze genutzt werden, wenn diese zum Zeitpunkt des Stickstoffangebots auch einen generellen Bedarf hat, der nicht allein aus dem Bodenvorrat gedeckt werden kann. In aller Regel ist dies bei den ackerbaulichen Kulturen ab Vegetationsbeginn im Frühjahr bei entsprechender Witterung der Fall. Dies gilt es vor jeder Ausbringung zu überprüfen. Insgesamt kann die Beachtung der hier genannten Aspekte die Wirksamkeit der Orgnaik so positiv beeinflussen, dass diese sogar über der notwendigen Anrechenbarkeit nach DüV liegen kann.

Neben den NH4-N-Gehalten und der oben angesprochenen gasförmigen N-Verluste während der Ausbringung wird die Wirkung des Stickstoffs aus organischen Nährstoffträgern durch die Umsetzung des organisch gebundenen Stickstoffs beeinflusst. Das Potenzial für diese Umsetzung im Vegetationsverlauf ist abhängig von der Witterung, vom Standort und der Bewirtschaftung und geschieht zeitgleich mit der hohen Mineralisierung im Boden in den warmen (Früh-)Sommermonaten. Kulturen, die gerade zu diesem Zeitpunkt eine hohe nennenswerte N-Aufnahme aufweisen (Mais, Zuckerrübe), nutzen diesen aus der organisch gebundenen Fraktion freiwerdenden Stickstoff besonders gut aus. Bei den Winterungen liegt die Haupt-N-Aufnahme bereits vor dieser Zeit, weshalb sie die organisch gebundene Fraktion von Wirtschaftsdüngern nicht in dem Maße ausnutzen können, wie es Sommerungen, insbesondere Hackfrüchte, an dieser Stelle tun. Hieraus folgt auch, dass die Anwendungsbedingungen bei der Ausbringung von Organik in Winterungen ganz besonders im Auge behalten werden müssen, um die Mindestwirksamkeit nach DüV erreichen zu können.

Infolge der komplexen N-Umsetzungsprozesse kann die N-Wirkung aber in praxisnahen Feldversuchen ermittelt werden. Dabei werden bei einem vergleichenden Einsatz von organischen Düngern und mineralischem Stickstoff N-Mineraldüngeräquivalente ermittelt. Die Mineraldüngeräquivalente geben an, wie hoch die Wirkung der Nährstoffe in organischen Düngern im Vergleich zu Mineraldüngern anzusetzen ist. Die N-Mineraldüngeräquivalente variieren in Abhängigkeit vom organischen Nährstoffträger, der Dauer der organischen Düngung auf der Fläche, den Standort- und Ausbringungsbedingungen sowie der Fruchtart. Die Werte wurden anhand von Feldversuchen auf Standorten mit einer langjährigen Anwendung von organischen Düngern ermittelt. Hierbei wurden die aufgeführten Nährstoffträger im Frühjahr entsprechend den Empfehlungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen mit verlustarmer Technik ausgebracht. Es handelt sich somit um N-Wirksamkeiten, die unter optimalen Anwendungsbedingungen zu erreichen sind. Differenzierungen gegenüber den Mindestwerten gem. Düngeverordnung wurden auf der Grundlage von Feldversuchen abgeleitet und sind auf Standort- und Bewirtschaftungseinflüsse zurückzuführen.

Mindestanrechenbarkeit (DüV) und unter optimalen Bedingungen erreichbare Wirksamkeit des Stickstoffs in organischen Nährstoffträgern
Mindestanrechenbarkeit (DüV) und unter optimalen Bedingungen erreichbare Wirksamkeit des Stickstoffs in organischen NährstoffträgernCaroline Benecke

Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass die Wirksamkeit der eingesetzten Organik in den Kulturen Mais, Zuckerrüben und Kartoffeln bei flüssigen Gärresten sowie Rinder- und Schweinegülle die Mindestanrechenbarkeit laut DüV um 10% sowie bei festen Gärresten und Mist sogar um 15-20% überschreiten kann (siehe Tabelle). Dadurch kann mehr Stickstoff wirksam werden, als nach DüV angerechnet werden muss. Dies stellt vor allen Dingen dann einen pflanzenbaulichen und in erster Linie ökonomischen Vorteil dar, wenn in der Folge die mineralische Ergänzungsdüngung entsprechend reduziert werden kann.

Zur Kontrolle der tatsächlichen Wirksamkeit empfiehlt es sich, begleitende Pflanzen- und Bodenuntersuchungen durchzuführen. So kann über späte Nmin-Proben in Hackfrüchten, Pflanzenanalysen oder die Verwendung technischer Hilfsmittel wie Nitrachek oder N-Tester der Versorgungszustand der Pflanzen kontrolliert werden. Damit wird überprüft, ob die angesetzten N-Mengen auch wirklich zur Wirkung kommen oder notfalls im Rahmen der Düngeverordnung mit einer mineralischen Düngung einer pflanzlichen Unterversorgung entgegengesteuert werden sollte.