Wann ist Beregnung im Kartoffelanbau wirtschaftlich?
Die beiden letzten Jahre haben eindrucksvoll untermauert, wie wichtig eine kontinuierliche Wasserversorgung für die Ertragsbildung aller Kulturen ist. Wie die Wirtschaftlichkeit im Kartoffelanbau durch Beregnung gesteigert werden kann, analysiert Dr. Mathias Schindler von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Auch schon vor den Diskussionen im Rahmen des Klimawandels über die steigenden Durchschnittstemperaturen und über die veränderte Niederschlagsverteilung wurde die Installation von Beregnungstechnik in den großen Speisekartoffelanbaugebieten Niedersachsens als ein „must have“ für eine ertragsstabile und nachhaltig wirtschaftliche Kartoffelerzeugung empfohlen. Ohne die Beregnung geht es im Prinzip zwar auch, aber wer einmal zusah, wie die Pflanzen im Frühsommer unter Wasserknappheit litten, will das in der dann folgenden Ernte fällige Lehrgeld nicht nochmals bezahlen.
Doch welche Ertragseffekte brauche ich eigentlich, um die Kosten der Beregnung decken zu können?
Damit diese Frage belastbar beantwortet werden kann, sind üblicherweise die Vollkosten der Beregnung zu ermitteln, z.B. in Form von jährlichen Gesamtkosten (Einheit: Euro/Jahr). Dies hat allerdings den Nachteil, dass sich diese bei jährlich variierendem Einsatzumfang ändern, weil einige Kostenpositionen (Abschreibung, Zinsanspruch und ein Teil der Unterhaltung) anfallen, egal ob beregnet wird oder nicht (die sogenannten "Eh da"-Kosten), während andere Kosten (der andere Teil der Unterhaltung und die Betriebsmittel) nur anfallen, wenn beregnet wird. Besser ist es deshalb, die Kosten direkt als Kosten pro Einheit auszuweisen, wobei sich als Einheit dann entweder m3/ha oder besser „mm Beregnung/ha“ anbieten, damit es gleich auf den "Wetterbericht-Standard" berechnet wird.
In einem zweiten Schritt sind dann die ermittelten Kosten mit den durch die Beregnung erzielbaren Erlössteigerungen zu vergleichen. Hier ist zwar auch die absolute Änderung des Gesamtertrages von Bedeutung, mehr Einfluss haben aber die Ertragseffekte, die in den marktgängigen Sortiergrößenklassen auftreten. Die Anforderungen an das produktionstechnische "Know how" werden dabei eher größer. Schließlich geht es nicht um den Gesamtertrag, sondern darum, möglichst viel Mengen in der/den richtigen Größenklassen zu erzeugen und damit um die „Feinjustierung“ in der Produktion.
Investitionsbedarf und jährliche Kosten
Anders als bei der Maschinenausstattung, bei der in der Regel das Grundmodell von der Stange kommt und durch zusätzliche Sonderausstattung individualisiert wird, wird die Beregnungstechnik im Normalfall immer betriebsindividuell konfiguriert. Dies erschwert die Kostenkalkulation, da sich die jeweilige Situation jedes Mal (etwas) anders darstellt und deshalb fast immer andere Komponenten mit unterschiedlichem Investitionsbedarf erfordert.
Die für das Berechnungsbeispiel genutzte Ausstattung und der daraus resultierende Investitionsbedarf sind in der Übersicht 1 ersichtlich. Neben einem Brunnen sind Leitungen sowie Schlauch mit Regner in beiden untersuchten Verfahren gleich. Für einen Vergleich der Bewässerungsverfahren werden eine elektrische betriebene Pumpe mit dem erforderlichen Anschluss sowie eine dieselbetriebene Pumpe gegenübergestellt. Dies ist zum Einen sinnvoll, weil so der Kostenvergleich zwischen den beiden denkbaren Systemen mit abgehandelt werden kann und zum Anderen ergeben sich daraus Informationen, wie unterschiedlich die Kosten ausfallen werden, wenn vor Ort nur eine der zwei Varianten realisierbar ist.
Dabei fällt der ermittelte Gesamtinvestitionsbedarf für die Variante mit dem elektrischen Antrieb mit 127.700 € etwas höher aus (+3,15%) als für die Variante mit der dieselbetriebenen Pumpe (123.800 €). Letztere weist aber durch den Verbrennungsmotor für einige Teile eine geringere Lebensdauer auf, sowohl nach Zeit als auch nach Mengenleistung. Werden Wertverlust und Zinsaufwand an der Abschreibungsschwelle berechnet, so schlagen der Brunnen mit 0,049 €/m3, die Leitungen mit 0,069 €/m3 und der Regner mit 0,156 €/m3 zu Buche, so dass die Kosten der identischen Anlagenteile zusammen 0,274 €/m3 ausmachen.
Bei der elektrisch angetriebenen Technik verursacht der Stromanschluss 0,016 €/m3 an Kostenbelastung, während für die Pumpe 0,1345 €/m3 anfallen, so dass die Gesamtkosten der spezifischen Technik 0,151 €/m3 betragen. Diese setzen sich zusammen aus 0,089 €/m3 für Strom und 0,046 €/m3 für Abschreibung (0,028 €/m3), Zinsen (0,008 €/m3) und Unterhaltung (0,01 €/m3).
Soll die Anlage mit Diesel betrieben werden, ist sowohl von einer um ein Drittel kürzeren Nutzung als auch von höheren Betriebskosten auszugehen. Diese Technik ist mit Festkosten von 0,215 €/m3 zu veranschlagen, von denen 0,112 €/m3 auf den Diesel (inkl. Schmierstoffe) und 0,103 €/m3 auf die anderen Kostenpositionen entfallen.
Werden nun die Gesamtkosten verglichen, so erweist sich die dieselbetriebene Technik mit 0,488 €/m3 als um etwa 0,064 €/m3 teurer (+14,6%). Zu dieser Kostendifferenz tragen außer dem Zinsaufwand (-0,002 €/m3) alle Positionen gemeinsam bei: Die Abschreibung ist um 0,023 €/m3 höher sowie der Unterhaltungsaufwand um 0,02 €/m3 und die Betriebskosten um 0,023 €/m3.
Sollten die Dieselpreise allerdings mal wieder deutlich anziehen (CO2-Abgabe oder andere "Steuern") und damit Bruttopreise von 1,55 €/l Diesel wieder Realität werden, so würde daraus ein Kostenanstieg um etwa 0,023 €/m3 (ca. 5%) resultieren, der in dem Vergleich voll auf das Ergebnis durchschlägt, da Diesel- und Strompreis kaum korreliert sind und deshalb als unabhängig voneinander variierend gelten können.
Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit im Kartoffelanbau
Um den wirtschaftlichen Erfolg einer Beregnung beurteilen zu können, müssen alle sich ändernden Parameter einer ökonomischen Bewertung unterzogen werden. Dies betrifft sowohl die Ertragsanteile in den einzelnen Größensortierungen als auch die Preise innerhalb dieser Klassen sowie den naturalen und monetären Betriebsmittelaufwand, z. B. für Dünger und Pflanzenschutzmittel. Das Ergebnis ist dann mit einer Erfolgsrechnung ohne Beregnungseinsatz zu vergleichen. Dies erfolgt in der Übersicht 2.
Wird als Referenz von einem Gesamtertrag von 410 dt/ha ausgegangen, von denen 300 dt/ha in die Sortiergröße 35-65 mm fallen und mit 16,55 €/dt bezahlt werden, so ergibt dies mit einem Erlös von 4.965 €/ha einen Anteil von knapp 90% am Gesamterlös von 5.535 €/ha. Werden davon die standardisierten Kosten für Pflanzgut (1.268 €/ha für 27 dt á 46,96 €/dt), Düngung (abzüglich der Nährstoffrücklieferung aus dem Kartoffelkraut), Pflanzenschutz, Maschineneinsatz, Lagerung, Hagelversicherung und Lohnanspruch in Höhe von insgesamt 5.098 €/ha (= 12,43 €/dt) abgezogen und ein geschätzter durchschnittlicher Lagerungsvorteil von 1.135 €/ha (Preisanstieg von 3,29 €/dt für die spätere Vermarktung der gelagerten Ware), so verbleibt ein „Überschuss“ von 1.571 €/ha bzw. 3,83 €/dt geernteter Ware.
Durch 100 mm Beregnung, die einer Aufwandmenge von 1.000 m3/ha entsprechen, kann der Gesamtertrag um mindestens 85 dt/ha gesteigert werden. Diese vorsichtig kalkulierte Ertragssteigerung wird zwar nicht immer in jedem Jahr realisierbar sein, ist aber mit Durchschnittswerten aus mehrjährigen Versuchen gut zu belegen. Für den wirtschaftlichen Erfolg ist ausschlaggebend, wie sich der Ertrag und der Mehrertrag nach Beregnung auf die verschiedenen Sortiergrößen verteilen. Dabei ist zu erwarten, dass der Ertragsanteil der größten Sortierung am stärksten zunehmen wird, während es am unteren Ende sogar eher zu einer Abnahme kommen dürfte. Der Ertrag in der eigentlich idealen mittleren Sortiergröße nahm in entsprechenden Versuchen oft nur unterdurchschnittlich zu, genau wie die Menge in der Abgangssortierung. Bei der konservativ geschätzten neuen Ertragsaufteilung wird durch einen Gesamterlös von insgesamt 6.608 €/ha eine Steigerung um ca. 1.073 €/ha erwartet.
Neben konstanten Pflanzgutkosten sind geringfügig höhere Düngerkosten zu erwarten, weil die Düngermengen aufgrund der höheren Ertragserwartung in der Beregnungsvariante entsprechend den Düngeempfehlungen neu berechnet werden. Auch der Pflanzenschutzaufwand könnte etwas höher ausfallen, falls mehr Fungizide und zur Wachstumsbeeinflussung kurz vor der Ernte ein erhöhter Krautregulierungsaufwand erforderlich werden. Um hier auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu sein, werden dafür Kosten angesetzt, die möglicherweise nicht jedes Jahr anfallen. Zusätzlich zu den ebenfalls geringfügig höheren Maschinen- und Lohnkosten sind aber auch noch die Kosten der Beregnung (mit Dieselbetrieb), die mit 488 €/ha fast die Hälfte des Mehrerlöses beanspruchen, zu decken. Weil die größere Gesamtmenge auch mehr Lagerraum beansprucht und dadurch höhere Lagerungskosten entstehen, bleiben nach Abzug von 6.171 € Kosten pro Hektar noch 1.835 €/ha Überschuss. Dies entspricht 3,71 €/dt.
Werden die Produktionskosten ermittelt, so liegen diese jetzt mit 12,47 €/dt zwar etwas über den 12,43 €/dt aus dem Verfahren ohne Beregnung. Dies resultiert daraus, dass der zusätzliche Ertrag zu (Grenz)-Kosten von 13,41 €/dt produziert wird.
Die erreichte Ertragssteigerung liegt bei 0,85 dt/mm Beregnungswasser, durch die ein Gewinnzuwachs von 264,09 €/ha (= 16,8%) bzw. 2,64 €/mm Beregnungswasser prognostiziert werden kann.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass hier keine Wasserentnahmegebühr berücksichtigt wurde. Bei einem „Überschuss“ von 2,64 €/mm bzw. 0,264 €/m3 Beregnungswasser würde eine solche Gebühr die bisherige Kalkulation aber sehr schnell ins Wanken bringen.
Fazit
Eine komplette Beregnungsanlage kann durchaus einen Investitionsbedarf von deutlich über 120.000 € verursachen.
In der Investitionssumme unterscheiden sich Anlagen mit elektrisch- bzw. dieselbetriebenen Pumpen kaum, in den jährlichen Kosten hingegen schon. Der Dieselbetrieb ist selbst bei günstigen Dieselpreisen um 0,64 €/mm Beregnung teurer; an entlegenen Standorten gibt es aber oft keine Alternative, weil die Stromerschließung dort meistens „unbezahlbar“ ist. Wird Diesel wieder so teuer wie in den Jahren 2011 bis 2014, so resultieren daraus weitere Kostensteigerungen um etwa 0,23 €/mm Beregnungswasser.
Bei sehr konservativer Betrachtung ermöglichen sinnvoll eingesetzte 100 mm Beregnung im Durchschnitt Ertragssteigerungen um mindestens 85 dt/ha bzw. Mehrerlöse von etwa 1.100 €/ha.
Wer hier den Erfolg sucht, muss außerdem auch noch die Produktionstechnik gut im Griff haben. Wenn das Kraut „dank“ fehlendem Wasserstress zulange „grün“ ist und deshalb die Kartoffeln immer weiterwachsen können, bewahrheitet sich der Spruch vom „dümmsten Bauern mit den größten Kartoffeln“. Wer diese jedoch hochpreisig vermarkten kann, mag auch mit dem wenig schmeichelhaften Attribut gut leben können, der Regelfall wird das aber nicht sein.
Wer also die Technik zur Anbausteuerung beherrscht, hat nach Abzug sämtlicher zusätzlicher Kosten noch 264 €/ha zusätzlich übrig.
Durch den Einsatz von Beregnung bei Kartoffeln können also nicht nur Erträge stabilisiert und gesteigert werden, es sind auch zusätzliche Gewinne realisierbar. Diese wachsen aber nicht in den Himmel.
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