Biodiversität als Baustein moderner Betriebsführung
Wie kann Biodiversität zum Gewinn für den landwirtschaftlichen Betrieb, die Kulturlandschaft und letztlich die Gesellschaft werden?
Etwa 60 Landbewirtschafter, Verbandsvertreter, Politiker und Berater folgten am 10. März 2017 der Einladung der Landwirtschaftskammer (LWK) ins Grüne Zentrum Bremervörde. Die weiteste Anreise hatte sicher ein Teilnehmer aus Göttingen.
Sebastian Küwen und Holger Westerwarp hatten im Vorfeld ein umfassendes Programm geplant, bei dem die Fragen danach, worum es überhaupt geht, was der einzelne tun kann, worauf zu achten ist und wer einem bei der Umsetzung begleitet, geklärt wurden.
Die Fachreferentin der LWK Niedersachsen für Naturschutz, Nora Kretzschmar verglich in ihrem einleitenden Vortrag die Landwirte mit Zehnkämpfern, die auf vielen Ebenen Herausforderungen meistern müssen. Das EU-Ziel, den Verlust an Biodiversität bis 2020 zu stoppen, lässt sich aus ihrer Sicht nur durch eine bessere Vernetzung von Schutzgebieten erreichen. Dabei gibt es keinen einheitlichen Königsweg, sondern es sind immer betriebsindividuelle Lösungen gefragt.
Aus Sicht der Unternehmensberatung stellte Annette Klee von der LWK Bezirksstelle Bremervörde dar, wie sich Engagement im Bereich Biodiversität positiv auf das Image des Betriebs sowie der Landwirtschaft allgemein auswirken kann. Zukunftsorientierte Betriebe sollten neben der Ökonomie immer auch die Nachhaltigkeit des Wirtschaftens in den Fokus stellen und ihre großen Möglichkeiten (Fläche, Technik, Know-how) zur Gestaltung ihres Lebensumfeldes nutzen.
Holger Westerwarp, der bei der LWK unter anderem Betriebe in Hinblick auf Biodiversität berät, präsentierte in seinem bildreichen Vortag eindrucksvoll, wie selbst kleinste Maßnahmen große Auswirkungen auf die Natur haben können. Sei es die fachgerechte Pflege von Hecken nach dem Motto „unten dicht, oben Licht“ oder die Beachtung der Brut- und Setzzeiten auf allen Flächen, verbunden mit der Pflicht zum Schutz vor Schäden: ohne Risiko kann hier positives bewirkt werden. Mit seinem Vortrag animierte Holger Westerwarp die Teilnehmer, den Blick für Trittsteinbiotope, Wegeseitenränder und Gewässer zu schärfen sowie Lebensraum für Kleininsekten zu schaffen, die beispielsweise für junge Singvögel lebensnotwendig sind. Abschließend appellierte er, die vielfältigen Fördermöglichkeiten zu nutzen. Einen Überblick darüber vermittelt er Interessierten gerne.
Seine praktischen Erfahrungen bei der Anlage von Blühstreifen stellte Sven Schröder, Landwirt aus Lavenstedt und passionierter Jäger, dar. Unterlegt durch Beispiele seines Betriebs machte er deutlich, wie wichtig ein überlegtes Herangehen bei der Anlage von Blühstreifen ist. Sein Wissen als Landwirt sowie die Beobachtungen als Jäger kommen ihm dabei zu gute. So werden Blühstreifen breiter angelegt, als es für die Förderung notwendig wäre. Als Rückzugsraum für Wildtiere werden die Streifen von den Straßen weg orientiert, um Unfälle zu vermeiden. Eine Ausnahme stellen schmale Sonnenblumenstreifen dar, die zur Freude der Mitbürger an Wegesrändern angebaut werden.
Der im Jahr 2010 gegründete Verein BUNTE FELDER e.V. wurde von der Geschäftsführerin des Landvolk Kreisverbands Bremervörde, Dr. Diane Wischner-Pingel, vorgestellt. Im Bereich über drei Landvolkkreisverbände werden im Verein, unterstützt durch einen Beirat inkl. Imkern, Jägern und NABU, verschiedene Maßnahmen umgesetzt. Die Finanzierung erfolgt losgelöst von EU-Fördermitteln über eine Umlage der Vereinsmitglieder, die in der Regel Biogasanlagen beitreiben. „Viel Herzblut gehört dazu, um Gutes zu tun“ zeige die Erfahrung der letzten Jahre. In den einzelnen Bereichen von der Optimierung von Saatgutmischungen über die Anlage der Blühstreifen hin zu besonderen Aktionen wie dem Maisfest in Godenstedt stecke viel Arbeit. Zukünftig sollen noch mehr Bürger neugierig auf die Natur gemacht werden – zum Beispiel mit Lernpfaden und einer verstärkten Zusammenarbeit mit BAUER e.V., dem Verein zur Förderung landwirtschaftlicher Umweltbildung im Raum Bremervörde. Ein wichtiges Ziel der BUNTE FELDER-Vereinsarbeit ist neben der Förderung der Biodiversität ein verbesserter Dialog mit der Bevölkerung.
Unterstützt von Janine Käding, Leiterin der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Rotenburg (Wümme.), konnte Sebastian Küwen, Fachgruppenleiter bei der LWK in Bremervörde, mögliche Befürchtungen aus dem Weg räumen: Betriebliche Entwicklungsoptionen können offengehalten werden, wenn die Betriebe das geltende Naturschutzrecht im Auge behalten und sich bei der Planung von Beginn an fachlich kompetent beraten lassen. Sofern die Bereitschaft zur Umsetzung von Maßnahmen besteht, lässt sich mit Hilfe einer kompetenten Beratung für jeden Betrieb eine Maßnahme an der Hofstelle oder in der Feldflur beruhigt umsetzen. Bei Kenntnis des Naturschutzrechts kommt es letztlich in entscheidender Weise auf die Standortwahl für die Wunschmaßnahmen an.
„Was hole ich mir da aufs Feld?“ Lüder Bornemann aus dem LWK-Bereich Pflanzenbau und Pflanzenschutz in Bremervörde referierte zur Vereinbarkeit von Biodiversität und Pflanzenbau. Den Landbewirtschaftern gab er mit auf dem Weg, bei günstigen Saatgutmischungen darauf zu achten, dass keine unerwünschten Arten enthalten sind. So ist beispielsweise Beifuß-Ambrosie hoch allergen und Jakobs-Kreuzkraut sonders für Pferde giftig. Einzelne Mischungspartner können sich phytosanitär negativ auf Folgekulturen auswirken und als Virusüberträger und Nematoden-Zwischenwirt wirken. Mischungen sollten daher gezielt ausgewählt werden und unter Umständen ein Aussamen vermieden werden. Die LWK führt derzeit Versuche durch, in denen Behandlungsmaßnahmen im in Kulturen, die auf Zwischenfrüchte folgen, zum Beispiel bei Wiederauflauf, getestet werden. Der gesetzliche Rahmen für Aussaatzeitpunkte ist aus Sicht von Lüder Bornemann teilweise sehr streng und nicht effektiv. Hier sollte der Gesetzgeber nachbessern. Zwischenfrüchte sollten generell ebenso viel ackerbauliche Aufmerksamkeit bekommen wie die Hauptkulturen. Abschließend stellte Lüder Bornemann fest, dass Zwischenfrüchte nur einen kurzfristigen Beitrag zur Biodiversität leisten. Sinnvoller ist es aus seiner Sicht, der Konkurrenz des Ackerbaus aus dem Weg zu gehen und langfristig ökologisch wertvolle Randstreifen anzulegen.
Am Ende des Tages stand die Frage, wer Landbewirtschafter bei der Förderung der Biodiversität begleiten kann. Neben dem Verein BUNTE FELDER e.V. sind dies zum Beispiel die Pflanzenbauberater der LWK sowie alle Berater, die zu EU-Förderprogrammen beraten. In einem Berechnungs-Programm der LWK kann veranschlagt werden, wie sich die verschiedenen Förderprogramme und Maßnahmen finanziell auf den Betrieb auswirken. Besonders hinzuweisen ist auf die geförderte Biodiversitätsberatung der LWK durch Holger Westerwarp – die netto-Beratungsgebühr ist zu 100% förderfähig und die verbindlich angeschlossene Greening-Beratung im Rahmen der EU-Agrarförderung zu 80%. Interessenten sollten sich zeitnah bei Holger Westerwarp (04761/9942-134) bei der LWK in Bremervörde melden.
Bei der abschließenden Diskussion wurde deutlich, wie gut Landwirtschaftskammer, Landvolk, Jägerschaft, NABU und der Landkreis bereits zusammenwirken. Teilnehmern und Veranstaltern wünschen sich gleichermaßen Folgeveranstaltungen, um das Thema Biodiversität weiter zu bearbeiten. Die mit der Veranstaltung geschaffene Plattform soll somit auch in Zukunft ein Forum für die weitere Zusammenarbeit der berührten Akteure bieten.
Über weitere Termine halten wir Sie gerne auf dem Laufenden. Bei Interesse daran oder Fragen zur förderfähigen Biodiversitäts-Beratung wenden Sie sich bitte an
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Holger Westerwarp
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