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Landessortenversuche 2021: Winterbraugerste

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Es gibt mehrere Gründe, die Braugerste nicht nur wie bisher als Sommerung anzubauen, sondern auch den Winteranbau in Erwägung zu ziehen. Dabei gewinnt zunehmend auch der Anbau von Sommerbraugerstensorten in Spätherbstaussaat an Bedeutung. Zu den Winterbraugerstensorten soll im Folgenden Stellung genommen werden.

Winterbraugerste
WinterbraugersteCarsten Rieckmann

Braugerste im Herbst anbauen – Welche Möglichkeiten gibt es?

In den klassischen Braugerstenanbaugebieten Niedersachsens wurde in den trockenen Jahren 2018 und 2019 schmerzhaft deutlich, dass ohne intensive Beregnungsmöglichkeit ein gesicherter Braugerstenanbau mit guten Erträgen und vor allem auch Qualitäten schwer möglich ist. Die in einzelnen Landkreisen verschärfte Reglementierung der zur Verfügung stehenden Beregnungsmengen führt dazu, dass die ökonomisch vorteilhaftesten Kulturen vorrangig beregnet werden. Dies sind in der Regel Frühkartoffeln, Kartoffeln, Zwiebeln, Mais und Rüben. Beim Einsatz der Beregnung im Getreide hat sicherlich die Braugerste erste Priorität.

Eine Möglichkeit, das Problem der Wasserversorgung bei Braugerste zu verringern, besteht im Anbau von Winterbraugerste. Durch die Vorverlegung der Aussaat in den Herbst wird angestrebt, die hoffentlich während der Wintermonate aufgefüllten Bodenwasservorräte zu nutzen und entsprechend weniger Beregnungsaufwand im Frühjahr/Sommer betreiben zu müssen.

Versuchsergebnisse Winterbraugerstensorten

Seit Jahren werden in Zusammenarbeit mit in Niedersachsen ansässigen Züchtungsunternehmen geeignete Winterbraugerstensorten an insgesamt vier Standorten in Niedersachsen geprüft.

In den Versuchen wurden neben der langjährig geprüften Sorte KWS Liga mit KWS Somerset eine neuere Sorte im zweiten Jahr und die mehrzeilige Sorte KWS Faro im dritten Jahr geprüft. Vergleichend dazu fungiert die Futtergerste Quadriga als Referenzsorte zum Futtergerstensortiment. In der Regel dominieren für den Braugerstenanbau die zweizeiligen Sorten, da sie qualitativ stärker eingestuft werden. KWS Faro konnte allerdings nach den schwächeren letztjährigen Ergebnissen dieses Jahr wieder überzeugen. Qualitativ lag sie auf dem Niveau der etablierten Sorte KWS Liga (siehe Tabelle). KWS Somerset konnte sich auch im zweiten Jahr gegenüber KWS Liga durchsetzen, sowohl in der Ertragsleistung als auch in den Vermarktungseigenschaften. Im Rohproteingehalt lagen beide zweizeiligen Sorten mit 10,5 bzw. 10,8 % etwas höher, aber im erwünschten Bereich unterhalb von 11,5 % RP-Gehalt. Analog zur Futtergerste enttäuschten in diesem Jahr die Qualitätsparameter Hektolitergewicht (hl-Gewicht) sowie die Vollgerstenanteile (> 2,5 mm) bei den Sorten. Mit durchschnittlichen hl-Gewichten von 64 kg und Vollgerstenanteilen von 81 bis 87 % wurden die Normen nicht erfüllt. Besonders deutlich wurde die schwache Kornausbildung bei der Sortierung oberhalb 2,8 mm, wo die Werte mit 45 % gegenüber dem Vorjahr halbiert wurden.

Winterbraugerstenanbau – Durch Vorverträge absichern

Vorteile für die landwirtschaftliche Praxis bestehen bei Winterbraugerste gegenüber Sommerbraugerste auch in arbeitswirtschaftlicher Hinsicht (Aussaat ab Mitte September, früher Erntezeitpunkt) sowie im höheren Ertragspotential, besserer Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit und Tolerierung von Frühsommertrockenheit und damit letztlich in meist deutlich höheren und stabileren Erträgen.

Ein Vertragsanbau für Winterbraugerste ist in jedem Falle anzuraten, um den Absatz mit entsprechenden Preisaufschlägen auch absichern zu können. Mit der aufnehmenden Hand, in der Regel also dem Landhandel, sollten vor Aussaat möglichst klare Vereinbarungen getroffen werden, welche Sorten in Betracht kommen und welche Abrechnungsmodalitäten vorab vereinbart werden können.

Derzeit werden in Niedersachsen als Winterbraugerste im Vertragsanbau vornehmlich KWS Somerset und KWS Faro im begrenzten Umfang angebaut. Alle Sorten zeichnen sich im Prinzip durch recht gute Brauqualitäten aus, werden bei der Vermarktung jedoch oftmals preislich etwas schwächer als Sommerbraugerstensorten gehandelt. Gegenüber der mitgeprüften Futtergerste Quadriga lagen vor allem die zweizeiligen Braugerstensorten ertraglich deutlich zurück. Um hier ökonomische Vorteile durch den Winterbraugerstenanbau zu generieren, müssen entsprechende finanzielle Anreize bei der Vermarktung vorhanden sein, zumal es durchaus neuere ertragsstärkere Futtergerstensorten mit entsprechend höheren Marktleistungen gibt. Werden Ertragsunterschiede von ca. 8 % zwischen Futter- und Braugerste unterstellt, so müsste die Braugerstenware ca. 2 €/dt höher bewertet werden, um auf gleiche Erlöse zu kommen, das Risiko der Nichterfüllung von Qualitätskriterien ist dabei noch nicht berücksichtigt.

Die Sorten im Einzelnen:

KWS Somerset (zz) zeigte sich in den niedersächsischen Landessortenversuchen ertragsstärker und qualitativ besser als die bislang im Anbau befindliche Sorte KWS Liga. Mit guten Einstufungen gegenüber Ährenknicken und keinen ausgewiesenen Schwächen bezüglich Krankheiten hat KWS Somerset allgemein betrachtet bei geringen Rohproteingehalten, sehr hohen Vollgerstenanteilen und mittlerem bis hohem Hektolitergewicht gute Qualitätseigenschaften.

KWS Faro ist derzeit die einzige mehrzeilige Wintergerste, die die Braugerstenprüfung beim BSA erfolgreich abgeschlossen hat. Die sehr guten Ertragsleistungen in den Wert- oder auch LSV-Prüfungen machen die Sorte ökonomisch interessant, weil sie am ehesten das Ertragsniveau der Futtergersten erreichen kann. Anhand der steigenden Vermehrungszahlen zeigt sich, dass sie zunehmend Anklang auch bei den Verarbeitern findet. Dennoch ist insbesondere bei dieser Sorte ein Vertragsanbau anzuraten.

Umdenken im Braugerstenanbau?

Die Braugerstenanbauer haben seit zwei bis drei Jahren damit begonnen, neben den klassischen Winterbraugerstensorten auch Sommergerstensorten, speziell die vom Sortenvertreiber hierfür beworbene Sorte Leandra, im Spätherbst auszusäen. Mit der Sorte Prospect wird derzeit eine weitere Sommerbraugerste für die Spätherbstaussaat getestet. Durch die späte Aussaat soll ein Überwachsen im Herbst vermieden und damit die Gefahr der Auswinterung reduziert werden. Die Vorteile der insgesamt früheren Entwicklung im Frühjahr und die Reduzierung der Beregnungsgaben werden ebenfalls herausgestellt. Erste züchtereigene Versuchs- und Praxisuntersuchungen stützen diese These. In parallelen Versuchen mit Winterfuttergerste, Winterbraugerste, später Herbstaussaat im Oktober und der klassischen Frühjahrsaussaat von Sommerbraugerste am Standort Hamerstorf können die Praxiseindrücke bislang bestätigt werden (siehe Tabelle Vergleich unterschiedlicher Gersten Anbauverfahren), auch wenn speziell an diesem Standort die Spätfröste im Mai in beiden Jahren Empfindlichkeiten bei den Sommergersten aufzeigten. Die zweijährigen Ergebnisse zeigen trotz schwachen Ertragsniveaus deutliche Ertragsvorteile der Spätherbstaussaat gegenüber der normalen Frühjahrsaussaat. Auch im Vergleich zu den im Frühherbst ausgesäten Winterbraugerstenversuchen schnitten die Spätsaaten günstiger ab. Die Gefahr der Auswinterung wurde im vergangenen Winter glücklicherweise durch eine leichte Schneebedeckung während der kurzzeitigen Frostperiode im Februar mit Temperaturen von bis zu -20 °C gemildert; sie sollte aber als Risikofaktor in jedem Fall nicht außer Acht gelassen werden.

Zusammenfassung

Die ersten erfolgversprechenden Ergebnisse der späten Aussaat von Sommerbraugerste im Herbst sowie die verschärften Reglementierungen für Beregnungsmengen haben zu Änderungen im Anbauverhalten bei Braugerste geführt. Die Möglichkeit, Sommerbraugerste schon im Herbst oder Spätherbst auszusäen, hat nach den positiven Erfahrungen der beiden letzten Jahre bereits stärker in der Praxis Einzug gehalten. Ein mögliches Auswinterungsrisiko für Sommergerste in Herbstaussaat nehmen scheinbar viele Betriebe in Kauf, auch wenn in Einzeljahren eine Neuansaat im Frühjahr erforderlich sein könnte. Sicherer ist hier der Anbau von Winterbraugerstensorten, die allerdings oftmals auch nicht über die Winterhärte vieler Winterfuttergerstensorten verfügen und von der aufnehmenden Hand oftmals weniger nachgefragt werden.