Fasciolose oder "der gemeine Lebere(g)kel"
„Frau Hamann-Thölken, wir haben wieder Leberekel!“ sagt Herr XYZ am Telefon zu mir. Ich muss schmunzeln, denn dieser Spitzname ist zu Recht gewählt. Denn er meint Leberegel, die zur Gattung der Saugwürmer gehören.
Diese Parasiten treten in zwei verschiedenen Arten auf. Es gibt einen Kleinen Leberegel und den Großen Leberegel. Bei uns spielt der Große Leberegel (Fasciola hepatica) die Hauptrolle. Die Erkrankung die dadurch hervorgerufen wird heißt Fasciolose und der Hauptdarsteller zeigt dabei ungeniert sein „ekliges“ Gesicht.
Je nach Befallsstärke ruft er verschiedenste Schadwirkungen im Tier hervor, die von Minderzunahmen, schlechtem Wachstum, Milchrückgang bis hin zu Todesfällen reichen. Er lebt als erwachsenes Stadium in den Gallengängen der Leber, und bis er dorthin gelangt, macht er mehrere Entwicklungsschritte in der Außenwelt, in seinem Zwischenwirt, der Zwergschlammschnecke, und im Wirtstier selbst durch.
Der Entwicklungszyklus des Großen Leberegels
Die geschlechtsreifen Leberegel in den Gallengängen scheiden Eier aus, die über die Gallenflüssigkeit in den Darm und von dort mit dem Kot in die Außenwelt gelangen. Bei einer entsprechenden Feuchtigkeit auf der Weide, zum Beispiel in der Nähe von Gräben, Tümpeln oder einfach auf feuchten Flächen, auf denen es nach starkem Regen zu Überschwemmungen kommen kann, schlüpft eine Larve. Diese Larve kann nun die praktischerweise ebenfalls auf solchen Flächen vorkommenden Zwergschlammschnecken infizieren.
In diesem Zwischenwirt entwickeln sie sich zu weiteren Zwischenstadien, die von der Schnecke ausgeschieden werden und dann in der Außenwelt zur für den Wiederkäuer infektionsfähigen Form (Metazerkarie) heranreifen.
Die Metazerkarien werden mit dem Gras von den Tieren aufgenommen. Die Infektion kann auch über belastetes Heu, das von diesen Flächen stammt, erfolgen.
Die so aufgenommenen Stadien entwickeln sich zu Jungegeln, die nun eine Körperwanderung im Tier machen.
Dazu bohren sie sich durch die Darmwand um sich von dort auf mehr oder weniger direkten Weg zur Leber zu begeben. Bis zu ihrer vollständigen Ausreifung zum erwachsenen Leberegel vergehen ca. 8 Wochen. Dann setzen sich die Damen und Herren „Ekel“ in den Gallengängen fest und der nächste Zyklus kann beginnen.
Krankheitserscheinungen bei Fasciolose
Bereits kurz nach der Aufnahme beginnt das Wanderstadium und bald darauf zeigen sich die ersten Symptome. Ihre Stärke ist abhängig von der aufgenommenen Zahl der Metazerkarien. Oft ist am Anfang Durchfall zu beobachten. Die kleinen, aber massenhaften Verletzungen in der Darmwand und in den Geweben die durchwandert werden, rufen Blutungen, Entzündungsreaktionen und Abwehrreaktionen hervor.
Die Jungegel, die in der Leber ankommen, schädigen unmittelbar das Lebergewebe.
Die kleinen „Ekel“ sind gefräßig und verwenden das gefressene Lebergewebe zum Aufbau der eigenen Körpermasse. Es wird also, je nach Befallsstärke, ein unter Umständen erheblicher Anteil des Lebergewebes geschädigt und die Leber in ihrer Funktion beeinträchtigt.
Die Tiere zeigen Appetitlosigkeit, brüchiges Vlies, Schwäche, Blutarmut und evtl. Gelbsucht. Jungtiere entwickeln sich schlechter oder kümmern. Tragende Schafe können verlammen, bei säugenden oder gemolkenen Muttern geht die Milch zurück. Schmerzhaftigkeit im Bauchraum zeigt sich durch Bewegungsunlust oder vorsichtiges Gehen mit aufgezogenen Bauchdecken.
Bei einigen Tieren entsteht ein Kehlgangsödem (Flaschenhals).
Je nach Stärke und Dauer der zunächst eher unauffällig verlaufenden Infektion werden die Symptome deutlicher bzw. stärker. Besteht sie längere Zeit unbehandelt, verändert sich die Leber.
Die Gallengänge sind z.T. extrem verdickt und das Organ selbst wird brüchig und narbig. Todesfälle durch Verbluten oder Leberversagen kommen vor.
Diagnose des Leberegelbefalls
In der Regel befinden sich nicht alle Tiere einer Herde im gleichen Krankheitstadium. Doch
der zeitliche Zusammenhang, 2-3 Monate nach dem Austrieb zeigen sich bei den ersten Tieren mehr oder weniger deutliche klinische Erscheinungen, möglicherweise sogar Todesfälle, lässt einen Verdacht aufkommen.
In der Kotuntersuchung kann man ausgeschiedene Leberegeleier nachweisen. Dieses gelingt aber nur, wenn auch bereits erwachsene Egel vorhanden sind. Zum frühen Zeitpunkt der Infektion sind zwar Krankheitserscheinungen am Tier feststellbar aber noch keine Leberegeleier im Kot nachzuweisen. Außerdem verläuft auch die Ausscheidung der Eier unregelmäßig.
Werden also Eier im Kot nachgewiesen, ist dieses beweisend für eine Infektion. Wenn nicht, ist keineswegs ein Befall ausgeschlossen.
Bei einer Blutuntersuchung geben veränderte Leberwerte Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Leberfunktion.
Neuerdings gibt es auch Ansätze zur Untersuchung auf Antikörper gegen Leberegel im Blut. Ob diese Untersuchung Vorteile gegenüber der Kotuntersuchung zeigt bleibt abzuwarten.
In der Tierkörpersektion können Gewebsveränderungen in Gallengängen, Leber und anderen Organen sowie die ekligen Herrschaften selbst festgestellt werden.
Behandlung
Als weidehygienische Maßnahme sollte man, wenn möglich, feuchte Standorte meiden. Auf verdächtigen Flächen Feuchtstellen, Teiche und Gräben auszäunen. Das zielt darauf ab, die Aufnahme der Metazerkarien zu unterbinden und gleichzeitig den Kontakt bereits vorhandener Eier mit der Schnecke zu verhindern. Das ist allerdings häufig nicht möglich.
Die Schneckenbekämpfung, beispielsweise mit Schneckengift ist auch aus Umweltschutzgründen nicht durchführbar. Außerdem können auch bei kurzfristiger Feuchtigkeit auf sonst trockenen Flächen nasse Stellen entstehen in denen sich die Schnecken schnell ansiedeln.
Zur Behandlung stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung. Die meisten wirken auf die erwachsenen „Ekel“ in der Leber. Wenn keine Neuinfektion zu erwarten ist, also z.B. vor Aufstallung, kann die Behandlung ausreichen um die Leberegel auszutreiben. Es gibt außerdem Mittel, welche auch auf die jungen Stadien wirken. Diese Präparate unterbrechen die Entwicklung der Parasiten im Tier und so kommen die Schadwirkungen nicht zur Ausprägung.
Zusammenfassend: bei regelmäßiger Kotuntersuchung unter Einbeziehung des jeweiligen Standortes der Tiere, verbunden mit den möglichen Vorbeugemaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten, kann tatsächlich der eingangs gemachten Feststellung: „Wir haben Leberekel!“ der Schrecken genommen werden.
Viel Erfolg dabei!
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