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Wissenschaftliche Empfehlungen vs. Praxis

Webcode: 01042800
Stand: 01.03.2024

In der Praxis liegen die Aminosäurengehalte der Schweinefutter ab der Mittelmast häufig über den wissenschaftlichen Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE), die Basis der Empfehlungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen sind. Die GfE-Empfehlungen beziehen sich nicht auf Gehalte je kg Mischfutter, sondern auf die Mengen an praecaecal verdaulichen Aminosäuren pro Tier und Tag. Es gibt Empfehlungen für die Mast allgemein und für weibliche Schweine und Börge mit sehr hohem Proteinansatz. Die Empfehlungen aus dem Jahr 2006 berücksichtigen zum Mastende keine Tageszunahmen von mehr als 1000 g. Folglich müssen die Werte für ein höheres Leistungsniveau extrapoliert werden. Zudem müssen die Brutto-Aminosäurengehalte aus den verdaulichen Gehalten mit einer angenommenen Verdaulichkeit errechnet werden. In einem Versuch hat die LWK Niedersachsen geprüft, ob Praxisrationen mit einer höheren Aminosäurenausstattung zu Leistungsverbesserungen gegenüber nach wissenschaftlichen Empfehlungen konzipierten Rationen führen.

Zwei Futtergruppen mit dreiphasiger Fütterung

In der Leistungsprüfungsanstalt Quakenbrück wurden 112 Ferkel (Topigs TN Tempo x Topigs TN 70) nach Gewicht und Geschlecht auf zwei Futtergruppen verteilt und in Zweierbuchten gehalten. Die Kontrollgruppe erhielt die Praxisrationen und die Versuchsgruppe die Mischungen mit den wissenschaftlich abgeleiteten Aminosäurengehalten. Die Tiere wurden dreiphasig gefüttert. In der Anfangsmast bis 65 kg erhielten beide Gruppen das gleiche Futter mit 16,5 % Rohprotein (Tabelle 1).

 

Tabelle 1: Übersicht über die zwei Futtergruppen (Daten der Futteroptimierung)

 

 

 

Kontrollgruppe

Praxis

Versuchsgruppe

Wissenschaft

 

Mastabschnitt

 

kg

AM

 28-65

MM

65-90

EM

90-122

AM

28-65

MM

65-90

EM

90-122

Rohprotein

Lysin

Methionin+Cystin                

Threonin

Tryptophan

Valin

Phosphor

ME

%

%

%

%

%

%

%

MJ/kg

16,5

1,15

0,63

0,75

0,21

0,76

0,50

13,2

15,5

1,03

0,58

0,68

0,19

0,71

0,45

13,0

13,5

0,93

0,53

0,61

0,17

0,63

0,42

12,8

16,5

1,15

0,63

0,75

0,21

0,76

0,50

13,2

14,0

0,87

0,52

0,57

0,16

0,64

0,45

13,0

13,0

0,76

0,49

0,51

0,15

0,61

0,42

12,8

 

Das Mittelmastfutter der Kontrollgruppe war mit 15,5 % Rohprotein und 1,03 % Lysin und das der Versuchsgruppe mit 14,0 bzw. 0,87 % konzipiert. In den Endmastfuttern waren 0,93 bzw. 0,76 % Lysin geplant. Die Aminosäurenrelationen sollten 100:55:65:18:65 betragen, wichen aber in der Futteroptimierung teilweise etwas ab. Die Mischfutter wurden unterschiedlich mit Aminosäuren ergänzt.

 

Tabelle 2: Ergänzung freier Aminosäuren

 

 

Kontrollgruppe

Versuchsgruppe

 

AM

MM

EM

MM

EM

Lysin

x

x

x

x

x

Methionin

x

x

x

x

 

Threonin

x

x

x

x

x

Tryptophan

x

x

x

 

 

Valin

x

 

x

 

 

 

Die Pelletfütterung erfolgte ad libitum. Die Prüfung umfasste den Gewichtsbereich von 28 bis 122 kg. Zwischenwägungen wurden bei jedem Futterwechsel vorgenommen.

 

Tabelle 3: Futteranalysen

 

 

Kontrollgruppe

Praxis

Versuchsgruppe

Wissenschaft

 

 

AM

MM

EM

AM

MM

EM

Rohprotein

Lysin

Methionin+Cystin                

Threonin

Valin

Phosphor

ME

%

%

%

%

%

%

MJ/kg

16,9

1,21

0,61

0,68

0,71

0,49

13,3

15,5

0,99

0,56

0,63

0,73

0,47

13,1

12,9

0,94

0,52

0,55

0,66

0,44

12,8

16,6

1,12

0,61

0,73

0,74

0,51

13,2

14,1

0,85

0,55

0,58

0,69

0,44

13,1

13,2

0,77

0,48

0,47

0,62

0,44

12,7

 

Die geplanten Gehalte wurden unter Berücksichtigung des Analysenspielraums bestätigt.

 

Tageszunahmen von 1150 g

Im Mittel lagen die Tageszunahmen bei 1156 g. In der Kontrollgruppe mit den Praxisrationen wurden 1146 g und in der Versuchsgruppe mit den Mischungen nach wissenschaftlichen Empfehlungen 1166 g Tageszunahmen erreicht. Der Futteraufwand je kg Zuwachs unterschied sich nicht signifikant (2,43 vs. 2,42 kg), dies traf ebenso für den täglichen Futterverbrauch zu (2,78 vs. 2,82 kg). In der Endmast ab 90 kg LG erzielten die Schweine sehr hohe Tageszunahmen von 1187 bzw. 1228 g. Die Schlachtkörper wurden nach AutoFOM klassifiziert. Die Indexpunkte je kg Schlachtkörpergewicht betrugen 1,001 in der Kontroll- und 1,002 in der Versuchsgruppe. Es gab nur einen gesicherten Unterschied: Die Versuchsgruppe wies ein höheres Bauchgewicht auf.

 

Tabelle 4: Mastleistung und Schlachtkörperbewertung

 

 

Kontrollgruppe

Praxis

Versuchsgruppe

Wissenschaft

Anzahl Tiere

Anfangsgewicht

Endgewicht

Mastleistung bis 65 kg LG

Tageszunahmen

Futterverbrauch/Tag

Futteraufwand/kg Zuwachs

Mastleistung von 65 - 90 kg LG

Tageszunahmen

Futterverbrauch/Tag

Futteraufwand/kg Zuwachs

Mastleistung von 90 - 124 kg LG

Tageszunahmen

Futterverbrauch/Tag

Futteraufwand/kg Zuwachs 

Mastleistung gesamt

Tageszunahmen

Futterverbrauch/Tag

Futteraufwand/kg Zuwachs

 

kg

kg

 

g

kg

kg

 

g

kg

kg

 

g

kg

kg

 

g

kg

kg

55

28,0

123,8

 

1084

2,13

1,97

 

1210

2,79

2,32

 

1187

3,58

3,04

 

1146

2,78

2,43

54

28,2

123,4

 

1101

2,19

1,99

 

1208

2,86

2,37

 

1228

3,62

2,98

 

1166

2,82

2,42

 

Schlachtkörpergewicht

Schlachtausbeute

Schinken

Lachs

Schulter

Bauch

MFA Bauch

Speckmaß

Fleischmaß

Indexpunkte/kg

kg

%

kg

kg

kg

kg

%

mm

mm

97,0

78,2

18,7

7,4

9,2

13,8a

58,6

13,5

64,8

1,001

96,5

78,3

18,7

7,4

9,2

14,0b

58,9

13,3

64,1

1,002

 

Futterkosten

Die Berechnung der Futterkosten beruht auf den Nettopreisen im Versuchszeitraum (Oktober 2023 bis Januar 2024). Die Futterkosten je 100 kg Zuwachs lagen in der Kontrollgruppe (Praxis) bei 81,03 € und in der Versuchsgruppe bei 79,10 €. Daraus ergibt sich ein Kostenvorteil von 1,93 € je 100 kg Zuwachs zugunsten der Versuchsgruppe.

 

Nährstoffausscheidungen

Je Tier wurden folgende Stickstoff- und Phosphat-Ausscheidungen ermittelt:

Kontrollgruppe:                                                        3,10 kg N und 1,29 kg P2O5

Versuchsgruppe:                                                     2,88 kg N und 1,29 kg P2O5

 

Somit schieden die Tiere der Versuchsgruppe, die nach wissenschaftlichen Empfehlungen versorgt wurden, 7 % weniger Stickstoff aus.

 

Kalkulation der Lysinversorgung in der Endmast

Die Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie beziehen sich auf praecaecal verdauliche (pcv=dünndarmverdauliche) Aminosäuren und werden in Gramm pro Tag angegeben. Für ein Zunahmeniveau von mehr als 1200 g ab 90 kg LG existieren bisher keine Empfehlungen, deshalb werden die Werte für die Endmast für die folgende Kalkulation hochgerechnet. Weibliche Tiere mit sehr hohem Proteinansatz benötigen hiernach etwa 25,2 g pcv Lysin je Tag und Kastraten 23,6 g, im Mittel 24,4 g pcv Lysin je Tag. Bei einer angenommenen Lysinverdaulichkeit von 90 % ergibt sich bei einem Futterverbrauch von 3,6 kg/Tag in diesem Versuch ein Brutto- Lysingehalt im Endmastfutter von 0,75 %. Dieser Wert konnte in dieser Untersuchung bestätigt werden. Wird eine Verdaulichkeit von 85 % unterstellt, resultiert ein Brutto-Lysingehalt von 0,80 %.

 

Fazit

In diesem Mastversuch wurden Praxisrationen mit höheren Aminosäurengehalten in der Mittel- und Endmast mit den Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie verglichen. Die Lysingehalte der Kontrollgruppe (Praxisration) lagen 0,16 bzw. 0,17 Prozentpunkte über denen der Versuchsgruppe (wissenschaftliche Empfehlungen). In der Kontrollgruppe wurden 1146 g und in der 1166 g Tageszunahmen erreicht. Der Futteraufwand je kg Zuwachs unterschied sich nicht signifikant, dies traf ebenso für den täglichen Futterverbrauch zu (2,78 vs. 2,82 kg). Die Indexpunkte je kg Schlachtkörpergewicht betrugen 1,001 in der Kontroll- und 1,002 in der Versuchsgruppe. Nur im Bauchgewicht trat ein gesicherter Unterschied auf.

 

 

In der Versuchsgruppe lagen die Futterkosten je 100 kg Zuwachs um 1,93 € niedriger, die Stickstoffausscheidungen waren um 7 % reduziert.

 

Die Tiere der Versuchsgruppe konnten mit einer niedrigeren Aminosäurenversorgung gleiche Leistungen wie die Kontrollgruppe mit den Praxisrationen erzielen. Eine Schlussfolgerung dieses Versuches ist, dass bei hohen Futteraufnahmen die Gehalte an Aminosäuren merklich gesenkt werden können. Dadurch lassen sich Futterkosten sparen und Nährstoffausscheidungen senken! Eine bedarfsgerechte Versorgung ist immer noch gewährleistet.