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REVIEW

Reduktion der Stickstoffemission im Gemüseanbau durch Reduzierung der Düngung und der Lebensmittelverluste in der Wertschöpfungskette

Beginn: 16.03.2020 / Ende: 30.11.2023

Eissalat
EissalatErich Klug

Wie beeinflusst eine reduzierte N-Düngung die Qualität gemüsebaulicher Erzeugnisse? Und können Produkte, die „nur“ die gesetzlichen Qualitätskriterien erfüllen, am Markt bestehen?  

Ausgangslage
Für eine erfolgreiche Vermarktung ist im Anbau von Frischgemüse neben dem Ertrag vor allem die Qualität ein entscheidender Faktor. Anforderungen an z. B. Größe, Gewicht und Ausfärbung der Produkte werden über gesetzliche Vermarktungsnormen sowie zusätzlich über handelseigene Qualitätsstandards definiert. Diese können nur durch eine ausreichende Versorgung der Pflanzen mit Nährstoffen erreicht werden. Stickstoff (N) kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Jedoch unterliegt N dem Risiko des Austrages in die Umwelt. In der Landwirtschaft ist es daher Teil der guten fachlichen Praxis, solche N-Austräge möglichst zu vermeiden bzw. auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die Erzeuger stehen somit vor der Herausforderung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Erzeugung einerseits mit den hohen Qualitätsanforderungen bei der Vermarktung andererseits zu vereinbaren.

Zielsetzung
Speziell mit dem Fokus auf den Freilandgemüsebau wirken in dem Verbundprojekt REVIEW erstmalig Akteure aller Ebenen der Wertschöpfungskette, d. h. Produktion, Handel und Verbraucher, zusammen. Ziel ist es, die Stickstoffemissionen im Gemüseanbau durch eine reduzierte Düngung zu senken und dennoch Gemüse zu produzieren, welches die Qualitätsanforderungen der gesetzlichen Vermarktungsnormen erfüllt und von Handel und Verbrauchern akzeptiert wird.

Projektdurchführung
Die Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen führt hierzu in Kooperation mit Gemüsebaubetrieben in Niedersachsen Feldversuche unter Praxisbedingungen durch. In den vergangenen zwei Jahren wurden die Versuche mit den Betrieben Mählmann Gemüsebau GmbH & Co. KG sowie der Behr AG/AMG durchgeführt. Für das letzte Projektjahr konnte im Projektverbund ein dritter Betrieb, Gemüsebau Biewener, für das Projekt gewonnen werden. Untersucht werden als Modellkulturen die vier flächenmäßig bedeutsamen Gemüsearten Blumenkohl, Brokkoli, Kohlrabi und Eissalat. Über einen Zeitraum von drei Jahren wird die Frage betrachtet, welche Auswirkungen eine 20%ige Reduzierung des zuvor ermittelten, kulturspezifischen N-Bedarfes auf den Ertrag und die äußere Qualität der vier Gemüsearten hat.

Versuche im deutschen Gemüsebau zeigen, dass eine Reduzierung der Düngung bei bestimmten Gemüsekulturen zu kleineren Gewichten und Größen führen kann. Die in diesem Projekt gewählten Kulturen haben unterschiedliche N-Bedarfe. Es wird daher erwartet, dass die Kulturen unterschiedlich auf eine Reduzierung des N-Angebotes reagieren. In dem Projekt soll zunächst unter Praxisbedingungen eine Datengrundlage geschaffen und untersucht werden, ob und inwieweit eine reduzierte N-Düngung die Qualität des Gemüses beeinflusst.

Ein weiterer Fokus in dem Projekt liegt bei der Vermarktung von Frischgemüse mit veränderter Produktaufmachung in Größe, Gewicht und Form. In 35 Märkten des Projektpartners EDEKA Minden-Hannover werden in Niedersachsen und Ostwestfalen die vier Gemüsearten in kleineren Kalibern als üblich und der Kohlrabi ohne Laub über ein spezielles Marketing-Konzept angeboten. In Fokusmärkten werden durch die Hochschule Osnabrück zusätzlich Daten zum Abverkauf des Gemüses und zu den Abschriften gesammelt, um Informationen über den Vermarktungserfolg und ggfs. Verluste zu erhalten. Zusätzlich werden Verbraucherinnen und Verbraucher in Kurzinterviews durch die Hochschule Osnabrück befragt.

Die produzierenden Gemüsebaubetriebe sowie EDEKA Minden-Hannover bringen sich ohne Förderzuschuss in dieses Projekt ein. Die Projektkoordination liegt bei der LWK Niedersachsen.

Kontakt

Dr. Hendrik Führs
Dipl.-Ing. agr.
Dr. Hendrik Führs

Leiter Fachbereich Beratung und Qualitätsmanagement im Gartenbau

0511 4005-2314

hendrik.fuehrs~lwk-niedersachsen.de


Melanie Seehausen
M.Sc.
Melanie Seehausen

Leiterin Sachgebiet Produktqualität im Gartenbau

0511 4005-2310

0152 0623 8561

melanie.seehausen~lwk-niedersachsen.de

Wasseem Suleiman
M.Sc.
Wasseem Suleiman

Projekt REVIEW

0511 4005-2315

0171 3643 393

wasseem.suleiman~lwk-niedersachsen.de

Dipl.-Ing. (FH)
Sven Epkes

Produktqualität im Gartenbau

04141 5198-31

sven.epkes~lwk-niedersachsen.de


Waqas Adeel
M.Sc. hort.
Waqas Adeel

04447 9623-19

0151 5768 2987

waqas.adeel~lwk-niedersachsen.de

Beiträge aus dem Projekt-Blog

20.06.2022
Führs, Hendrik

Mindeststandards durch gesetzliche Normen
Die Frische und Verzehrbarkeit von Obst und Gemüse im Handel und für die Verbraucher werden in der EU durch gesetzliche Vermarktungsnormen gesichert. Insbesondere im Zusammenhang mit Lebensmittelverschwendung werden den gesetzlichen Normen oftmals überhöhte Ansprüche an das äußere Erscheinungsbild von Obst & Gemüse unterstellt. Die gesetzlichen Normen geben jedoch ausschließlich Mindeststandards an die Qualität von frischem Obst und Gemüse vor, die Mängel zulassen und gleichzeitig die Verwertbarkeit der Erzeugnisse garantieren. Die Normen bieten zudem eine Klassifizierung (Klasse Extra, I und II), die an äußeren Merkmalen festgemacht wird, und zugleich Spielraum lässt für optisch nicht perfekte Ware.

Qualitätskontrolle
QualitätskontrolleWolfgang Ehrecke
Hohe Qualitätsstandards bei Verbrauchern und Handel
Größe, Form, Farbe und Frische - für den Verbraucher sind dies wichtige Qualitätskriterien beim Kauf von frischem Obst und Gemüse. Heute sind die Verbraucher bestimmte Qualitätsstandards - vor allem beim Äußeren wie Form und Größe - bei frischem Obst und Gemüse gewohnt, die oft über die Qualitätsanforderungen der gesetzlichen Normen hinaus gehen. Diese höheren Qualitätsansprüche des Handels können als Folge des Wettbewerbs gesehen werden. Bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern haben sie die Erwartungen an diese Produkte und damit den Qualitätsstandard über die Zeit neu definiert.

Blumenkohl in Kiste auf Feld
Blumenkohl in Kiste auf FeldWolfgang Ehrecke
Probleme hoher Qualitätsanforderungen
Solche hohen Qualitätsstandards können jedoch nur erreicht werden, wenn Obst und Gemüse im Anbau intensiv versorgt werden. Die Erzeugerinnen und Erzeuger richten sich dabei nach den Leitlinien der guten fachlichen Praxis und den vielfältigen gesetzlichen Vorgaben, wie z. B. zur Düngung. Die Vereinbarkeit von hohen Qualitätsanforderungen von Handel und Verbraucher mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die auf eine möglichst nachhaltige Produktion abzielen, stellt für die Gemüsebaubetriebe eine zunehmende Herausforderung dar.

Bereits jetzt können diese hohen Qualitätsanforderungen aufgrund verschiedener Gegebenheiten (z. B. Witterung) nicht immer eingehalten werden. Die Folge: Obst und Gemüse wird entweder erst gar nicht geerntet oder wird in der Wertschöpfungskette entsorgt. Wenn die Erzeugnisse aber noch die Mindestqualitätsstandards der gesetzlichen Normen erfüllen, kann in diesen Fällen von Lebensmittelverschwendung gesprochen werden, die es hinsichtlich des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit zu vermeiden gilt!

Eine Verhaltensänderung aller Akteure der Wertschöpfungskette bis zum Verbraucher kann dazu beitragen, den Lebensmitteln wieder mehr Wertschätzung zu geben und damit einen Beitrag zur Reduzierung der Lebensmittelverluste und zum Umweltschutz zu leisten. Hierfür müssen zum einen bei der Vermarktung die gesetzlichen Vermarktungsnormen deutlich stärker angewandt werden. Zum anderen müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre hohen, insbesondere äußeren Qualitätsanforderungen an die Produkte überdenken. Dazu zählt zum Beispiel auch die Akzeptanz von variablerer Ware im Regal, die ggf. optisch nicht immer perfekt ist.

Ob dies gelingen kann, wird in dem von der LWK Niedersachsen koordinierten Verbundprojekt REVIEW untersucht.

 
20.06.2022
Führs, Hendrik

Der Hauptnährstoff Stickstoff (N) hat einen starken Einfluss auf den Ertrag sowie auf die innere und äußere Qualität von Gemüse. Die vier im REVIEW-Projekt untersuchten Gemüsearten Salat, Kohlrabi, Blumenkohl und Brokkoli werden wie viele Gemüsearten im vollen vegetativen Wachstum geerntet. Sie stellen somit zu diesem Zeitpunkt die höchsten Ansprüche an eine ausreichende N-Versorgung. Um zum Zeitpunkt der Ernte eine optimale Qualität zu erreichen, muss ein bestimmter Mindestvorrat an Stickstoff im Boden vorhanden sein. Andernfalls würden Mangelsymptome, wie z. B. eine Gelbfärbung der Blätter, auftreten und die Erzeugnisse nicht mehr vermarktungsfähig sein.

Qualitätskontrolle
SalatWolfgang Ehrecke
Aus diesem Grund unterliegt der Freilandgemüsebau einem erhöhten Austragsrisiko für Stickstoff. Die Steuerung der N-Mengen im Boden ist allerdings von vielen, sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren abhängig, auf die der Produzent nur in einem gewissen Rahmen Einfluss nehmen kann. Stickstoff unterliegt im Boden unterschiedlichen Umsetzungsprozessen und wird z. B. durch Bakterientätigkeit aus Pflanzenresten geernteter Feldfrüchte und Humus freigesetzt. Der Fachbegriff dafür lautet „Mineralisation“. Wichtigster Faktor, der die Geschwindigkeit der Mineralisation beeinflusst, ist die Witterung. Besonders Feuchtigkeit und Temperatur haben einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe der N-Freisetzung im Boden.

In solch einem komplexen Gefüge kann es somit auch bei einem Vorgehen nach guter fachlicher Praxis immer wieder vorkommen, dass der Stickstoff aus dem Boden nicht genau dann zur Verfügung steht, wenn die Pflanze ihn braucht oder genau dann zur Verfügung steht, wenn sie ihn gerade nicht braucht.

Der Produzent steht damit also vor der Herausforderung, zum Zeitpunkt der Ernte den Stickstoffgehalt im Boden auf das notwendige Maß zu reduzieren und gleichzeitig Erzeugnisse mit optimaler Qualität zu liefern.

Diesen Herausforderungen stellt sich der Gemüsebau – in Praxis und Forschung - seit langem. Ziel dabei ist, praxistaugliche Möglichkeiten zu finden, die freiwerdenden N-Mengen möglichst gut abschätzen und die dann noch notwendige Düngemenge möglichst bedarfsgerecht kalkulieren und ausbringen zu können.

Deshalb wurde für den deutschen Gemüsebau anhand von Feldversuchen ein System entwickelt, mit dem man bestimmen kann, welcher Stickstoffvorrat im durchwurzelten Boden zum Zeitpunkt der Ernte vorhanden sein sollte, um eine optimale Versorgung der Pflanze zu gewährleisten1. Dieser Vorrat entspricht damit der oben erwähnten guten fachlichen Praxis.

In der Wertschöpfungskette für Frischgemüse bis hin zum Verbraucher ein Bewusstsein für die Relevanz der Stickstoffdüngung schaffen

Qualitätskontrolle
KohlrabiWolfgang Ehrecke
Mit Blick auf die erforderliche Vermarktungsqualität von frischem Gemüse ist es notwendig, das Thema N-Versorgung über die Produktionsbetriebe hinaus in die Wertschöpfungskette bis zum Verbraucher zu denken. Als Beispiel kann hier ein Projekt2 in der Pfalz genannt werden. Die Projektbeteiligten kamen nach Abschluss des Projektes zu dem Schluss, dass durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen eine Verringerung der Gefährdung des Grundwassers durch Stickstoffauswaschung sehr gut möglich ist. Es wird abschließend ein Konzept vorgeschlagen. Dabei wird zunächst das Anbauverfahren analysiert und geschaut, welche Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffausträge auf dem Acker am besten funktionieren können. Danach werden die Maßnahmen unter anderem daraufhin untersucht, welche betriebswirtschaftlichen Konsequenzen daraus entstehen, um dann am Ende die wirksamsten und vertretbaren Maßnahmen auszuwählen und umzusetzen.

Der Konzeptvorschlag verdeutlicht, dass erfolgreiche Maßnahmen zur Reduzierung von Stickstoffausträgen in das Grundwasser nicht nur auf dem Acker, sondern letztlich über den Handel bis zum Verbraucher gedacht werden können und müssen. Faktoren wie unterschiedliche Qualitätsanforderungen und -wünsche und damit verbunden die kontinuierliche Lieferfähigkeit qualitativ hochwertiger Ware müssen zusammen gedacht werden.


1 Feller, C.; Fink M.; Laber, H.; Maync, A.; Paschold, P.; Scharpf, H.C.; Schlaghecken, J.; Strohmeyer, K.; Weier, U.; Ziegler, J. (2011) Düngung im Freilandgemüsebau. In: Fink, M. (Hrsg.): Schriftenreihe des Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ), 3. Auflage, Heft 4, Großbeeren.

2 Wiesler, F, Laun, N, Armbruster M (2008): Integriertes Stickstoffmanagement – eine Strategie zur wirksamen Verringerung der Gewässerbelastung im Gemüsebau, Agrarspektrum (4), 95 - 108