Probleme rund um`s Melken und mit der eingesetzten Melktechnik? Warum sich nicht mal auf das Wesentliche beschränken!
Was gibt es Schlimmeres, als mindestens zweimal täglich in das Stallzeug zu schlüpfen und mit Wiederwillen die nächsten anderthalb oder zwei Stunden unzufriedene Blicke langer, schwarzbunter Gesichter zu ertragen und auf der Hut vor unruhigen Kühen zu sein, die sich im Zweifelsfall mit gezielten Hieben der Hinterläufe gegen den maschinellen Milchentzug zur Wehr setzen! Dabei sind es ein paar einfache, grundsätzliche Dinge, die wieder für die nötige Entspannung im Melkstand sorgen können.
Der Eintrieb in den Melkstand
Dies sollte schon mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit erfolgen, sofern die Kühe den Melkstand denn auch gern und freiwillig betreten. Bei einem vorgelagerten Vorwartehof sollte dieser nicht größer sein, dass die Wartezeit nicht über 1,5 Stunden hinausgeht. Für den Platzbedarf sind min. 1,5 m² pro Kuh zu kalkulieren. Bei einer Nachtreibehilfe sollte diese mit einem akustischem Signal ausrüstet sein. Auf den Einsatz von Strom sollte in diesem Bereich nach Möglichkeit verzichtet werden.
Die Melkroutine
Bekannter Maßen handelt es sich bei der Milchabgabe um einen neurohormonellen gesteuerten Vorgang, dem durch eine entsprechende Stimulation Rechnung getragen werden muss. Durch den Berührungsreiz des Vormelkens – möglichst in einen Vormelkbecher – und der anschließenden Zitzen- und Zitzenkuppenreinigung kommt es zur Ausschüttung des Oxytocins, welches nach einer Induktionszeit von 60 – 90 sec. seinen höchsten Schwellwert erreicht und zur Kontraktion der Milchdrüsen umgebenden Korbzellen führt. Es kommt zu dem so genannten Milcheinschuss.
Wie sollte nun die Melkroutine aussehen?
Beim Vormelken mit Melkerhandschuhen reichen 2 – 3 kräftige Milchstrahlen aus um die Zitzenzisternenmilch abzumelken und diese dann auf sinnfällige Veränderungen prüfen zu können. Für die Zitzenreinigung haben sich trockene oder schleuderfeuchte Mehrwegtücher bewährt, die in der Zwischenmelkzeit gewaschen werden und zur nächsten Melkzeit wieder zur Verfügung stehen. Bei der Verwendung von gebrauchsfertigen, feuchten Eutertüchern sollten sie darauf achten, dass die Reinigungslösung keinen Alkohol enthält, da dieser zum Austrocknen der Zitzenhaut neigt und diese auf lange Sicht spröde und rissig werden lässt.
Nach der ausreichenden Stimulation mehrerer Kühe – in einem Gruppenmelkstand sind das zwischen 5 und 8 Kühe – werden die Melkzeuge in der gleichen Reihenfolge angesetzt. Dies sollte mit der nötigen Sorgfalt geschehen. Insbesondere sollten übermäßige Lufteinbrüche während des Ansetzens der einzelnen Zitzenbecher vermieden werden, die hohe Vakuumschwankungen verursachen und den übrigen Melkverlauf negativ beeinflussen. Kritisch sind in diesem Zusammenhang die hohen Luftgeschwindigkeiten, die unkontrollierte Milchrückflüsse in Richtung des Strichkanals, bereits angesetzter Zitzenbecher, zur Folge haben und somit Mastitiserreger von Viertel zu Viertel übertragen.
Nach dem Ansetzen der Melkzeuge ist eine gute Positionierung des Melkzeuges von großer Bedeutung. Ist eine ausreichende Positionierung bei herkömmlichen 30° Melkständen oder Tandemmelkständen durch den Einsatz eines Servicearms gegeben, mehren sich dies bezüglich die Probleme bei den Melkstandformen, bei denen das Melkzeug durch die Hinterbeine der Kühe angesetzt wird! Hier sind insbesondere der 50° Fischgrätenmelkstand, der Side-by-Side-Melkstand und der seit mehreren Jahren vermehrt installierte Swing-Over-Melkstand zu nennen. Es gilt, durch geeignete Maßnahmen, die einfach und kostengünstig seien können, das Gewicht des langen Milchschlauches abzufangen und durch eine gute Milchschlauchführung ein Verdrehen des Melkzeuges zu verhindern. Beides führt bei Nichtbeachten zu einer ungleichmäßigen Viertelbelastung des Euters und somit zu einem unterschiedlich schnellen Ausmelken der einzelnen Euterviertel. Die Druckbelastung des Zitzengewebes durch Vakuum und Pulsation - insbesondere der Zitzenkuppe - ist bei den vorzeitig ausgemolkenen Eutervierteln sehr hoch und kann zur Bildung von Hyperkeratosen führen, die den freien Eintritt von Mastitiserregern durch den Strichkanal bedeuten – vermehrte Euterentzündungen sind die Folge.
Die richtige Wahl des Zitzengummis
Grundsätzlich wird bei Zitzengummis nach Größe, Material, Festigkeit, und Form unterschieden. Um den für die Herde passenden Zitzengummi zu finden, sollte in regelmäßigen Abständen eine Zitzenbonitur durchgeführt werden. An der stimulierten Zitze werden jeweils Durchmesser und Länge gemessen. Die ermittelten Werte werden tabellarisch erfasst und daraus ein Mittelwert gebildet, der dann eine Empfehlung auf den möglich passenden Zitzengummi gibt. Bei der Größe des Zitzengummis sind der Kopflochdurchmesser und der Schaftdurchmesser entscheidend. Ein passendes Kopfloch vermeidet Einschnürungen an der Zitzenbasis der Zitze, ein passender Schaft sorgt für eine möglichst lange Haftreibung zur Zitze und verhindert ein vorzeitiges „Klettern“ des Zitzenbechers. Herkömmlich schwarzes Gummi (NBR) oder Silicon sind die Materialen aus denen heute Zitzengummis hergestellt werden. Beim Einsatz von Silicon-Zitzengummis ist auf eine ausreichende Temperatur bei der Melkanlagenreinigung zu achten um die Fettaufnahme des Silicons auf ein Minimum zu reduzieren. Durch diese Eigenschaft verliert das Seliconzitzengummi an Elastizität und somit seine guten Melkeigenschaften. Bei Zitzengummis – unabhängig vom Material – sollten immer die vom Hersteller empfohlenen Zitzengummis eingesetzt und die vorgeschriebenen Wechselinterwalle eingehalten werden. Das sind in der Regel 750 Stunden bei schwarzen Zitzengummi bzw. 1500 Stunden bei Silicon-Zitzengummis.
Die Festigkeit eines Zitzengummis wird durch den Einfaltdruck angegeben und wird über den sogenannten Teachpunkt ermittelt. Das ist der Punkt, wo sich bei eingebautem Zitzengummi die gegenüberliegenden Schaftwandungen berühren. Der Einfaltdruck ist wichtig um die richtige Betriebsvakuumhöhe zu bestimmen.
Bei der Form werden zylindrisch runde, im Schaft konische und, die in den letzten Jahren vermehrt eingesetzten, Mehrebenenzitzengummis unterschieden. Gegenüber den zylindrisch runden Zitzengummis haben konische bzw. drei- oder viereckige Zitzengummis den Vorteil, dass sie, durch ihre Form bedingt, eine andere Druckwirkung auf die Zitzenkuppe ausüben. Das heißt, die direkte Druckwirkung auf die Strichkanalöffnung wird reduziert, der notwendige Rücktransport von Blut und Lymphflüssigkeit aus der Zitzenkuppe bleibt erhalten. Unabhängig von der Form bleibt die abgestimmte Einstellung von Vakuum und Pulsation der entscheidende Faktor bei der Wahl des Ztizengummis
Die richtige Einstellung des Betriebsvakuums
Die Pulsation
Grundsätzlich wird bei der Pulsation zwischen Wechsel- und Gleichtaktpulsation unterschieden. Weitere Kennzahlen sind die Taktzahl, die besagt wie oft das Zitzengummi pro Minute öffnet und schließt und das Pulsverhältnis. Das Pulsverhältnis gibt Auskunft darüber, wie lange das Zitzengummi pro Takt geöffnet bzw. geschlossen ist und wird in Prozentpunkten angegeben – Öffnen und Schließen pro Zeiteinheit ergeben immer 100%, z.B. 60:40 oder 65:35. Hier wird es dann schon etwas spannender die richtige Einstellung zu treffen, denn in diesem Bereich müssen die einzelnen Phasen der Pulsation betrachtet werden, die sich in a-, b-, c- und d-Phase gliedern. Die a- und b-Phase bilden die Melkphase, das so genannte Öffnen des Zitzengummis und die c- und d-Phase kennzeichnen das Schließen des Zitzengummis bzw. die Druckphase. Ist z.B. die c-Phase (Belüftungsphase) sehr kurz - < 10% - wird die Druckphase länger und einer hoher Druck auf die Zitzenkuppe sind die Folge. Probleme bereiten in der Praxis Pulsatoren, die vornehmlich in der b-Phase und d-Phase keine ausreichende Vakuumstabilität erreichen. Das heißt, während der Melkphase kommt es zu einem kurzen Vakuumabfall und in der Druckphase, wo eigentlich Nullvakuum herrscht, ist ein kurzzeitiger Vakuumanstieg zu verzeichnen.
Fazit
Ein ruhiger und tiergerechter Umgang mit de Kühen, eine praktikable und zweckmäßige Melkroutine sowie eine gut eingestellte Melkanlage verhelfen zu einem zügigen und gleichzeitig euterschonenden, maschinellen Milchentzug. Ein erhöhter Zellgehalt in der Anlieferungsmilch bedeutet nicht gleichzeitig eine nicht funktionierende Melkanlage, denn werden diese Anlagen entsprechend der Norm geprüft – üblicher Weise während der Zwischenmelkzeit - erfüllen sie in der Regel auch die Anforderungen an diese Norm. Eine normgerechte Melkanlage ist aber sehr wohl in der Lage, die Zitzenkondition und den Ausmelkgrad negativ zu beeinflussen! Aus diesem Grund ist eine Überprüfung unter Melkbedingungen und eine gleichzeitige visuelle Betrachtung des gesamten Melkablaufs zwingend ratsam um die beschriebenen Einflussflaktoren der eingesetzten Melktechnik, regelmäßig und fortlaufend in Einklang zu bringen.
So macht es dann wieder Spaß entspannt den langen aber diesmal freundlichen Gesichtern Tag für Tag gegenüber zu treten.
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