Rohfaser und Faser
Die Faserversorgung gewinnt in der Schweinehaltung zunehmend an Bedeutung. Dabei betrifft der Begriff „Faser“ nicht nur die Fütterung, sondern auch das Beschäftigungsmaterial. In der im Juli 2020 vom Bundesrat zugestimmten Änderungsverordnung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung enthält der § 26 nun zusätzlich die Wörter „organisch und faserreich“. Dort heißt es:
„Wer Schweine hält, hat sicherzustellen, dass jedes Schwein jederzeit Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem und in ausreichender Menge vorhandenem organischen und faserreichen Beschäftigungsmaterial hat, das a) das Schwein untersuchen und bewegen kann und b) vom Schwein veränderbar ist und damit dem Erkundungsverhalten dient.
Als Beschäftigungsmaterial im Sinne von Satz 1 Nr.1 kann insbesondere Stroh, Heu, Sägemehl oder eine Mischung dieser Materialien dienen.“
Die Initiative Tierwohl (ITW) führt in ihrem Kriterienkatalog Schweinemast, Programm 2021 -2023, auf, dass die Tiere Zugang zu gesundheitlich unbedenklichem Raufutter haben müssen. Bei Raufutter handelt es sich um rohfaserreiche, strukturreiche Futtermittel. Es muss fressbar, kaubar, untersuchbar sowie beweg- und bearbeitbar sein. Die nicht abgeschlossene Liste in den Erläuterungen zur ITW Schweinemast enthält u.a. Stroh und Heu in Lang-, Kurz- oder Pelletform, Treber, Trester, Trockenschnitzel, Grünmehle, Getreidekleien, Getreidespelzen, Sojaschalen und Miscanthus. Nicht anerkannt sind z.B. CCM, Extraktionsschrote, Holz, Hanfseile und Jutesäcke.
Als Beschäftigungsmaterialien können auch bestimmte Futtermittel genutzt werden, sofern sie faserreich sind. Was unter „faserreich“ zu verstehen ist, muss noch definiert werden. In der Fütterung gibt es neben der altbekannten Rohfaser noch weitere analytisch bestimmbare Faserkomponenten, die Zellwandbestandteile NDFOM (Neutrale Detergenzienfaser, nach Veraschung) und ADFOM (Säure-Detergenzienfaser, nach Veraschung). Bisher gibt es in der Schweinefütterung nur einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgehalt an Rohfaser. So fordert die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung für tragende Sauen einen Mindestgehalt im Alleinfutter von 8 % in der Trockenmasse bzw. mindestens 200 g Rohfaseraufnahme/Tag.
Eine ausreichende Faserversorgung ist u.a. aus diesen Gründen wichtig:
Die Darmgesundheit wird gefördert (verbesserte Darmperistaltik, Einfluss auf die Darmflora, Bildung von kurzkettigen Fettsäuren, z.B. Buttersäure). Durch das Quellvermögen der Fasern wird der Verdauungstrakt voluminöser, was vor allem in der Fütterung während der Trächtigkeit vorteilhaft ist, weil dadurch das Futteraufnahmevermögen laktierender Sauen beeinflusst werden kann. Durch das Quellvermögen tritt das Sättigungsgefühl früher ein, die Tiere werden ruhiger (vorteilhaft insbesondere in der Haltung tragender Sauen). Durch die Faserversorgung lassen sich Passagerate und Kotkonsistenz steuern. Die Stickstoff-Fixierung im Dickdarm durch die BFS (bakteriell fermentierbare Substanz) reduziert die NH3-Emission, da weniger Harnstickstoff ausgeschieden wird. Auch kann das Auftreten von Schwanzbeißen durch faserreiche Rationen gesenkt werden.
Schweine können Faser zwar energetisch nutzen, aber nur, nachdem sie mikrobiell fermentiert wird und die entstehenden freien Fettsäuren anschließend im Dickdarm absorbiert werden. Rohfaser gehört zu den Gerüstsubstanzen und beinhaltet die unlöslichen Anteile der Zellwandbestandteile, zu denen chemisch sehr heterogene Substanzen zählen (Cellulose, Hemicellulose, Lignocellulose, Lignin u.a.). Die Rohfaser-Bestimmungsmethode ist Bestandteil der Weender Analyse, es gibt aber keinen direkten Zusammenhang zwischen Rohfaser und der verdaulichen Faser (Dietary fibre), da die unterschiedliche Abbaubarkeit von Cellulose, Hemicellulose und Lignin bei der Rohfaserbestimmung nicht berücksichtigt wird.
Mit welchem Parameter die Faserversorgung der Schweine am besten beschrieben werden kann, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Bei der Fütterung auf Darmgesundheit wird seit längerem über die Bedeutung der Zellwandbestandteile NDF und ADF diskutiert, da über den Parameter Rohfaser allein eine ausreichende Bewertung der Faserversorgung nicht mehr gegeben ist. NDF und ADF reichen jedoch für entsprechende Empfehlungen zur Faserversorgung nicht aus, da die Eigenschaften der Nahrungsfaser wesentlich komplexer sind. So geht es nicht nur um die chemische Zusammensetzung der Faser, sondern auch um ihre physikalische Struktur. Eigenschaften der Faserfraktionen, wie z.B. Wasserbindungskapazität, Viskosität, Fermentierbarkeit oder Löslichkeit, sind relevant für die Rationsgestaltung. In der Übersicht 1 sind ausgewählte faserreiche Futtermittel mit fütterungsrelevanten Faserfraktionen aufgeführt.
Übersicht 1: Fütterungsrelevante Faserfraktionen in unterschiedlichen faserreichen Futtermitteln (nach Dusel, 2018, gekürzt)
|
Rohfaser g/kg |
NDF g/kg |
ADF g/kg |
ADL g/kg |
Hemicellulose g/kg |
Cellulose g/kg |
Weizenkleie |
120 |
396 |
119 |
34 |
277 |
85 |
Melasseschnitzel |
144 |
405 |
206 |
19 |
199 |
187 |
Apfel-/Obsttrester |
205 |
580 |
470 |
17 |
110 |
453 |
Luzernegrünmehl |
235 |
430 |
306 |
78 |
124 |
228 |
Sojabohnenschalen |
351 |
564 |
404 |
21 |
160 |
383 |
Stroh (Weizen) |
382 |
721 |
458 |
75 |
263 |
380 |
Lignocellulose |
600 |
820 |
700 |
200 |
120 |
500 |
|
||||||
|
DF g/kg |
BFS g/kg |
WICW g/kg |
WBC l/kg |
WHC l/kg |
VIS mPas |
Weizenkleie |
330 |
171 |
385 |
2,7 |
2,4 |
1,9 |
Melasseschnitzel |
466 |
460 |
586 |
10,7 |
3,4 |
4,1 |
Apfel-/Obsttrester |
140 |
268 |
628 |
6,1 |
3,2 |
2,7 |
Luzernegrünmehl |
160 |
276 |
438 |
4,9 |
2,7 |
1,4 |
Sojabohnenschalen |
254 |
351 |
618 |
5,8 |
2,8 |
1,8 |
Stroh (Weizen) |
260 |
|
|
|
|
|
Lignocellulose |
120 |
|
|
9,8 |
7,8 |
1,2 |
Abkürzungen: DF= verdauliche Faser (dietary fibre); BFS=bakteriell fermentierbare Substanz; WICW=wasserunlösliche Zellwandbestandteile; WBC=Wasserbindungskapazität; WHC=Wasserhaltekapazität; VIS=Viskosität
Aus der Übersicht 1 lässt sich kein enger Zusammenhang zwischen dem Rohfasergehalt und den physikalisch-chemischen Parametern wie Wasserbindungskapazität oder Viskosität ableiten. So sind Sojabohnenschalen sehr rohfaserreich, ihre Wasserbindungskapazität liegt aber deutlich unter der von Melasseschnitzeln, deren Rohfasergehalt wesentlich geringer ist. Melasseschnitzel enthalten aber viele lösliche, fermentierbare Fasern, besitzen ein hohes Quellvermögen und sorgen dadurch für ein Sättigungsgefühl.
Neben den klassischen Methoden zur Analyse von Parametern wie Rohfaser, NDF oder ADF werden andere Methoden benötigt, um die Faser mit ihren Eigenschaften (Fermentierbarkeit, Viskosität, Wasserkapazität, lösliche und unlösliche Fasern etc.) richtig zu beschreiben.
Werden zum Vergleich der Fasergehalte andere Datenquellen wie z.B. die DLG-Futterwerttabellen Schweine (2014) herangezogen, werden bei ähnlichen Rohfasergehalten durchaus Unterschiede bei Parametern wie NDF oder ADF sichtbar. Inwieweit diese Differenzen durch Unterschiede in den Analysenmethoden bedingt sind, bleibt zu klären.
Übersicht 2: Fasergehalte aus den DLG-Futterwerttabellen Schweine (2014)
|
Rohfaser g/kg |
NDF g/kg |
ADF g/kg |
Weizenkleie |
114 |
450 |
128 |
Melasseschnitzel |
137 |
322 |
161 |
Luzernegrünmehl |
237 |
392 |
289 |
Sojabohnenschalen |
334 |
528 |
352 |
Stroh (Weizen) |
370 |
654 |
396 |
In der Positivliste für Einzelfuttermittel stehen weitere Faserträger wie Torf oder Lignocellulose. Laut Positivliste ist Lignocellulose ein Erzeugnis, das aus frischem, naturbelassenem Holz nach Trocknung durch mechanische Aufarbeitung hergestellt wird und überwiegend aus Lignocellulose besteht. Sie kann auch Holzfaser genannt werden. Das in der geänderten Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung als Beschäftigungsmaterial aufgeführte Sägemehl ist nicht Bestandteil der Positivliste.
Kontakte
Andrea Meyer
Rinderfütterung, Schweinefütterung, Futterberatungsdienst e.V.
Keimgehalte in Futtermitteln Orientierungswerte zur Beurteilung der mikrobiologischen Beschaffenheit
Futtermittel sind nicht keimfrei, sondern in unterschiedlichem Maß mit Bakterien, Pilzen oder Hefen besiedelt. Der Keime können produkttypisch sein oder das Futter verderben.
Mehr lesen...Getreidepreise April 2024
Als Richtwerte schlagen wir die vom Fachbereich 3.1 der Landwirtschaftskammer vorläufig geschätzten Getreidepreise (netto) in €/100 kg für die Futterkostenberechnung vor.
Mehr lesen...Alleinfutter und Ergänzungsfutter für Mastschweine von Mai bis September 2023 überprüft
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen teilt mit, dass der Verein Futtermitteltest e. V. elf Alleinfutter und ein Ergänzungsfutter für Mastschweine von Mai bis September 2023 überprüft hat. Die Alleinfutter waren für …
Mehr lesen...Insektenprotein füttern?
Weltweit sind für mehr als 2 Mrd. Menschen Insekten ein üblicher Bestandteil ihrer Ernährung - vorrangig in Afrika, Asien und Südamerika. Auch wenn Insekten als Lebensmittel bei uns bisher kaum eine Rolle spielen, ist das Thema in…
Mehr lesen...Wissenschaftliche Empfehlungen vs. Praxis
In der Praxis liegen die Aminosäurengehalte der Schweinefutter ab der Mittelmast häufig über den wissenschaftlichen Empfehlungen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE), die Basis der Empfehlungen der …
Mehr lesen...Bundesweite Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit nach Tierarzneimittelgesetz (TAMG) für das Jahr 2023 veröffentlicht
QUELLE: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat heute (15. Februar 2024) auf der hauseigenen Homepage die bundesweiten Kennzahlen zur Therapieh&…
Mehr lesen...Weitere Arbeitsgebiete
Veranstaltungen
Sachkundelehrgang - Betäuben und Töten von Rindern und Schweinen (Theorie & Praxis)
07.05.2024 - 25.07.2024
Bitte beachten Sie, dass sich dieser Sachkundelehrgang aus zwei Teilen zusammensetzt und lesen Sie diesen Text aufmerksam bis zum Ende. Das Landwirtschaftliche Bildungszentrum Echem bietet in enger Zusammenarbeit mit dem Beratungs- und …
Mehr lesen...Regionalkonferenz 2024 des Experimentierfeldes DigiSchwein "Zukunft der Schweinehaltung: Ein digitaler Wandel?"
13.05.2024
Die Konferenz bietet eine Plattform für den Austausch von Wissen und Erfahrungen rund um die Themen Schweinehaltung und digitale Innovationen. Diese Veranstaltung ist darauf ausgerichtet, einen umfassenden Einblick in die aktuellen …
Mehr lesen...Mitarbeiter gesucht – das gilt es zu beachten und so kann’s gelingen
29.05.2024
Dieses Seminar richtet sich an Betriebsleiter/ -innen, die Mitarbeiter/ -innen einstellen möchten und sich Gedanken zu Themen wie Arbeitsbedarf, Arbeitsentlohnung, Lohnkosten und Lohnnebenkosten, Arten von Arbeitsverhältnissen und …
Mehr lesen...Emissionen aus der Tierhaltung
29.05.2024
Die Emissionen der Nutztierhaltung stehen im Fokus nationaler und internationaler Richtlinien zur Emissionsminderung. Sowohl die Emissionen von Ammoniak als auch die von Treibhausgasen müssen deutlich reduziert werden. Vor diesem Hintergrund …
Mehr lesen...Sachkundelehrgang Ferkelkastration mittels Inhalationsnarkose (Isofluran-Schulung)
12.06.2024 - 20.06.2024
Sachkundelehrgang Ferkelkastration mittels Inhalationsnarkose (Isofluran-Schulung) Die Ferkelkastration ist ab dem 01. Januar 2021 nur noch mit Betäubung erlaubt. Die Isofluranbetäubung darf außer von Tierärzten auch von …
Mehr lesen...Die Öko-Jungsau im Blick - Zuchtkriterien, Eigenremontierung und Anpaarung (Seminar auf Haus Düsse)
19.06.2024
Eine stabile Sauenherde bildet die Grundlage für eine gute Tiergesundheit im Bestand. Durch Außenklimareize, Bewegungsfreiheit, alternative Fütterungsstrategien usw. muss die Öko-Sau anderen Anforderungen gerecht werden, als eine…
Mehr lesen...Beratungsangebote & Leistungen
Umbaukonzept Deckzentrum
Sie suchen Unterstützung bei der Umbauplanung für das Deckzentrum im Sauenstall.
Mehr lesen...Tierwohl - Stallumbau in der Schweinehaltung
Sie planen die Schweineställe Ihres Betriebes im Sinne des Tierwohls und zur Einhaltung der zukünftigen Regeln der TierSchNutztV umzubauen. Sie suchen nach wirtschaftlichen, baurechtlich möglichen und tiergerechten Umbaumö…
Mehr lesen...Aktionsplan Kupierverzicht beim Schwein
Sie brauchen Unterstützung bei der Einhaltung der Rechtsvorschriften in Bezug auf das Schwänzekupieren beim Schwein.
Mehr lesen...Beratungsangebot Ferkelerzeugung
Sie sind Ferkelerzeuger und wünschen sich eine fachlich fundierte Beratung der Produktionstechnik und der Ökonomie Ihrer Ferkelerzeugung.
Mehr lesen...Beratungsangebot Schweinemast
Sie sind Schweinemäster und nutzen bereits alle Controllinginstrumente. Sie wünschen sich eine fundierte Analyse Ihrer Produktionstechnik und Ökonomie in der Schweinemast.
Mehr lesen...Ringelschwanzprämie im Rahmen der ELER-Tierwohlförderung
Sie sind Schweinehalter und haben Interesse im Rahmen der Tierwohlförderung an der sogenannten Ringelschwanzprämie bei Mastschweinen und/oder Anzuchtferkeln teilzunehmen.
Mehr lesen...Drittmittelprojekte
5G Smart Country
Ausgangslage Weltbevölkerungswachstum, Ressourcenverknappung und schwieriger werdende klimatische Bedingungen machen es erforderlich, noch mehr Nahrung zu produzieren. Laut Prognosen muss die landwirtschaftliche Erzeugung mind. um 50% erhö…
Mehr lesen...Abibewässerung
Ausgangslage Die durch den Klimawandel zunehmend negative klimatische Wasserbilanz in der Vegetationsperiode führt zu einem erhöhten Bedarf an Wasser für die Feldberegnung. Gleichzeitig erfordert die zunehmende Nutzungskonkurrenz um …
Mehr lesen...ADAM
Ausgangslage ADAM ist ein 42-monatiges transdisziplinäres Forschungs- und Umsetzungsprojekt zur Steigerung der Biodiversität im Intensivgrünland. Es sind Partner aus der Wissenschaft (Bewilligungsempfänger Universität Gö…
Mehr lesen...AGrON
Ausgangslage In Deutschland gibt es regionale Unterschiede beim landwirtschaftlichen Nährstoffanfall. So gibt es beispielsweise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Landkreise mit starkem Nährstoffüberschuss, aber auch …
Mehr lesen...AQUARIUS
Ausgangslage Die Niederschläge in der östlichen Lüneburger Heide sind deutlich niedriger als im übrigen Niedersachsen. Der eigentliche Wasserbedarf der landwirtschaftlichen Kulturen liegt dann oftmals sogar noch über …
Mehr lesen...Biotopverbund Grasland
Ausgangslage Hintergrund dieses Projektes ist der starke Rückgang artenreichen Grünlands und seine zunehmende Verinselung in landwirtschaftlich intensiv genutzten Räumen einerseits und der starke Flä…
Mehr lesen...