Tierwohl und Tiergesundheit im Fokus: Digitale Assistenzsysteme Thema bei 22. Milcherzeugertag und 18. Milcherzeugerforum der Landwirtschaftskammer Niedersachsen
„Richtig eingesetzt, erleichtern solche digitalen Technologien die Früherkennung von Erkrankungen und können damit zur Sicherung von Tiergesundheit und Tierwohl beitragen“, sagte Dirk Abers, bei der LWK Fachreferent für Rinderzucht und Rinderhaltung und einer der Organisatoren der Fachveranstaltungen.
Im Vorfeld die richtigen Fragen stellen
Ob Systeme zur Tierlokalisation (Tracking) im Stall, Systeme zur Brunsterkennung oder zur Überwachung der allgemeinen Gesundheit: Prof. Dr. Christina Umstätter, Leiterin des Thünen-Instituts für Agrartechnologie in Braunschweig, betonte die Komplexität bei der Auswahl geeigneter Assistenzsysteme: „Es gibt viele unterschiedliche Systeme zur Entscheidungsunterstützung. Wichtig ist es, die Daten immer wieder kritisch zu hinterfragen und mit dem Geschehen im Stall abzugleichen.“ Um das passende Assistenzsystem für den eigenen Betrieb zu finden, sei es wichtig, im Vorfeld die richtigen Fragen zu stellen, damit später die Vorteile bei Tiergesundheit und betrieblichem Management überwögen. Umstätter stellte dazu einen Leitfaden vor, der den Betrieben die Entscheidung für die passende Lösung erleichtern soll.
Gesundheitsstörung im frühesten Stadium erkennen
Auch mehrere Anbieterinnen und Anbieter digitaler Lösungen kamen zu Wort: Bernd Schwarting, Verkaufsberater beim Agrartechnologieunternehmen smaXtec, hob die Vorteile moderner Sensorsysteme am Beispiel der von smaXtec angebotenen Sensorkapsel (Bolus) hervor, welche im Netzmagen einer Kuh Informationen sammelt: „Grundlage sind die Daten zur inneren Körpertemperatur und Bewegung, welche vom Bolus aufgenommen werden. Nutzerinnen und Nutzer erhalten konkrete Aussagen und Meldungen zu Gesundheitsstörungen im frühesten Stadium, bevor es zu Leistungsminderungen und Einschränkungen des Tierwohls kommt.“
Bevorstehende Kalbungen erkenne das System 15 bis 30 Stunden im Voraus und ermögliche ein gutes Geburtsmanagement. Schwarting ergänzte, dass der Austausch mit Tierärzt*innen und Berater*innen sowie die Integration von Schnittstellen zu Herdenmanagement- und Melksystemen den Arbeitsalltag erheblich erleichtern könnten.
Sensor im Ohr löst bei Bedarf Alarm aus
Nicht in einem der Mägen, sondern an einem Ohr sitzt der Sensor des Anbieters CowManger: „Anhand der Ohrbewegung werden die Fress- und Wiederkauminuten, Aktivität und Inaktivität sowie die Ohrumgebungstemperatur gemessen – aufgrund dieser Parameter werden Alarme für die Tiere generiert“, erläuterte Martin Eistrup, Geschäftsführer bei CowManager Deutschland.
Je nach gewähltem Modul – Fruchtbarkeit, Gesundheit, Transitphase und Fütterung – liefere die Technik entsprechende Daten und via App oder Webanwendung Brunst- und Gesundheitsalarme, Transit- und Abkalbealarme sowie Gruppenalarme etwa bei niedriger Futteraufnahme oder Hitzestress. „Unser Produkt hilft Landwirtinnen und Landwirten frühzeitig zu erkennen, was in der Herde passiert“, fasste CowManager-Geschäftsführer Eistrup zusammen. „So lassen sich Entscheidungen fundierter treffen und das volle Potential jeder Kuh ausschöpfen.“
Tiere mit Hilfe der Daten noch besser verstehen
Eine weitere innovative Lösung erläuterte Vivien Brockmann, Customer Success Managerin beim Unternehmen MSD Tiergesundheit, am Beispiel des Systems SenseHub zur digitalen Verhaltensüberwachung. Die Lösung soll im besten Fall einen Beitrag zu mehr Tierwohl, höherer Produktivität und zu Qualitätsmilch über einen langen Zeitraum beitragen. „Das Monitoringsystem überwacht Kälber und Kühe rund um die Uhr und liefert Daten, die Landwirtinnen und Landwirten helfen, ihre Tiere besser zu verstehen und frühzeitig zu handeln“, fasste Brockmann zusammen. Brunst, Hitzestress oder gesundheitliche Auffälligkeiten könnten anhand von Verhaltensänderungen frühzeitig erkannt werden.
Neben Einzeltierdaten ermögliche die digitale Überwachung Aussagen zu Trends auf Herdenebene, helfe Arbeitsabläufe zu optimieren und spare wertvolle Zeit, fügte Brockmann hinzu. Ein Milk Monitoring liefere Kennzahlen zu Milchqualität und Milchmenge – von Fett-, Eiweiß- und Laktosegehalt bis zur Somatischen Zellzahl als zentralem Indikator für die Eutergesundheit.
Seuchenlage angespannt wie lange nicht
Die gesundheitliche Lage der Rinderherden in Niedersachsen beleuchtete Dr. Jörg Willig, Tierarzt und Rinderexperte am Institut für Tiergesundheit der LUFA Nord-West in Oldenburg: „Die Tierseuchenlage ist angespannt wie lange nicht. Bei den Rindern wird uns die Blauzungenerkrankung auch kommendes Jahr beschäftigen.“
Weitere neue Viruserkrankungen seien in Europa angekommen, während „alte Bekannte“ wie die Nasen- und Luftröhrenentzündung IBR sowie die Maul- und Klauen-Seuche 2024 in Deutschland ebenfalls aufgetreten seien, berichtete Willig. „Da heißt es für Betriebe wachsam zu sein, Biosicherheitskonzepte zu leben und, wo es möglich und sinnvoll ist, rechtzeitig zu impfen.“ Willig riet zu regelmäßiger Diagnostik, um wirtschaftliche Schäden durch frühzeitige Bekämpfungsmaßnahmen zu vermeiden.
Rückgrat der Landwirtschaft im Norden Niedersachsens
Die Milchviehhaltung hat in Niedersachsen einen herausragenden Stellenwert. Insbesondere der Nordwesten zählt zu den führenden Milcherzeugungsgebieten Deutschlands. Niedersachsen ist nach Bayern das zweitwichtigste Milcherzeugerland: 2024 wurden nach Berechnungen der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen 20,5 Prozent der deutschen Milchmenge erzeugt – das entsprach 6,45 Milliarden Kilo Milch.
Aktuell gibt es in Niedersachsen etwa 7.140 Milchviehbetriebe mit insgesamt rund 750.000 Milchkühen. Die durchschnittliche Herdengröße liegt bei 105 Kühen pro Betrieb.
Der 22. Milcherzeugertag und das 18. Milcherzeugerforum der LWK fanden mit Unterstützung der Zucht- und Vermarktungsorganisation Masterrind und des Futtermittelherstellers Deuka statt.
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