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Vielfältige Herausforderungen für Maschine und Mensch

Webcode: 01044971
Stand: 12.12.2025

Beraterhochschultagung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen befasst sich mit Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz und Nachhaltigkeit

Beraterhochschultagung 2025 in Göttingen
Frauke Patzke, Staatssekretärin im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium (von links), Jan Oehlschläger (Moderator, LWK) und Kammerpräsident Gerhard Schwetje eröffneten die Beraterhochschultagung. Christopher Hanraets
Göttingen – Welche Chancen bieten Digitalisierung und Künstliche Intelligenz der Landwirtschaft? Wo liegen Risiken? Was braucht es, um neue Technologien in der Praxis zu etablieren und welche Möglichkeiten bieten Technologie und Technik im Kontext von Nachhaltigkeit? Um diese Fragen ging es bei der 15. Beraterhochschultagung, die am 2. Dezember im Rechenzentrum der Universität Göttingen stattfand. Eingeladen zu der Tagung, die als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Beratung und landwirtschaftlicher Praxis fungiert, hatte die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK).

Beratung für Wissenstransfer entscheidend

„Die Beratung spielt eine wichtige Rolle beim Wissenstransfer in die landwirtschaftlichen Betriebe“, betonte Frauke Patzke, Staatssekretärin im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, beim Eröffnungstalk der Tagung. „Die Inhalte des Ausbildungsberufs Landwirtin bzw. Landwirt werden zurzeit evaluiert und angepasst. Wir dürfen aber nicht die Landwirtinnen und Landwirte vergessen, die bereits im Berufsleben stehen. Die erreichen wir über die einzelbetriebliche Beratung.“ Niedersachsen nehme beim Einsatz neuer Technologien in der Landwirtschaft eine Führungsrolle ein. „Wir sind nicht nur Agrarland Nummer Eins, sondern auch die Nummer Eins bei Innovationen im Agrarbereich.“

LWK-Präsident Gerhard Schwetje erklärte, dass die Landwirtschaftskammer alle neuen Entwicklungen im Auge behalte. „Wir müssen sehen, was ist bei den Herstellern in der Pipeline und was davon ist praxistauglich? Mit dem PraxisLabor Digitaler Ackerbau in Schickelsheim haben wir bei der Landwirtschaftskammer eine Einrichtung, die das große Angebot an digitalen Technologien objektiv und praxisorientiert auf den Prüfstand stellt und den Landwirtinnen und Landwirten damit eine wertvolle Orientierungshilfe liefert.“

International schwierige Bedingungen

Beraterhochschultagung 2025 in Göttingen
Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel auf der Beraterhochschultagung 2025 in Göttingen.Christopher Hanraets
Während sich einige in der Agrarbranche von der Digitalisierung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz einen Produktivitätsschub erhoffen, sind die äußeren Bedingungen für eine erfolgreiche Landwirtschaft derzeit nicht sehr günstig. Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel von der Georg-August-Universität Göttingen verwies in einem einordnenden Redebeitrag auf die schwierige internationale Lage – angefangen beim Krieg in der Ukraine hin zu politischen Entscheidungsträgern, z.B. in den USA, die sich nicht an international etablierte Regeln gebunden fühlen.

Das führe zu einer großen Abhängigkeit von ad hoc Entscheidungen und damit zu einer hohen Volatilität der Märkte. Mit ihren Vorschlägen für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028-2034 versuche die EU-Kommission auf diese schwierige geopolitische Lage zu reagieren. So seien mehr Mittel für Prioritäten wie Verteidigung vorgesehen, dafür aber weniger für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Ferner sollen agrarpolitische Entscheidungen verstärkt in die Mitgliedsländer verlegt werden. Vor diesem Hintergrund warnte von Cramon-Taubadel vor nationalen Alleingängen und plädierte für eine stärkere Zusammenarbeit in der EU.

Noch viele Herausforderungen

Beraterhochschultagung 2025 in Göttingen
Frauke Patzke (von links, Staatssekretärin nds. Landwirtschaftsministerium), Kai-Hendrik Howind (LWK), Dr. Henning Müller (Moderator, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz), Daniel Eberz-Eder (KTBL) und Leander Waldow (slashwhy)Christopher Hanraets
Was braucht es eigentlich, damit Digitalisierung und KI überhaupt den Weg in die praktische Landwirtschaft finden? Um diese Frage drehte sich eine Podiumsdiskussion mit Staatssekretärin Frauke Patzke, Kai-Hendrik Howind (LWK), Daniel Eberz-Eder (KTBL) und Leander Waldow (slashwhy). Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Henning Müller vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

Die Herausforderungen für den Einsatz solcher Technologien – das wurde in der Runde deutlich – sind vielfältig: So ist noch nicht jede Technik ausgereift und zuverlässig, gewonnene Daten sind manchmal gar nicht aussagekräftig genug, um mit ihnen zu arbeiten, und auch die fehlende Mobilnetzabdeckung erschwert den Einsatz digitaler Technologien auf dem Feld. Dazu kommen Themen wie Datensicherheit, verschiedene Dateiformate und auch erhebliche Unterschiede in den technischen Kompetenzen der Anwender/-innen. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer darin, dass Künstliche Intelligenz zwar ein nützliches Werkzeug in der Agrarbranche sein kann, aber die landwirtschaftlichen Grundlagen nicht ersetzen kann. Es brauche kompetente Landwirtinnen und Landwirte, um diese Technologien nutzenbringend auf dem Feld einzusetzen.

Zitate:

Frauke Patzke: „Digitalisierung und KI sind keine Zukunftsmusik, sondern heute schon Schlüssel für eine resilientere, präzisere und umweltfreundliche Landwirtschaft. Entscheidend ist, dass wir diese Technologien so gestalten, dass sie den Betrieben wirklich nutzen und die tägliche Arbeit spürbar erleichtern.“

Kai-Hendrik Howind: „Wir brauchen mehr unabhängige Testungen und müssen zeigen, wo sich für die Landwirtschaft ein Mehrwert ergibt.“

Leander Waldow: „Wir brauchen den Mut, die Technik zu nutzen und auszuprobieren und sollten uns dem nicht verschließen.“

Daniel Eberz-Eder: „Es braucht ein starkes Netzwerk, in dem sich die verschiedenen kompetenten Akteure austauschen und Entwicklungen aktiv vorantreiben. Künstliche Intelligenz bietet uns eine große Chance.“

Management und Tierhaltung

Im Weiteren wurden außerdem in zwei parallel stattfindenden Blöcken die Themen „Management und Tierhaltung“ und „Nachhaltigkeit im Ackerbau“ behandelt. Block 1 startete mit einem Vortrag über Digitalisierung in der Schweinehaltung von Dr. Neele Dirksen (LWK). Sie erläuterte, wie digitale Technologien eingesetzt werden können, um im Schweinestall beispielsweise Krankheiten und Schwanzbeißen frühzeitig zu erkennen. Dafür übermitteln verschiedene Sensoren zahlreiche Daten und Systeme leiten daraus Handlungsempfehlungen ab. So kann der Betrieb effizienter arbeiten.

Prof. Dr. Ralf Waßmuth (Hochschule Osnabrück) sprach zum Thema Klimaresilienz von Nutztieren und der Frage, inwieweit Zucht und Haltung dabei helfen können, dass Rinder besser mit Hitzestress zurechtkommen. Witterungssituationen, die Hitzestress bei Rindern auslösen nehmen demnach zu. Die Tiere sollten in der Haltung daher bei ihren Anpassungsreaktionen unterstützt werden, z.B. durch Schattenbereiche auf der Weide und kühlende Maßnahmen im Stall. Wichtig sei auch die Früherkennung von Hitzebelastungen etwa per Temperatur-Feuchtigkeitsindex (THI) und dem Atmungsscore. Auch züchterisch könne die Hitzetoleranz der Rinder optimiert werden, indem Zuchtmerkmale entwickelt werden, die unter anderem auf die Eigenschaften der Haarkleidmorphologie fokussieren.

Nachhaltigkeit im Ackerbau

Im Ackerbau-Block wagte Prof. Dr. Martin Wiesmeier (Technische Universität München) einen kritischen Blick auf das Thema Humusaufbau und Humuszertifikate. Dabei können Unternehmen Humuszertifikate für landwirtschaftlich genutzt Flächen erwerben, die von einem Zertifizierer bewertet wurden. Mit diesen Zertifikaten können CO2-Emissionen kompensiert werden. Allerdings bleiben die Treibhausgase nur der Atmosphäre entzogen, wenn die humusfördernde Bewirtschaftung beibehalten wird.

Henning Harms, Landwirt aus Damnatz (Kreis Lüchow-Dannenberg), stellte seinen Betrieb und seine Erfahrungen mit „Carbon Farming“ vor. Dabei werden landwirtschaftliche Böden als CO2-Speicher genutzt, indem unter anderem Direktsaat zum Einsatz kommt. Zentral für Nachhaltigkeit, Humusausbau, Pflanzengesundheit und die CO2-Bindung sei zudem eine fünf- bis siebenjährige Fruchtfolge mit Halm- und Blattfrüchten im Wechsel. Ein konsequenter Zwischenfruchtanbau mit ca. acht Arten vor jeder Sommerung verhindere Erosionen und erhöhe das Wasser- und Nährstoffhaltevermögen. Harms berichtete außerdem von Einsparungen von rund 35 Prozent bei Diesel und Arbeitszeit dank Direktsaat. Das Verfahren eigne sich besonders für schwere Lehm-/Tonböden mit Druschfrüchten und helfe dabei, das Beigras Ackerfuchsschwanz deutlich zu reduzieren oder gar vollständig zu unterdrücken. Harms habe damit große Erfolge erzielen können, verwies aber darauf, dass es Zeit brauche, bis sich Veränderungen einstellten.

Beraterhochscultagung 2025 in Göttingen
Mit einem kurzen Abschlusstalk mit Carl Westhuis (von links, Student, Georg-August-Universität Göttingen), Markus Gerhardy (LWK-Vorstand) und Prof. Dr. Achim Spiller (Georg-August-Universität Göttingen) endete die Beraterhochschultagung 2025.Christopher Hanraets
In einem kurzen Abschlusstalk ließen Moderator Jan Oehlschläger (LWK), Prof. Dr. Achim Spiller (Georg-August-Universität Göttingen), Markus Gerhardy (LWK-Vorstand) und Carl Westhuis (Student, Georg-August-Universität Göttingen) die Veranstaltung Revue passieren. Dabei ging es unter anderem darum, wie KI bereits Einzug in die universitäre Lehre erhalten hat und wie die Lehre angepasst werden muss, damit Digitalisierung und Künstliche Intelligenz auf den Höfen etabliert werden. Ferner ging es um Hürden, die solchen Anwendungen in der Praxis noch im Wege stehen welche Rolle die einzelbetriebliche Beratung beim Einsatz digitaler Technologien im Betrieb spielt.

Bei der Beraterhochschultagung handelt es sich um eine eintägige Veranstaltung, bei der namhafte Referentinnen und Referenten in kompakten Vorträgen die Bindung zwischen landwirtschaftlicher Praxis, Beratung, Politik und Forschung verdeutlichen. Die Tagung richtet sich an interessiertes Fachpublikum sowie Studierende und bietet die Möglichkeit zum Austausch und zur Diskussion.


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