Eine Hofübergabe ist eine große Sache. Häufig geht es nicht „nur“ um einen Betrieb, der übergeben wird. Es geht um ein zu Hause, ein Lebenswerk, ein Vermögen, … Die Vielschichtigkeit einer Hofübergabe liegt auf der Hand. Daher ist es nicht verwunderlich, dass im Laufe des Hofübergabeprozesses eine Vielzahl von Fragen und Gefühlen aufkommen. Auf der einen Seite dreht es sich um zwischenmenschliche Belange und Bedürfnisse, auf der anderen Seite um finanzielle, juristische und steuerliche Fakten – eine spannende Mischung!
Weichende Erben sind meist genauso wie der Hoferbe auf dem Betrieb aufgewachsen und verbinden viele Erinnerungen mit dem Betrieb – ihrem zu Hause. Die Hofübergabe hat auch Einfluss auf ihr Leben: Darf ich jetzt noch nach Hause kommen? Was werden meine Kinder mal erben? Sie bekommt den wertvollen Hof und ich? Wo feiern wir denn dann Weihnachten?
Gibt es keinen Raum für diese Fragen, führt das schnell zu Konflikten. Jede Hofübergabe ist so einzigartig wie die Familie und der Betrieb dahinter. Pauschale Lösungen gibt es daher nicht. Harmonie und Gerechtigkeit sind häufig zentrale Wünsche in Bezug auf eine Hofübergabe.
Werden weichende Erben nicht oder zu spät in den Prozess einbezogen, herrscht ein Informationsgefälle. Hinter den Fragen der weichenden Erben stehen oft Bedürfnisse wie Gerechtigkeit und Transparenz. Doch unerfüllte Bedürfnisse lösen unschöne Gefühle aus, und es kann Streit entstehen. Die Erwartungshaltungen und Ziele können sich innerhalb einer Familie stark unterscheiden. Findet keine offene Kommunikation statt oder werden Beteiligte bewusst oder unbewusst von Gesprächen ausgeschlossen, bleibt vieles unausgesprochen. Zudem werden Vertragsentwürfe gerne schon in Auftrag gegeben, bevor Erwartungen, Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten zur Sprache gekommen sind.
Ein häufiger Knackpunkt ist die Abfindung. Wer kann schon sagen, welcher Geldbetrag für die weichenden Erben gerecht ist? Oft stellt es sich als sehr herausfordernd heraus, hier eine Zahl zu nennen. Zwar bietet die Höfeordnung eine Formel zur Berechnung der Abfindungshöhe, aber was das Ergebnis mit den Beteiligten macht, ist ganz unterschiedlich. Sehen weichende Erben viel gutes Ackerland und teure Maschinen oder einen Arbeitsplatz, der übergeben wird? Sind sie froh, dass jemand die Tradition (ein weiteres Bedürfnis) wahrt und die Verantwortung übernimmt? Sehen sie, dass sie nicht mehr in ihrem Kinderzimmer schlafen können, wenn sie zu Besuch sind? Nicht immer geht es um den monetären Wert des Betriebs, sondern auch um seinen emotionalen Wert. Zu wissen, was den weichenden Erben wichtig ist, hilft das Verständnis füreinander zu verbessern. Genauso kann es hilfreich sein, den weichenden Erben Einblick die Jahresabschlüsse zu gewähren. Denn bei der Abfindung geht es auch darum, was der Betrieb leisten kann.
Haben die Übergebenden bereits frühzeitig an die Hofübergabe gedacht und für die Abfindung weichender Erben vorgesorgt, kann das zusätzlich Konflikte vermeiden und den Betrieb stark entlasten. Beim Thema Gerechtigkeit bietet außerdem die Nachabfindung eine interessante Stellschraube. Grob besagt sie, dass weichende Erben beteiligt werden, wenn in einem bestimmten Zeitraum nach der Hofübergabe größere Teile des Betriebs verkauft werden und der Erlös nicht wieder in den Betrieb gesteckt wird. Nicht nur die Nachabfindung, sondern der Hofübergabevertrag insgesamt, lassen sich individuell gestalten. Vieles ist möglich, solange man sich einig ist. Das eine Rezept für eine harmonische und gerechte Hofübergabe gibt es nicht. Alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, offene Kommunikation, Zeit und Beratung sind in jedem Fall wichtige Zutaten.