Was würde eine Halbierung des Fleischkonsums für den Klimaschutz bringen?
"Die Deutschen sollten aus Sicht von Umweltschützern nur noch halb so viel Fleisch essen und die Tierbestände kräftig abbauen. Anders seien die Klimaziele nicht mehr zu erreichen.“ So oder ähnlich war es vor kurzem zahlreichen Presseverlautbarungen zu entnehmen. Bezug genommen wurde auf den Fleischatlas, der vom Bund für Umwelt und Naturschutz und der Heinrich-Böll-Stiftung herausgegeben wurde. Dabei wurden allerdings keine Angaben gemacht, wie viel eine Halbierung des Fleischkonsums zum Erreichen des Klimaziels beitragen würde. Wir haben mal nachgerechnet und Vergleiche gemacht.
Der durchschnittliche CO2-Fußabdruck im Warenkorb beträgt 5,49 kg CO2e je kg Fleisch. Er errechnet sich aus den Anteilen der einzelnen Tierarten mit ihren jeweiligen CO2-Fußabdrücken. Durch den Fleischkonsum werden 324 kg CO2e pro Kopf und Jahr (59 mal 5,49) verursacht.
Laut Statistischem Bundesamt betrug die Einwohnerzahl in Deutschland Ende 2015 82,18 Millionen Menschen. Damit wurden in 2016 durch den Fleischverzehr der deutschen Bevölkerung 26,6 Millionen t CO2e verursacht. Bei einer Halbierung würden die Treibhausgasemissionen aus dem Fleischkonsum demzufolge um 13,3 Millionen t gesenkt werden.
Nach dem deutschen Klimaziel sollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um mindestens 80% gegenüber dem Basisjahr 1990 gesenkt werden. In 1990 betrugen sie 1.251 Millionen t CO2e. Die Halbierung des Fleischkonsums würde Deutschland dem Klimaziel also um 1,1%-Punkte näherbringen. Stopp mal: Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass der geringere Fleischkonsum einen Anstieg des pflanzlichen Nahrungsmittelbedarfs mit entsprechend höheren Emissionen nach sich ziehen würde. Bevor man sich hier im Kleinkarierten verliert, richten Klimaschützer den Fokus besser gleich auf die dicken Brocken. Die liegen im Energiesektor. Dazu
- Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie belief sich die deutsche Bruttostromerzeugung in 2016 auf 654 Milliarden Kilowattstunden. Davon stammen 150 Milliarden Kilowattstunden aus Braunkohlekraftwerken. Laut Statista verursachen sie für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom 1000 g CO2e. Windkraftanlagen mit einem Anteil von 12 % an der deutschen Stromerzeugung werden mit 24 g CO2e je kWh Strom angegeben. Eine Kilowattstunde Braunkohlestrom verursacht also mehr Treibhausgasemissionen als 40 kWh Windkraftstrom. Bei Abschaltung der Braunkohlekraftwerke und Ersatzlieferung durch Windkraftanlagen würden die deutschen Treibhausgasemissionen rechnerisch um 146,4 Millionen t CO2e pro Jahr sinken. Der Weg ist das Ziel. Der Austausch von 2 %-Punkten Braunkohlestrom durch Windstrom bringt so viel Treibhausgaseinsparung wie eine Halbierung des deutschen Fleischkonsums. In 2016 lag der Anteil des Braunkohlestroms noch bei 23 %.
- Durch den Bezug von Ökostrom werden bei einem pro Kopf Verbrauch von 1.000 kWh pro Jahr (das entspricht etwa dem durchschnittlichen Stromverbrauch in privaten Haushalten) laut CO2-Rechner des Umweltbundesamtes 530 kg CO2e eingespart. Der Bezug von Ökostrom bringt pro Person 3,3 Mal so viel Treibhausgaseinsparung wie eine Halbierung des Fleischverbrauchs (530/162). Die zusätzlichen Kosten für den Ökostrombezug sind überschaubar. Zum Beispiel belaufen sich bei einem Oldenburger Stromversorger die Mehrkosten eines Durchschnittsverbrauchers auf weniger als 2 € pro Monat. Das gute Gewissen kostet monatlich weniger als eine Tasse Kaffee im Restaurant.
- Flugreisen sind besonders klimaschädlich. Der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes weist für eine Flugreise von Hannover nach Gran Canaria 2,02 t CO2e je Fluggast aus. Die Flugreise nach Gran Canaria verursacht pro Kopf 12,5 Mal so viel Treibhausgasemissionen wie bei einer Halbierung des Fleischkonsums eingespart werden (2020/162).
Landwirte können zum Klimaschutz beitragen, indem Sie die nachgefragten Lebensmittel möglichst klimaschonend erzeugen. Dafür sollten sie ihre Produktionsabläufe aus dem Blickwinkel des Klimaschutzes überprüfen. Die prozentualen Treibhausgas-Einsparpotentiale liegen zwar meistens nur im einstelligen Bereich. Bisherige Erfahrungen aus einzelbetrieblichen Klimaschutzberatungen zeigen aber, dass sich daraus auf Betriebsebene im Durchschnitt 50 t CO2-Einsparung pro Betrieb und Jahr ergeben. Um auf die durch eine einzelbetriebliche Klimaschutzberatung lokalisierte Treibhausgaseinsparung zu kommen, müssten 308 Bundesbürger ihren Fleischkonsum halbieren.
Fazit:
Eine Halbierung des Fleischkonsums, wie bei der Vorstellung des Fleischatlas empfohlen, würde Deutschland dem Klimaziel um etwa ein Hundertstel näherbringen.
Mit einem geringeren Fleischkonsum macht man aus Klimaschutzsicht nichts verkehrt.
Es gibt allerdings wesentlich wirkungsvollere Maßnahmen wie beispielsweise den Bezug von Ökostrom und die Reduzierung von Flugreisen. Landwirte können durch eine klimaeffiziente Produktion einen Beitrag leisten zur Verringerung der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen.
Kontakte

Marcus Polaschegg
Biodiversität


Treibhausgasbericht der Landwirtschaft in Niedersachsen
Die Landwirtschaftskammer hat im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einen Treibhausgasbericht der Landwirtschaft in Niedersachsen erstellt. Die 33-seitige Broschüre gibt …
Mehr lesen...
Baumschul-Fachleute der Landwirtschaftskammer suchen Straßenbäume der Zukunft
Der Klimawandel und Krankheiten gefährden die Vitalität der Bäume. Bislang gibt es nur wenige „Allerweltsarten“.
Mehr lesen...
Methan-, Lachgas- und Kohlendioxidemissionen der Niedersächsischen Landwirtschaft von 1990 bis 2018
Wo entstehen Methan-, Lachgas- und Kohlendioxidemissionen in der Landwirtschaft, wie groß sind ihre Anteile und wie können sie verringert werden?
Mehr lesen...
Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft in Deutschland und Niedersachsen von 1990 bis 2018
Laut deutschem Klimaschutzgesetz soll die Landwirtschaft die Treibhausgasemissionen bis 2030 um etwa 30 % im Vergleich zu 1990 reduzieren. Aktuell liegen endgültige Daten für die Jahre 1990 bis 2018 vor. Was hat die Landwirtschaft bisher …
Mehr lesen...
Stromspeicher in Zukunft interessant für landwirtschaftliche Betriebe ?
Im vergangenen Jahr sind so viele Batteriespeicher installiert worden wie noch nie zuvor. Der Großteil der Speicher wurde in privaten Haushalten als sogenannter Heimspeicher installiert. Kann die Installation eines Speichers auch für einen…
Mehr lesen...Weitere Arbeitsgebiete
Veranstaltungen

Schulung für die Anwendung des TEKLA-Tools zur Klimaschutzberatung
25.10.2023
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat mit TEKLa ein Rechentool entwickelt, mit dem einzelbetriebliche Klimabilanzen für landwirtschaftliche Betriebe erstellt werden können. TEKLa steht für Treibhausgas-Emissions-Kalkulator-…
Mehr lesen...
Beraterhochschultagung 2023: "Green Deal in der Praxis - Wo stehen wir?"
07.11.2023
"Green Deal in der Praxis – Wo stehen wir?" Der Transformationsprozess in der Landwirtschaft ist mit gewaltigen Herausforderungen für die Betriebe und Beratung verbunden. Die Anforderungen des europäischen Green Deals …
Mehr lesen...
Landwirtschaft in Transformation
23.11.2023 - 08.02.2024
Sie haben Lust sich weiterzubilden und wünschen sich seit langem einen kollegialen Austausch? Dann sind Sie in diesem Seminar genau richtig! Denn: Die Landwirtschaft im Emsland befindet sich in einem massiven Verä…
Mehr lesen...
Klimafreundliches Essen und Trinken - wie geht das?
06.02.2024
Klimafreundliches Essen und Trinken wird vielerorts diskutiert. Jeder Einzelne kann durch die richtige Wahl beim Einkaufen, Kochen oder Essen außer Haus einen wertvollen Beitrag leisten. Was haben Essen und Klima miteinander zu tun? …
Mehr lesen...
Biodiversität in der Landwirtschaft - was können wir tun?
23.05.2024
Das Thema Biodiversität im Zusammenhang mit Landwirtschaft beschäftigt zunehmend die ländliche Bevölkerung und die landwirtschaftlichen Betriebe. Der Wunsch etwas für Natur und Umwelt zu tun, ist häufig …
Mehr lesen...Beratungsangebote & Leistungen

Berechnung von Klimabilanzen
Sie möchten wissen, wie klimaschonend Sie ihre Produkte in der Landwirtschaft erzeugen. Sie suchen nach Argumenten für die öffentliche Diskussion um den Klimaschutz in der Landwirtschaft.
Mehr lesen...
Nachhaltigkeitscheck Landwirtschaft (NaLa)
Sie wollen überprüfen, wie nachhaltig und zukunftsfähig Sie Ihren Betrieb bewirtschaften.
Mehr lesen...Drittmittelprojekte

Abibewässerung
Ausgangslage Die durch den Klimawandel zunehmend negative klimatische Wasserbilanz in der Vegetationsperiode führt zu einem erhöhten Bedarf an Wasser für die Feldberegnung. Gleichzeitig erfordert die zunehmende Nutzungskonkurrenz um …
Mehr lesen...
ADAM
Ausgangslage ADAM ist ein 42-monatiges transdisziplinäres Forschungs- und Umsetzungsprojekt zur Steigerung der Biodiversität im Intensivgrünland. Es sind Partner aus der Wissenschaft (Bewilligungsempfänger Universität Gö…
Mehr lesen...
AGrON
Ausgangslage In Deutschland gibt es regionale Unterschiede beim landwirtschaftlichen Nährstoffanfall. So gibt es beispielsweise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Landkreise mit starkem Nährstoffüberschuss, aber auch …
Mehr lesen...
Biotopverbund Grasland
Ausgangslage Hintergrund dieses Projektes ist der starke Rückgang artenreichen Grünlands und seine zunehmende Verinselung in landwirtschaftlich intensiv genutzten Räumen einerseits und der starke Flä…
Mehr lesen...
BTB
Ausgangslage Landwirte und Imker sind aufeinander angewiesen: Die Landwirte haben Vorteile durch die Bestäubung Ihrer Kulturpflanzen durch die Honigbienen. Die Imker benötigen Blühpflanzen zur Versorgung Ihrer Bienen und zur …
Mehr lesen...
CarboFeet
Ausgangslage Der Tierschutzindikator Fußballengesundheit wird in Zukunft beim Mastgeflügel eine bedeutende Rolle spielen. Tierwohl und Tierschutz werden anhand des Zustandes der Fußballen als objektives Bewertungskriterium gemessen.…
Mehr lesen...