Landessortenversuche 2021: Sommer-Futtergerste
Neue Futtergerstensorten zeigen erfreuliche Leistungen und könnten künftig neben der altbewährten Sorten RGT Planet eine zunehmende Anbaubedeutung gewinnen.
Der drastische Rückgang der Anbaufläche bei Sommergerste ist in erster Linie auf die günstigen Aussaatbedingungen im Herbst 2020 zurückzuführen, wodurch sowohl Winterweizen als auch Winterraps im Anbau wieder deutlich ausgedehnt wurden. Laut Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) wurde 2021 auf einer Fläche von insgesamt 30.300 ha Sommergerste angebaut. Somit fiel die Sommergerstenfläche auf das geringste Niveau seit 2010 zurück. Davon entfielen ca. 11.300 ha auf die Futternutzung. Von der gesamten Sommergerstenfläche wurde der Braugerstenanbau gegenüber dem Vorjahr nochmals leicht reduziert, da die ökonomischen Bedingungen zum Zeitpunkt der Aussaat nicht so günstig waren. Er machte damit noch einen Anteil von 63 % aus. In Regionen, in denen ein dominierender Anteil an Winterungen zu ackerbaulichen Problemen, wie z. B. die Bekämpfung von Ackerfutterschwanz führte, profitierte unter anderem auch die Futtergerste. Dies ist beispielsweise in den Marschregionen festzustellen.
Mit etwa 53 dt/ha lagen die vom Landesamt für Statistik geschätzten durchschnittlichen Erträge der Sommergerste auf einem mittleren Niveau. Dies spiegelte sich auf den Versuchsstandorten nicht ganz wider. Dank günstigerer Niederschlagsbedingungen konnten durchweg höhere Erträge erzielt werden, gerade auch auf den leichteren Standorten in Niedersachsen, wo 2020 lediglich ca. 40 dt/ha geerntet wurden.
Ergebnisse der Sorten
Um der zunehmenden Anbaubedeutung von Sommergetreide in der Marsch Rechnung zu tragen, wurden ab 2021 neben dem Sommerweizen auch Hafer und Futtersommergerste am Prüfstandort Otterham (LK AUR) getestet. Mit knapp 84 dt/ha sortierte sich das Ergebnis an diesem Standort zwischen den Hafer- (90 dt/ha) und den Sommerweizenerträgen (75 dt/ha) ein. Die drei weiteren Standorte Holtorfsloh (LK WL), Wehnen (LK WST) und Werlte (LK EL) waren allesamt auswertbar, deren Erträge beliefen sich auf Werte von 64 bis 72 dt/ha. In diesen Futtergersten- Landessortenversuchen (LSV) wurden insgesamt 7 Sorten geprüft. Neben der jahrelang empfohlenen Sorte RGT Planet standen mit Klarinette eine dreijährig und mit Applaus eine zweijährig geprüfte Sorte in den Versuchen. Darüber hinaus wurden mit KWS Jessi und Lexy erstmalig zwei neue Braugerstensorten getestet, die aufgrund ihrer Ertragsleistungen in den Wertprüfungen auch für den Futterbereich interessant sein könnten. Kimberly und LG Belcanto werden für die Braugerstenprüfungen nicht weiter verfolgt, überzeugten in den Vorprüfungen aber ebenfalls durch hohe Erträge.
Der Futtergerstenanbau konzentriert sich auf die leichteren Standorte Nordwestdeutschlands. Insgesamt konnten für diese Anbauregion „Sandige Standorte Nordwest/Marsch“ alle neun Versuche der drei Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen für die Auswertung genutzt werden. Im Mittel der Standorte wurde ein Durchschnittsertrag von 67 dt/ha erzielt. Damit lagen die oben beschriebenen niedersächsischen Standorte auf bzw. über diesem Durchschnittsertrag. Insbesondere die hohen Erträge in der Marsch belegen, dass die Einbindung von Sommergerste in Wintergetreide-lastige Fruchtfolgen durchaus sinnvoll sein kann, zumal der N-Düngebedarf deutlich unter dem von Winterweizen oder Wintergerste liegt. Vor allem in diesem Jahr ein nicht uninteressanter Aspekt.
RGT Planet erreichte im sechsten Jahr in Folge mit Werten von rel. 102 wieder sehr gute Erträge und bestätigte eindrucksvoll auch ihre sehr gute Ertragskonstanz auf den Einzelstandorten. Da sie neben ihrer Ertragsstärke auch durch ihre Robustheit gegenüber Krankheiten, ihre mittleren bis guten Einstufungen gegenüber Lagerneigung sowie Halm- und Ährenknicken überzeugte, ist sie nach wie vor die erste Wahl.
Klarinette wurde noch ein drittes Jahr geprüft, sie konnte die Chance ertraglich leider nicht nutzen. Mit Ausnahme des Marschstandortes lagen die Ergebnisse deutlich unter dem Sortimentsdurchschnitt. Die Sorte wird künftig in den Versuchen nicht weiterverfolgt, obwohl sie in der Halmfestigkeit und der Robustheit gegenüber Krankheiten - auch gegenüber Ramularia - sehr positiv abschnitt.
Die Sorte Applaus konnte ihre sehr guten Vorjahresergebnisse im Jahr 2021 nicht ganz bestätigen. Im Vergleich zu RGT Planet waren die Einzelortergebnisse etwas schwankender. Mehrjährig betrachtet lag sie auf vergleichbarem Niveau zu RGT Planet und wird daher als zweite mehrjährig geprüfte Sorte empfohlen. In den Merkmalen Standfestigkeit, Halmstabilität und in der Robustheit gegenüber Krankheiten wird sie eher durchschnittlich beurteilt.
Von den vier erstmalig geprüften Sorten konnten vor allem die Futtergerstensorten Kimberly und LG Belcanto überzeugen und werden für den Probeanbau empfohlen. Beide Sorten erreichten wie RGT Planet an allen Prüfstandorten überdurchschnittliche Erträge und nahmen ertraglich die Spitzenposition ein. Auch unter Einbeziehung der Vorprüfungsergebnisse erreichten beide Sorten das beste Ergebnis. Darüber hinaus erwiesen sie sich in den Prüfungen als sehr standfest, halmstabil und robust gegenüber Krankheiten.
Die auch im Braugerstensortiment geprüfte Sorte Lexy schnitt an den Futtergerstenstandorten gut, aber im Vergleich zu RGT Planet, Kimberly und LG Belcanto etwas schwächer ab, sodass sie inklusive der Wertprüfungsdaten insgesamt ein durchschnittliches Ertragsergebnis aufwies. Wie die beiden vorgenannten Sorten konnte auch Lexy in den agronomischen Eigenschaften genauso überzeugen.
KWS Jessi konnte hingegen mit rel. 97 aus ertraglicher Sicht nicht ganz mithalten und wird künftig auch nicht weiter geprüft. Als standfeste und halmstabile Sorte erwies sie sich gegenüber Krankheiten eher durchschnittlich robust.
Qualitäten
Sommerfuttergerste wird vorrangig im eigenen Betrieb direkt verwertet und nur in geringerem Maße gehandelt. Die Parameter Ertrag, Standfestigkeit, Halmstabilität und Pflanzengesundheit sind generell für die Sortenwahl entscheidend. Bei der Vermarktung hingegen sollten auch die Qualitätskriterien mitberücksichtigt werden. Hierbei ist vor allem das Hektolitergewicht (hl-Gewicht) maßgebend, welches mindestens 62 kg/hl betragen sollte. Bei ausreichendem Angebot ist teilweise aber bereits bei Werten unterhalb von 64 kg/hl mit Abschlägen zu rechnen.
Die Sorten erzielten im Mittel mit 63,1 kg/hl ein schwächeres Ergebnis im Vergleich zu den Jahren 2018 und 2020. Die Unterschiede zwischen den Standorten waren mit einer Bandbreite von 60 bis 70 kg/hl aber auch 2021 wieder ausgeprägt. Der ertragsstärkste Marschstandort Otterham erreichte in diesem Jahr mit Abstand den genannten höchsten Wert. Dadurch ist sicherlich auch die gute Ertragsleistung dort erklärbar.
Klarinette erzielte mit 65,7 kg/hl die höchsten hl-Gewichte, gefolgt von RGT Planet. Die übrigen Sorten differenzierten mit Werten zwischen 62,4 und 62,7 nur geringfügig. Da die geprüften Futtergerstensorten für die Zulassung zur Braugerstennutzung beim Bundessortenamt angemeldet werden, sind sie auf geringe RP-Gehalte gezüchtet worden und werden damit in der Einstufung Rohproteingehalt entsprechend sehr schwach eingestuft. Mit 11,6 % RP-Gehalt lagen die Ergebnisse der niedersächsischen Standorte in einem mittleren Bereich. Mit Ausnahme der ertragsschwächsten Sorte Klarinette, die Werte von 12,1 % aufwies, waren die Sortenunterschiede sehr gering.
Ausblick
RGT Planet bleibt aufgrund ihrer sehr hohen Ertragskonstanz nach wie vor die erste Wahl für die Futtergerstennutzung. Sollten sich jedoch die guten Ergebnisse der erstmalig geprüften Sorten Kimberly und LG Belcanto in den kommenden Jahren bestätigen, so könnte das Sortenspektrum erweitert werden, zumal auch Applaus sich nach zwei Jahren gut behaupten konnte.
Vom Bundessortenamt wurden im Dezember zwei neue Sommergerstensorten zugelassen, wovon eine für die Futternutzung im LSV geprüft wird und die möglicherweise auch das Ertragsniveau von RGT Planet erreichen bzw. übertreffen könnte.
Die guten Ertragsleistungen der Futtergerstensorten auf dem Marschstandort zeigen auf, dass eine Fruchtfolgeerweiterung mit Sommergerste oder auch Hafer durchaus erfolgreich sein kann. Insbesondere dann, wenn es dadurch gelingt, andere pflanzenbauliche Probleme einfacher in den Griff zu bekommen. Die 2020 spürbare Anbauausweitung von Sommerungen, gerade auf Standorten mit erhöhter Unkrautproblematik, könnte dank der durchaus positiven Erfahrungen in der Praxis noch weiter zunehmen. Ergänzend spielen möglicherweise auch die politischen Rahmenbedingungen wie die GAP-Reform dem Sommergerstenanbau in die Karten, wenn beispielsweise ein Anbau von Winterweizen nach Winterweizen nicht mehr möglich sein sollte. Enge Fruchtfolgen mit hohen Winterungsanteilen durch Sommerungen zu erweitern könnte damit auch durch diese politischen Bestrebungen forciert werden. Eine Konsolidierung bzw. Ausweitung des Braugerstenanbaus wird unter den derzeitigen positiven Nachfrage- und Preisanreizen wieder wahrscheinlich. Wie der Umfang der Sommergerstenfläche in diesem Frühjahr letztlich ausfällt, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden, wenn klar ist, ob Auswinterungsschäden durch Neuansaaten ausgeglichen werden müssen. Hierfür spielt die Sommerfuttergerste neben dem Hafer sicherlich eine wichtige Rolle, zumal sie tendenziell ein recht breites Aussaatzeitfenster toleriert.
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Carsten Rieckmann
Leiter Sachgebiet Mähdruschfrüchte
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