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Landessortenversuche 2022: Dinkel

Webcode: 01041023 Stand: 22.09.2022

Dinkel oder auch Spelzweizen hat in den vergangenen Jahren großes Interesse bei Anbauern und Verbrauchern erzielt. Die Züchtung hat einige neue Sorten mit verbesserten Eigenschaften zur Verfügung gestellt. Der Anbau sollte jedoch vorab über Verträge abgesichert werden, 

Dinkel (Spelzweizen)
Dinkel (Spelzweizen)Carsten Rieckmann
Auch 2022 hat sich die Dinkelanbaufläche in Niedersachsen im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 1.600 ha erhöht; laut Invekos-Zahlen auf nunmehr 11.973 ha incl. der Ökoflächen. Der weitere Flächenanstieg fand in den letzten Jahren sowohl bei den ökologisch als auch bei den konventionell wirtschaftenden Betrieben statt. Es zeichnete sich aufgrund der erfreulich hohen Erträge während der Ernte bereits ab, dass bei freien Partien, deren Vermarktung nicht per Vertragsanbau abgesichert waren, die üblichen Preisaufschläge gegenüber normalem Weizen in der Regel nicht gezahlt wurden. Von daher wird derzeit für das kommende Jahr zumindest für den konventionellen Anbau nicht mit einer weiteren Anbauausdehnung gerechnet, zumal auch der Umfang der Verträge eher rückläufig zu sein scheint.

Allgemeines zum Dinkel (Spelzweizen)

Der Dinkel oder auch Spelzweizen ist eine alte Kulturform des Weizens. Optisch unterscheidet er sich vom üblich angebauten Weichweizen durch seine relativ lange und lockere Ähre, das bespelzte Korn und das lange Stroh, das die Gefahr von Lager birgt. Von Seiten der Züchtung wurden in den letzten Jahren bereits deutlich kürzere Sorten entwickelt. Dinkel zeichnet sich durch seine gute Winterhärte und die gegenüber Weizen geringeren Boden- und Stickstoffansprüche aus. Während Weizen in der Abreifephase goldgelb gefärbt ist, beginnen die Ähren und Halme bei Dinkel sich mit zunehmender Reife rötlich zu verfärben, weshalb er auch als „Rotkorn“ bezeichnet wird. Geerntet und vermarktet werden die sogenannten Vesen. Es handelt sich dabei um die Ährchen, die meistens zwei Körner enthalten. Durch den hohen Anteil der Spelzen - je nach Sorte ca. 20 bis 25 % - liegt der Kornertrag letztlich um diesen Prozentsatz niedriger als der Vesenertrag. Beim Transport und Verkauf ist das gegenüber Weizen deutlich geringere Hektolitergewicht und das höhere Volumen zu beachten.

Dinkel findet in der menschlichen Ernährung vielseitig Verwendung, nicht nur in den klassischen Broten. Er hat sowohl für Spezialgebäcke als auch für die Nudelherstellung oder als Frühstückscerealie seine Bedeutung erlangt.

Gegenüber dem gängigen Weichweizen weist Dinkel höhere Eiweiß- und Klebergehalte auf, hat eine andere Protein- und Kleberstruktur und ist überdies sehr mineralstoffreich, besonders in puncto Kieselsäure.

Anbauhinweise

In den letzten Jahren hat sich die Aussaat von entspelztem Saatgut deutlich durchgesetzt, da es für die Aussaat insbesondere mit pneumatischen Drillmaschinen wesentlich unproblematischer ist. Die Aussaat der Vesen wird vorrangig mit mechanischen Säaggregaten durchgeführt; sie hat aufgrund der günstigeren Saatgutpreise nach wie vor ihre Bedeutung, zumal die Gefahr der Keimlingsbeschädigung bei diesem Verfahren geringer ist. Der Aussaatzeitpunkt ist vergleichbar mit dem von normalem Winterweizen. Die Saatstärke sollte in Abhängigkeit vom Saattermin und den Bodenbedingungen gewählt werden. Bei früher Aussaat sollten ca. 200 Körner bzw. 100 Vesen/m² ausgesät werden. Bei später Aussaat hingegen müssten bereits 450 Körner bzw. 225 Vesen/m² ausgebracht werden.

Ergebnisse der Landessortenversuche

Die in Niedersachsen angelegten Sortenversuche werden seit einigen Jahren in Kombination mit Wertprüfungsstämmen des Bundessortenamtes (BSA) gemeinsam an den Standorten Poppenburg (LK HI), Königslutter (LK HE) und im Gebiet der Versuchsstation Höckelheim (LK NOM) angelegt. Bei erfolgter Sortenzulassung durch das BSA können dadurch bereits nach dem ersten LSV-Jahr die Vorprüfungsergebnisse zur Erweiterung der Datenbasis mit in die Auswertung einbezogen werden.

Insgesamt wurden 2022 acht zugelassene Sorten geprüft. Franckenkorn wurde bereits 1995 vom BSA zugelassen und fungiert als Vergleich zur züchterischen Weiterentwicklung neuerer Sorten. Mit Badenkrone, Badensonne und Hohenloher stehen mit Zulassung im Zeitraum 2011 bis 2016 ebenfalls schon mehrjährig geprüfte Sorten in den Versuchen. Badenkrone zählt zu den ertragsstärksten etablierten Sorten, deren Vermehrungsfläche aufgrund der schwächeren Qualitäten allerdings eher gering ausfällt.

Die 2018 zugelassenen Sorten Zollernperle und Albertino haben sich bundesweit bereits gut etabliert, was anhand der Vermehrungszahlen erkennbar wird. Zollernfit und Franckentop sind die neuesten Sorten aus 2020 und 2021, wovon erstere bereits stärker in die Praxis eingeführt wurde. Aber auch Franckentop soll künftig wohl Franckenkorn ersetzen, weil sie in den Qualitätseigenschaften und der Standfestigkeit deutliche Vorteile bietet.

Der Vesenertrag lag 2022 im Mittel der drei Standorte bei 86 dt/ha auf dem Niveau des Jahres 2020 und gleichzeitig 7 dt/ha höher als im Vorjahr. Wie beim Winterweizen waren auch die Dinkelanbauer mit den Ertragsleistungen durchweg zufrieden.

In den diesjährigen Landessortenversuchen erreichten Hohenloher und die zweijährig geprüfte Sorte Zollernfit gefolgt von Albertino und Badenkrone die höchsten Erträge. Badensonne und Zollernperle lagen in den niedersächsischen Prüfungen auf einem knapp durchschnittlichen Niveau. Während die alte etablierte Sorte Franckenkorn erwartbare unterdurchschnittliche Erträge erzielte, konnte die zweijährig geprüfte Sorte Franckentop ihr gutes Einstiegsergebnis nicht bestätigen und schnitt am schwächsten ab.

Badenkrone und Hohenloher überzeugen in den mehrjährigen Leistungen durch konstant überdurchschnittliche Erträge. Bei etwas schwankenderen Jahresergebnissen zählen Badensonne und Albertino auch unter Einbeziehung der Wertprüfungsergebnisse ebenfalls zu den ertragsstarken Sorten. Durch das schwache Einstandsjahr 2020 kommt Zollernfit trotz guter diesjähriger Werte letztlich bei den mehrjährigen Erträgen insgesamt nur zu einem durchschnittlichen Ergebnis. Zollernperle konnte auch in diesem Jahr ertraglich nicht überzeugen und wurde vom BSA in der Ertragsbewertung aktuell etwas schwächer eingestuft. Bei der Sorte Franckentop müssen nach zwei stark schwankenden Jahreserträgen noch weitere Ergebnisse abgewartet werden um ein klareres Bild zu erhalten.

Qualitätsparameter

Wichtige Vermarktungskriterien beim Dinkel sind die Restfeuchtegehalte, der Rohproteingehalt sowie die Fallzahl. In den vom Landhandel oder den Genossenschaften angebotenen Verträgen werden Standardqualitäten in ca. folgender Größenordnung gefordert: 12 - 13 % RP, 240 - 270 s Fallzahl, max. Feuchte 14,5 - 15,0 %. Insbesondere das Erreichen der geforderten Fallzahl könnte in Jahren mit ungünstigen Witterungsbedingungen zum Zeitpunkt der Ernte zu Problemen führen. Vom Landhandel wurde während der Ernte berichtet, dass es trotz zeitgerechter Beerntung teilweise bei der Fallzahl bereits zu Auffälligkeiten kam, deren Ursachen derzeit noch nicht abschließend geklärt werden konnten. Eine zeitnahe Beerntung der Bestände ist in jedem Fall anzuraten, um diesem Problem vorzubeugen.

Mit hohen RP-Gehalten und guten und sicheren Fallzahlen können vor allem Franckenkorn, Hohenloher und Zollernfit überzeugen. Franckentop liefert die höchsten Fallzahlen. Das Merkmal Kernausbeute beschreibt das Verhältnis von Kern- zu Vesenertrag und stellt somit eine entscheidende Größe für die Wirtschaftlichkeit bei der Weiterverarbeitung des Erntegutes dar. Hohe Kernausbeuten erreichen laut Einstufung des BSA Badensonne, Zollerperle, Albertino und Franckentop.

Für die Sortenentscheidung sind neben den ertraglichen und agronomischen Kriterien vor allem die Sortenvorgaben der aufnehmenden Hand entscheidend, da der Anbau zum überwiegenden Teil über Verträge vor der Aussaat vereinbart wird.

Die Sorten im Einzelnen

Badenkrone ist derzeit die ertragsreichste Spelzweizensorte, die zudem durch eine gute Standfestigkeit überzeugen kann. Mit Ausnahme der Schwäche gegenüber Blattseptoria zeigt sie sich ansonsten robust. Qualitativ zählt sie nicht zu den stärksten Sorten, da vor allem die Kernausbeute im Vergleich zu den anderen Prüfkandidaten schwach ausfällt.

Die zweitertragsstärkste Sorte Hohenloher ist mit mittlerer Standfestigkeit und Blattgesundheit eingestuft. Qualitativ bietet sie gegenüber Badenkrone in der Kernausbeute und Fallzahl Vorteile.

Die ebenfalls ertragsbetonte Sorte Badensonne zeigt gegenüber Mehltau und Braunrost Schwächen bei mittlerer Standfestigkeit. Qualitativ überzeugt sie vor allem mit hohen Werten in der Kernausbeute.

Die in diesem Jahr ertraglich überzeugende Sorte Albertino ist derzeit die bundesweit vermehrungsstärkste Sorte, da sie darüber hinaus in den Qualitätsmerkmalen Kernausbeute und hoher Fallzahl überzeugt. Zu beachten sind aber die höhere Lagergefahr – besonders im Vorjahr Ursache für schwache Erträge – sowie die Anfälligkeit gegenüber Mehltau und Braunrost.

Zollernfit erwies sich mit Ausnahme des sehr schwachen Jahres 2020 als ertragsstark und punktet vor allem dank geringer Pflanzenlänge durch eine sehr gute Standfestigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber Mehltau und Braunrost, die wohl auch für die bereits recht hohen Vermehrungszahlen ursächlich sind. Zu beachten sind die Blattseptoriaempfindlichkeit und etwas spätere Reife. Qualitativ erreicht sie eher durchschnittliche Werte bei der Kernausbeute.

Zollernperle erreichte mehrjährig betrachtet recht schwache Erträge, zeigt sich darüberhinaus aber als blattgesund bei mittlerer Standfestigkeit und hohen Kernausbeuten.

Die zweijährig geprüfte standfeste Sorte Franckentop liefert qualitativ gesehen die besten Leistungen, vor allem durch die sehr gute Fallzahl bei gleichzeitig auch hohen Kernausbeuten. Ertraglich konnte sie bisher noch nicht überzeugen.

Der drastische Rückgang der Vermehrungszahlen bei der blattgesunden, aber langstrohigen und lageranfälligen Sorte Franckenkorn lässt vermuten, dass die Sorte künftig nicht mehr intensiv weiter verfolgt wird, was sicherlich auch durch die schwachen Erträge begründet ist.

Zusammenfassung

Der Dinkel hat sich auch bei konventionell wirtschaftenden Betrieben im südöstlichen Niedersachsen mittlerweile etabliert und ist im Rahmen eines Vertragsanbaus eine ökonomisch sinnvolle Bereicherung der Fruchtfolgen geworden. Eine weitere Anbauausdehnung scheint momentan eher schwierig zu realisieren zu sein, da vom Handel Vorverträge tendenziell etwas eingeschränkt werden, was sicherlich auch mit den hohen diesjährigen Erträgen und den daraus resultierenden Lagervorräten erklärbar ist. Ein Anbau ohne entsprechende Vertragsabsicherung kann derzeit nicht empfohlen werden. Die Sortenwahl und die zu erfüllenden Qualitätskriterien der anzuliefernden Ware sollten bereits vor der Aussaat abgestimmt sein. Durch den Anbau von Dinkel wird die Fruchtfolge sicherlich erweitert, eine Auflockerung weizendominierter Fruchtfolgen lässt sich dadurch jedoch nicht unbedingt bewerkstelligen. Der Dinkelanbau trägt aktuell dazu bei, dass regional erzeugtes Getreide in der Region verarbeitet und beim Bäcker vor Ort eingesetzt wird. Backwaren aus/mit Dinkel genießen aufgrund der Qualitätseigenschaften ein sehr gutes Ansehen beim Verbraucher, daher sollte die Nachfrage entsprechend durch den heimischen Anbau gedeckt werden.