Dem Beikraut auf der Spur
Rückblick auf die Tagung am 09.02.2024 auf Burg Warberg
Maßnahmen zur vorbeugenden und mechanischen Beikrautregulierung standen im Mittelpunkt der vom Ackerbauzentrum Niedersachsen gemeinsam mit dem Fachbereich Ökologischer Landbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen organisierten Veranstaltung. Hilmar Freiherr von Münchhausen, Leiter des Ackerbauzentrums Niedersachsen, begrüßte die knapp 100 Gäste: „Das Striegeln und Hacken ist nicht nur im Ökolandbau unverzichtbar, sondern gewinnt auch in der konventionellen Landwirtschaft an Bedeutung. Deshalb haben wir mit Vertretern beider Anbaurichtungen das heutige Programm gestaltet, um uns auszutauschen und zu vernetzen.“ Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund der angestrebten Pflanzenschutzmittelreduktion, der zunehmenden Resistenz gegen Herbizide insbesondere bei Ungräsern und der geringer werdenden Anzahl an Wirkstoffen bei Herbiziden unerlässlich.
Auch Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und Henrich Meyer zu Vilsendorf vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zeigten sich bei ihren Grußworten erfreut über die Wahl des Tagungsthemas und die beteiligten Veranstalter und verwiesen auf die niedersächsische Ackerbau- und Grünlandstrategie sowie die im Rahmen des Niedersächsischen Weges vereinbarte Pflanzenschutzmittelreduktionsstrategie. Beide betonten die bedeutende Rolle des Ackerbauzentrums als Vernetzungs- und Anlaufstelle für Austausch und Wissenstransfer zu Fragen des Ackerbaus in Niedersachsen.
Den Auftakt der Fachvorträge am Vormittag machte Dr. Lena Ulber, die im Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland am Julius Kühn-Institut (JKI) arbeitet. Sie schilderte eindrücklich, wie entscheidend ein mit diversen Maßnahmen ausgestatteter Werkzeugkasten für eine erfolgreiche Beikrautregulierung ist. Zwar lassen sich bislang durch Herbizide Beikräuter (meist) zuverlässig kontrollieren, doch aufgrund zunehmender Resistenzen sowie der Risiken für Mensch und Umwelt sei zukünftig eine Methode der „many little hammers“ notwendig: Alle verfügbaren Stellschrauben wie u.a. Fruchtfolge, digitale Technologien, Bodenbearbeitung und mechanische Beikrautregulierung müssten einbezogen werden. Dies mache das Management deutlich anspruchsvoller, aber langfristig wirkungsvoll. Auch das JKI arbeitet in diversen Projekten zu den unterschiedlichen Aspekten des Beikrautmanagements. So werden z.B. mechanische Maßnahmen erprobt, die die Verbreitung unerwünschter Gräser wie Windhalm, Weidelgras und Ackerfuchsschwanz reduzieren sollen. Beim Verfahren „Harvest Weed Seed Control“ werden bei der Getreideernte Unkrautsamen separiert und durch eine Mühle am Mähdrescher zerstört. Bei der Methode „Top Cut Collect“ werden Gräser, die über das Getreide hinausgewachsen sind, hoch abgeschnitten und eingesammelt. All diese Verfahren zielen darauf ab, das Samenpotenzial im Boden insbesondere von schwer zu regulierenden Ackerfuchsschwanz oder Weidelgräsern zu reduzieren. In einem weiteren Projekt, „Better Weeds“, wird über Künstliche Intelligenz und digitale Technik zwischen problematischen und bekämpfungswürdigen Beikräutern und tolerierbaren Begleitarten differenziert, um so Herbizide gezielter einsetzen zu können (vgl. https://netzwerk-ackerbau.de/projekt-des-monats-better-weeds/).
Das Thema Fruchtfolge ist sicher genauso alt wie der Ackerbau selbst. Wie wichtig aktuell Fragen der Fruchtfolgegestaltung dennoch sind und welchen Beitrag die Fruchtfolge im Bereich der Beikrautregulierung leisten kann, berichtete Dr. Horst-Henning Steinmann von der Georg-August-Universität Göttingen. Schnell wurde deutlich: es gibt keine starre Struktur, nach der jeder landwirtschaftliche Betrieb verfährt und auch verfahren kann. Zwar gibt es allgemeingültige Grundsätze, wie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Blatt- und Halmfrüchten sowie Sommerungen und Winterungen. Auch zeigen sich in der bundesweiten Auswertung von InVeKoS Daten klare Trends der Fruchtfolgegestaltung je nach Region. Welche Kombination und Abfolge „die richtige“ ist, bleibt aber für jeden Einzelbetrieb zu bewerten. Die Wirkung der Fruchtfolge auf das Beikrautvorkommen ist nie exakt vorhersagbar. Doch „unterm Strich“ steht immer eine positive Wirkung weiter Fruchtfolgen und so schließt Dr. Steinmann mit den treffenden Worten: „Fruchtfolge ist nicht alles, aber ohne Fruchtfolge ist alles nichts.“
Markus Mücke, Fachbereich Ökologischer Landbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, erläuterte nachdrücklich die große Bedeutung der Sortenwahl auf das Vorkommen von Beikräutern. Pflanzenmerkmale wie eine planophile Blattstellung, Frohwüchsigkeit bzw. eine starke Massebildung sowie die Höhe der Kulturpflanzen haben wesentlichen Einfluss darauf, ob und in welcher Geschwindigkeit sich Beikräuter auf dem Acker entwickeln. Mit überzeugenden Bildern aus dem Versuchswesen des Fachbereichs zeigte Markus Mücke, wie stark sich verschiedene Sorten hinsichtlich der genannten Merkmale unterscheiden und wie gravierend sich dies auf das Vorkommen unerwünschter Beikräuter wie zum Beispiel des Windhalms auswirkt. Sein Fazit: die Sortenwahl gehört mit zu den entscheidenden vorbeugenden Maßnahmen. Planophile, wüchsige und langstrohige Sorten helfen, Beikräuter zu unterdrücken und spätere Maßnahmen im Beikrautmanagement zu reduzieren.
Der große Instrumentenkasten vorbeugender Maßnahmen birgt weitere Ansätze: Professorin Dr. Verena Haberlah-Korr von der Fachhochschule Südwestfalen zeigte Bilder von Beisaaten im Winterraps und berichtete aus den laufenden Projekten des Fachbereichs Agrarwirtschaft Soest auf dem Versuchsgut Merklingsen: Beisaaten erfüllen vielseitige Zwecke. Neben Biodiversitätsleistungen, Erosionsschutz und Humusaufbau wirken sie auch beikrautunterdrückend oder dienen der Schädlingsablenkung. Sie bieten Schädlingen entweder eine alternative Nahrungsquelle oder halten sie durch Farbe und Geruch vom Raps fern. Die Zusammensetzung der Beisaat ist entscheidend für den Erfolg der Maßnahme – dabei spielen Faktoren wie das Beikrautunterdrückungsvermögen, die Konkurrenzkraft gegenüber der Kulturpflanze sowie ggf. die Herbizidverträglichkeit der Komponenten eine wichtige Rolle.
Im zweiten Tagungsblock standen nach den vorbeugenden nunmehr die mechanischen Maßnahmen der Beikrautregulierung im Mittelpunkt. In einem weiteren Vortrag berichtete Markus Mücke von seinen langjährigen Erfahrungen, die er bei Versuchen rund um Striegel und Hacke gesammelt hat und gab einen Überblick über reihenabhängige und reihenunabhängige Geräte. „Auswahl und Entwicklung im Bereich mechanischer Regulierungsverfahren sind hoch. Beispielsweise sind bei Zinkenstriegeln große Fortschritte bei der indirekten Federung der Zinken sowie der Zinkentypen zu verzeichnen. Auch bei der reihenabhängige Hacktechnik besteht ein breites Angebot präzise arbeitender Geräte. Besonderes Augenmerk legen wir bei unseren Versuchen auf den Beikrautregulierungserfolg in den Pflanzenreihen. Hierbei können Geräte wie die Fingerhacke oder das Diagonal- bzw. Querfahren mit dem Striegel einen wichtigen Beitrag leisten“, erläuterte Mücke. Neben Versuchsergebnissen u.a. zur Striegelverträglichkeit von Zuckerrüben und Mais, gab er hilfreiche Tipps für den Einsatz in der Praxis und zeigte Potenziale, aber auch Grenzen der verschiedenen Verfahren auf. Am Ende seiner Ausführung war klar: Viele Faktoren beeinflussen den Erfolg mechanischer Maßnahmen und jedes Jahr und jeder Standort sind anders – ein Vorgehen nach starrer Routine ist selten möglich.
Nach den schleppergezogenen Geräten beleuchtete Volker Graß, ebenfalls vom Fachbereich Ökologischer Landbau der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die autonome Hacktechnik. Für die Robotik im Beikrautmanagement sprechen der Arbeitskräftemangel, geringere Kosten und ein niedrigerer Bodendruck, der von den momentan verfügbaren Geräten ausgeht. Verschiedene Modelle sind aktuell in der Entwicklung. Der FarmDroid ist bereits EU-weit auf über 400 Betrieben im Einsatz. Er sät die Kultur und hackt sie anschließend autonom zwischen und in den Reihen von Zuckerrüben, Roter Bete, Raps, Kräutern und auch Zwiebeln. Die schwenkbaren Hackmesser des RTK-gesteuerten und solarbetriebenen Roboters sind in der Lage, bis dicht an die Pflanze heranzuarbeiten und leisten so im ökologischen Zuckerrübenanbau einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion der Handhackstunden – laut aktuellen Versuchen der LWK Niedersachsen ist die Halbierung möglich. Allerdings ist die Schlagkraft des FarmDroids begrenzt. Die Ansprüche an die Saatbettvorbereitung sind hoch und auch der Betreuungsaufwand des Geräts sollte im Auge behalten werden.
Einen neuen Ansatz verfolgt das Projekt ABHA der Technischen Hochschule in Köln. Simon Kubinski vom Institut für Bau- und Landmaschinentechnik erklärte das Prinzip der sensorgesteuerten in-row-Hacktechnik im Mais: Anstelle von RTK- oder kameragesteuerten Varianten wird mittels eines Biegestabes die Kulturpflanze sensorisch erkannt, sodass die Hackmesser dicht um den Mais herumarbeiten können. Die Sensoren wurden im Rahmen des Projekts entwickelt und werden nun in Feldversuchen geprüft. Probleme ergeben sich zurzeit noch unter anderem bei der Erkennung sehr dicht stehender Pflanzen. Im Jahr 2024 soll das Verfahren weiter optimiert und erprobt werden.
Mit einem für viele landwirtschaftliche Betriebe entscheidenden Thema ergänzte Jonas Groß vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL) die technischen Ausführungen seiner Vorredner: Er zog einen Vergleich der Kosten und des Arbeitszeitbedarfs mechanischer und chemischer Beikrautregulierung. Groß verwies auf die Lohn- und die Herbizidkosten als die beiden großen Stellschrauben. In der Regel sind für mechanische Verfahren deutlich höhere Arbeitskraftstunden (Akh) pro Hektar nötig als bei der Überfahrt mit der Pflanzenschutzspritze. Bei großer Arbeitsbreite und großen Schlägen schneidet der Striegel jedoch besser ab, da kein Nachtanken notwendig ist. Im Gesamtkostenvergleich verschiedener Regulierungsverfahren spielen die Anzahl an Überfahrten mit mechanischen Geräten sowie die Intensität des Herbizideinsatzes eine wesentliche Rolle. Für die individuelle Berechnung von Arbeitszeitbedarf sowie variabler und fixer Maschinenkosten stellt das KTBL kostenlose Webanwendungen zur Verfügung. Neben der Berücksichtigung pflanzenbaulicher Aspekte kann so auch ein Überblick über entstehende Kosten der jeweiligen Bewirtschaftungsweise abgebildet werden.
Claus-Friso Gellermann, Mitglied im Vorstand des Vereins Netzwerk Ackerbau Niedersachsen e.V. fasste in seinem Schlusswort die wesentlichen Erkenntnisse des Tages zusammen: Ein einheitliches Verfahren zur Beikrautregulierung gibt es nicht – die Möglichkeiten sind vielseitig und komplex. Auch vor dem Hintergrund der Klimaänderungen werden u.a. mit Blick auf neue Beikräuter und -gräser, andere Zeitfenster der Regulierung und ggf. neue Kulturpflanzen die Herausforderungen zunehmen. Intensiver Erfahrungsaustausch, eine aufgeschlossene Beratung, kreative Ideen und Mut zum Ausprobieren sind gefragt, damit neu gewonnene Erkenntnisse auf den landwirtschaftlichen Betrieben weiter in die Umsetzung kommen.
Kontakte
Dr. Alexandra Wichura
Leiterin Fachbereich Ökologischer Landbau
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