Hochwasserschutz: Intelligente Fallen im Kampf gegen Nager an Wasserläufen
Landwirtschaftskammer, Jägerschaft und Unterhaltungsverband informieren Landwirtschaftsministerin Otte-Kinast über Erfolge und Herausforderungen bei der Nutriajagd
Quendorf – Nutria beschädigen in Niedersachsen Deiche und Uferböschungen und sind damit ein Risiko für den Hochwasserschutz. Die Nagetiere fressen Mais und andere Kulturen von angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen und gefährden mit ihrem Appetit stellenweise sogar die Artenvielfalt. Das seit 2019 vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz finanzierte und von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) praktizierte Jagdmanagement hilft spürbar dabei, die Ausbreitung dieser fremden Art, die ursprünglich aus Südamerika stammt, einzudämmen, und soll daher weiterentwickelt werden: Darauf machten Fachleute der LWK, Vertreter*innen der Jägerschaft sowie des örtlichen Unterhaltungsverbandes am Mittwoch (11.05.2022) bei einem Treffen mit Agrarministerin Barbara Otte-Kinast an der Vechte bei Quendorf (Landkreis Grafschaft Bentheim) aufmerksam.
„Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Jägerschaft, Unterhaltungsverbände und Kommunen haben in manchen Regionen bei der Nutriabejagung gemeinsam schon viel erreicht – dort, wo die Zusammenarbeit funktioniert, können die Tierbestände und damit das Risiko für den Hochwasserschutz deutlich reduziert werden“, berichtete Stefan Ortmann, stellvertretender Kammerdirektor und Leiter des LWK-Geschäftsbereichs Landwirtschaft. „Dass es in Niedersachsen aber weiterhin Gegenden gibt, in denen sich die Nagetiere nahezu ungehindert ausbreiten können, zeigt, dass wir trotz der Erfolge unser Engagement ausbauen sollten.“
Nach Angaben von Heiko Fritz, bei der LWK Koordinator für die Nutriabejagung, lag die Gesamtzahl der in Niedersachsen erlegten Nager im gerade abgelaufenen Jagdjahr 2021/22 bei 39.864 Nutrias (2020/21: 44.395, 2019/20: 41.369). Neben Fritz organisieren bei der LWK drei hauptamtliche Nutriajägerinnen und -jäger zusammen mit zahlreichen freiberuflichen Jäger*innen die Nutriabekämpfung.
LWK-Nutriajäger Björn Matthies und Nutriajägerin Johanne van Scharrel-Bruns erklärten Otte-Kinast die Funktionsweise der vom Ministerium finanzierten Lebendfallen, die bei der Nutriajagd zum Einsatz kommen. Knapp 95 Prozent der darin gefangenen Tiere seien Nutria sowie weitere Neozoen wie Waschbär, Marderhund, Mink und Bisam – dies zeige, dass diese Fallen gut funktionierten, so die Nutriafachleute. Im Jagdjahr 2021/22 seien allein mit diesen Fanggeräten 4.880 Tiere gestellt worden (2020/21: 5.052). Die Finanzierung der Lebendfallen für ein effektives Wildmanagement erfolgt aus Projektmitteln des Landwirtschaftsministeriums für „Stadt.Land.Zukunft“.
In dem unter anderem von Fritz betreuten EU-Projekt Life MICA, in dem es unter anderen an der Vechte um die Eindämmung der Nutria- und Bisampopulation und um die Einführung effizienter Kontrollmaßnahmen über die Ausbreitung dieser Arten geht, werden außerdem neuartige, „intelligente“ Fallen erprobt. „Diese selektiven Lebendfangfallen lösen nur aus, wenn die Zieltierart in der Falle ist – der Einsatz im Zuge des Projekts verläuft vielversprechend“, sagte der LWK-Koordinator. „Diese Fallen eignen sich vor allem für Naturschutzgebiete, da Störungen durch Kontrollen, welches Tier gefangen wurde, wegfallen – in Stadtgebieten schützt dieser Fallentyp Hauskatzen, die sich für die Köder interessieren und damit eine herkömmliche Falle auslösen würden.“
Internationale Projektpartner bei Life MICA sind die Nachbarländer Niederlande und Belgien, die von Nutriajagd-Erfolgen in Deutschland besonders profitieren können. Weitere Projektpartnerin in Niedersachsen ist die Tierärztliche Hochschule Hannover.
Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast lobte die Aktivitäten der LWK: „Ich bin froh, dass wir mit diesem neuen Projekt endlich nach weiteren Lösungen suchen. Die stark wachsende Zahl der Nutria gefährdet die Deichsicherheit. Eine Unterhöhlung dieser Deichanlagen gilt es unter allen Umständen zu vermeiden, zumal die Nutria bereits die ostfriesischen Inseln erreicht hat. Einen weiteren erheblichen Schaden richtet sie im Böschungs- und Uferbereich der Gewässer an.“ Niedersachsen verfügt nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums über 650 Kilometer Sturmflutdeiche und deutlich über 1000 Kilometer weitere Deiche im Binnenland.
„Wir haben begonnen, für die Nutriajagd eine gute Struktur aufzubauen – aber für eine langfristige Regulierung der Bestände müssen wir unsere Anstrengungen intensivieren“, betonte auch Marcus Polaschegg, Leiter des zuständigen LWK-Fachbereichs Klima, Natur und Ressourcenschutz, Biodiversität, mit Blick auf die benachbarten Niederlande, die über ein leistungsfähiges System zur Bejagung der Nager verfügen.
„Dadurch, dass in Zukunft noch mehr Gewässer nach ökologischen Gesichtspunkten naturnah umgestaltet werden, erhalten auch fremde, invasive Tierarten wie die Nutria mehr Rückzugsräume – das macht die Bejagung nicht einfacher“, erläuterte Polaschegg weiter. „Deswegen benötigen wir in ganz Niedersachsen bei diesem Thema eine hohe Sensibilität.“
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