„Wozu soll ich mich versichern? Die Berufsgenossenschaft zahlt doch. Was soll mir sonst passieren!“ Das ist die Antwort vieler junger Leute auf die Rundumsorglos-Pakete und Startpolicen der Versicherungswirtschaft. Diese sind häufig nicht nur teuer, sondern auch schwer zu durchschauen. Dennoch sollten sich auch junge Landwirte mit ihrer Risikovorsorge befassen, denn Lücken in der Absicherung kann man nur vorbeugend schließen, nicht nachträglich reparieren.
Im Folgenden soll geklärt werden, welchen Versicherungsschutz junge Landwirtinnen und Landwirte benötigen.

Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft ist die gesetzliche Unfallversicherung für den Berufsstand. Hier genießen sowohl Unternehmer, Ehegatten, mitarbeitende Familienangehörige als auch Angestellte und Aushilfen Versicherungsschutz wie Unfalltagegeld, Unfallrenten und Hinterbliebenenrenten. Voraussetzung ist jedoch, dass die Verletzung oder Krankheit als Berufsunfall oder Berufskrankheit anerkannt ist. Hinzu kommt, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20% – bei Unternehmern und deren Ehegatten 30% – unfallbedingt eingetreten sein muss. Vorerkrankungen oder Verschleiß werden jedoch angerechnet. Fazit: Nicht alle Verletzungen, die bei der Arbeit passieren, führen auch zu einer Rentenleistung der Berufsgenossenschaft!
Welche Lücken gibt es in der gesetzlichen Rentenversicherung für junge Leute?
Eine große Versorgungslücke entsteht immer dann, wenn ein junger Mensch seine Arbeitskraft verliert, aber noch keine fünf Beitragsjahre (60 Monate) in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen kann. Dann hat er keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente (außer nach Arbeitsunfall) und seine Hinterbliebenen (Ehepartner, Kinder) bekommen nach seinem Tod keine Rente.
Welchen Schutz bietet die landwirtschaftliche Alterskasse?
Die landwirtschaftliche Alterskasse zahlt ebenfalls bei Erwerbsminderung eine Rente. Die Voraussetzungen entsprechen denen der gesetzlichen Rentenversicherung. Allerdings zählen bei den erforderlichen 60 Beitragsmonaten (5 Jahre) Zeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit. Schließt sich daran eine mindestens dreijährige Versicherungszeit in der Alterskasse an, besteht Rentenanspruch. Das könnte also für junge Landwirte wichtig werden, die nach der zweijährigen Ausbildung in die Alterskasse wechseln. Vor Ablauf der genannten drei Jahre besteht allerdings auch hier kein Rentenanspruch – weder bei Erwerbsminderung noch im Todesfall.
Die Rentenhöhe wird dann hochgerechnet bis zum 66. Geburtstag + 2 Monate (in 2025, erhöht sich jährlich bis 2031 auf 67 Jahre). Wird also ein 26 jähriger Landwirt erwerbsgemindert, so werden ihm für die Rentenberechnung gut 40 Jahre dazu gerechnet.
Für die Altersrente bringt jedes Beitragsjahr als Unternehmer derzeit einen monatlichen Rentenanspruch von 18,15 €, bei Mifas (mitarbeitende Familienangehörige) die Hälfte.
Außerdem gibt es gegebenenfalls Reha-Maßnahmen oder einen Betriebshelfer auf Kosten der Alterskasse, letzteres aber nur für Unternehmer.
Welche Versicherungssumme bzw. Rentenleistung ist bei einer Risikolebens- bzw. Berufsunfähigkeits-Versicherung (BU) sinnvoll?
Die Höhe der zu versichernden Leistung richtet sich nach der Risikolücke im Fall eines Risikofalls, also der Differenz zwischen den zu erwartenden Einnahmen und den weiterhin fälligen Ausgaben. Es stellen sich Fragen, wie diese:
- Wie hoch sind die Einnahmen durch die gesetzliche Absicherung, z.B. durch die landwirtschaftliche Alterskasse?
- Sind anderweitige, gesundheitsunabhängige Einkommensquellen vorhanden? Z.B. Windkraft- oder Solaranlagen oder Einkünfte aus Immobilien oder Kapital. Stehen derartige Geldquellen im Ernstfall nicht zur Verfügung, muss die Absicherung für den Wegfall der Arbeitskraft höher sein.
- Welche finanziellen Verpflichtungen wie Pacht, Kapitaldienst, Altenteil blieben auch nach einem Risikofall weiterhin bestehen.
- Sollte der Betrieb auch im Falle einer Berufsunfähigkeit weiter bewirtschaftet werden? Dann sollte sich die Rente nach den Kosten für eine Ersatzkraft (z.B. 60.000 € im Jahr) orientieren.
Berufsanfänger ohne unternehmerische Verantwortung können in der Regel mit maximal 1.000 oder 1.500 € Rente einsteigen. Für sie ist dann aber unbedingt eine Nachversicherungsgarantie zu empfehlen (s. unten).
Soll mit der Risikolebensversicherung die Familie abgesichert werden, so richtet sich die anzustrebende Versicherungssumme auch nach der rechtlichen Absicherung. Können die Lieben auch nach dem Tod auf dem (dann schuldenfreien) Betrieb wohnen bleiben oder erben sie sogar, dann kann die Summe wesentlich niedriger ausfallen als z.B. für die Familie eines Pächters, Gesellschafters oder Angestellten. In diesen Fällen hat die Familie keine Erbansprüche an den Hof und muss demnach auch Geld für Mietzahlungen zur Verfügung haben. Die Versicherungssumme für Unternehmer sollte so hoch sein, dass sie die Einstellung einer Ersatzkraft bis zur Übernahme durch den Nachfolger oder die lebensnotwendige Ergänzung der Pachteinnahmen sichert. Sie richtet sich nach dem Alter der Kinder, der Höhe der Verpflichtungen (Altenteil, Kapitaldienst, Pachten) sowie der betrieblichen Leistungskraft. Muss sich die Familie jedoch nach dem Tod eine neue Existenz aufbauen, so sind je nach Alter der Kinder oftmals durchaus einige 100.000 € von Nöten. Denn 100.000 € ermöglichen es, bei Anlage zu 0,5 Prozent, 20 Jahre lang monatlich 438 € zu entnehmen – nicht genug für eine junge Familie!
Welche Leistungen sollte eine BU-Versicherung unbedingt enthalten?
Eine gute BU-Versicherung für junge Landwirtinnen und Landwirte sollte eine Nachversicherungsgarantie beinhalten. Dies bedeutet, dass bei bestimmten Ereignissen wie Betriebsübernahme, Eheschließung oder Geburt eines Kindes die versicherte Rente ohne neue Gesundheitsprüfung erhöht werden kann. Viele Versicherer lassen eine Verdopplung zu, manche sogar eine Verdreifachung. Die Nachversicherungsgarantie ist wesentlich sinnvoller als der Abschluss einer sogenannten Dynamik, die eine vertraglich vereinbarte regelmäßige Erhöhung der Beiträge und Leistungen eines Versicherungsvertrages beinhaltet.
Außerdem verzichten gute Anbieter auf die Verweisung auf andere Tätigkeiten und zahlen die Rente rückwirkend ab Eintritt der Berufsunfähigkeit. Gute Verträge schließen auch keine Vorerkrankungen aus. Als Alternative zum Ausschluss von Vorerkrankungen können Risikoaufschläge oder Karenzzeiten - d.h. wenn die Erkrankung in den nächsten 3 oder 5 Jahren nicht wieder auftritt, ist sie mit versichert - vereinbart werden.
Was kosten gute / preiswerte Versicherungen?
Gute Risikolebensversicherungen kosten z.B. für einen 30-jährigen Nichtraucher ein bis zwei Euro Jahresbeitrag pro 1000 € Versicherungssumme (Laufzeit 30 Jahre). Rauchende zahlen etwa einen Euro mehr.
Berufsunfähigkeitsversicherungen mit sehr guten Bedingungen kosten für eine 25-jährige Landwirtin 650 bis 1000 € Jahresbeitrag für 1000 € BU-Rente und eine Laufzeit bis zum 60. Lebensjahr.
Bei beiden Versicherungsarten ist darauf zu achten, Nettobeiträge zu zahlen. Sie ergeben sich, wenn vom Tarifbeitrag sofort die Überschüsse abgezogen werden. Auch bestehende Verträge können und sollten auf dieses Beitragssystem umgestellt werden.
Was ist besser: „Baukasten“ oder Komplettlösung?
Das kommt natürlich auf den Inhalt des „Baukastens“ an! Die meisten enthalten „Beiwerk“, das weniger sinnvoll bzw. sogar überflüssig ist. Dazu zählen eine private Haftpflichtversicherung (der Hofnachfolger ist samt Familie oder Lebensgefährtin beitragsfrei in der Betriebshaftpflichtversicherung versicherbar) oder eine Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr (eine ausreichend hohe Berufsunfähigkeitsrente ist die bessere Alternative). Junge Landwirte benötigen vor allem eine gute Absicherung ihrer Arbeitskraft durch Berufsunfähigkeits- und Risikolebensversicherung. Letzteres auch nur, wenn Sie Familie und / oder Kreditverantwortung haben. Wollen sie Kapitalbildung zur Altersvorsorge betreiben, sollten sie das von der Risikovorsorge getrennt halten, um flexibler zu bleiben.
Was ist im Falle von laufenden Krediten/ Schulden?
Verlangt die finanzierende Bank zur Kreditsicherung eine Risikolebensversicherung, so sollte diese besser getrennt von der Absicherung der Familie abgeschlossen werden. Ansonsten steht der Familie im Falle des Todes gar kein oder kein ausreichendes Kapital zur Verfügung. Ein schuldenfreier Betrieb allein ist selten Absicherung genug! Zur Absicherung von Fremdkapital kommt auch eine Restschuldversicherung in Frage, die sich in der Versicherungssumme an die Kreditentwicklung anpasst. Mit jeder Tilgung wird die Versicherungssumme entsprechend gesenkt.
Wer benötigt eine Krankenzusatzversicherung?
Es gibt viele Varianten von Krankenzusatzversicherungen – von Ausland bis Zahnersatz!
Sinnvoll kann eine Krankentagegeldversicherung für Angestellte im elterlichen Betrieb sein, da sie keinen Anspruch auf Betriebshilfe haben. Im Krankheitsfall (egal ob zu Hause oder im Krankenhaus) kann von der vereinbarten Auszahlung eine Aushilfe ganz oder anteilig finanziert werden. Zu überlegen ist eine Karenzzeit, d.h. die Versicherung setzt erst ab einer bestimmten Krankheitsdauer ein. Das spart Beitrag.
Ob darüber hinaus für Zahnersatz, Brille oder Krankenhausaufenthalt eine Zusatzversicherung gewünscht wird, hängt von der Risikobereitschaft und vor allem dem persönlichen Versorgungsanspruch ab. Existenzbedrohende Situationen können auch ohne eine solche Absicherung nicht entstehen.
Welche Möglichkeiten haben junge Hofübernehmerinnen und -übernehmer, um teure Versicherungsverträge los zu werden?
Es gibt Sonderkündigungsrechte. Innerhalb von 4 Wochen nach der Hofübernahme können übernommene Betriebsversicherungen gekündigt werden. Das ist eine ideale Gelegenheit, sich von zu teuren, aber auch schlechten Verträgen zu trennen. Vorsicht ist allerdings bei der Einhaltung der Frist geboten. Sie läuft ab Einkommensübertragung, ist also bei rückwirkenden Übernahmen eventuell schon verstrichen.
Grundsätzlich ist die Hofübernahme ein geeigneter Zeitpunkt, sowohl die betriebliche als auch die private Absicherung unter die Lupe zu nehmen. Damit sind nicht nur Versicherungen gemeint. Auch Vorsorgevollmacht, Testament und Ehe- bzw. Partnerschaftsvertrag (bei Unverheirateten) sind wichtige Themen, die in diesem Zusammenhang (neu) geregelt werden sollten.
Mit steigender Verantwortung für Familie und Betrieb steigen auch die Anforderungen an die private Vorsorge.
Checkliste - Welche private Absicherung benötigen junge Landwirtinnen und Landwirte unbedingt?
Angestellt auf dem elterlichen Betrieb (sozialversicherungspflichtig oder als Mifa):
• Berufsunfähigkeitsversicherung mit Nachversicherungsgarantie
• Krankentagegeldversicherung
Angestellt auf einem Fremdbetrieb
• Berufsunfähigkeitsversicherung mit Nachversicherungsgarantie
Teil einer Gesellschaft (mit Eltern)
• Berufsunfähigkeitsversicherung mit Nachversicherungsgarantie
Landwirtschaft als Eigentum oder Pacht
• Berufsunfähigkeitsversicherung
Mit eigener Familie
• Berufsunfähigkeitsversicherung
• Risikolebensversicherung (Höhe in Abhängigkeit von der rechtlichen Stellung)






















