Bereit sein für neue Wege: Landwirtschaftskammer setzt wichtige Impulse für zukunftsfähige Tierhaltung
Zweitägiges Fachforum Schwein und Geflügelmast in Lingen zeigt Entwicklungsmöglichkeiten für Betriebe in schwierigem Marktumfeld – Rund 2.500 Besucherinnen und Besucher bei Premiere im Emsland
Auf dem zweitägigen Fachforum Schwein und Geflügelmast am Mittwoch und Donnerstag (7. und 8. Juni 2023) in Lingen im Kreis Emsland zeigten Fachleute der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) sowie Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis den Tierhalterinnen und Tierhaltern spannende Entwicklungsperspektiven auf. Rund 2.500 Besucherinnen und -besucher kamen zur Premiere des Fachforums in den Emslandhallen, diskutierten mit den Referentinnen und Referenten und informierten sich bei den mehr als 100 Ausstellerinnen und Ausstellern auf der begleitenden Fachmesse. In den Vorjahren hatte das Treffen in Cloppenburg stattgefunden.
Branche bereit für Weiterentwicklungen
„Die Nutztierhaltung steht weiterhin im Fokus der gesellschaftlichen Diskussion – viele Herausforderungen sind schon benannt und müssen bewältigt werden“, sagte Hermann Hermeling, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, in Bezug auf die Schweinehaltung. Die Tierhalterinnen und Tierhalter seien grundsätzlich bereit, Weiterentwicklungen zu unterstützen und auch umzusetzen. „Dabei müssen aber auch die dafür notwendigen Rahmenbedingungen gegeben sein“, betonte Hermeling etwa mit Blick auf rechtliche Vorgaben bei Stallumbauten für mehr Tierwohl.
Zielkonflikte zwischen Tierschutz und Wirtschaftlichkeit
Kammerpräsident Gerhard Schwetje ging beim Fachforum unter anderem auf die Zielkonflikte ein, die den Betrieben mit Schweine- und Geflügelhaltung Schwierigkeiten bereiten: „Einerseits fordern Gesellschaft, Politik und nicht zuletzt der Lebensmittelhandel mehr Tierwohl und Tierschutz, schärferen Natur- Umwelt- und Klimaschutz, verbesserte Biodiversität, mehr Regionalität und mehr ökologische Landwirtschaft“, fasste Schwetje zusammen. „Andererseits führen aber all diese Forderungen zu einer Verteuerung der Produktion und müssten folgerichtig auch zu einer Steigerung der Erlöse unserer Produkte führen – leider ist dies beim Geflügel derzeit nicht der Fall.“
So befassten sich die Vorträge des Fachforums nicht nur mit Tier- und Umweltschutz sowie Energieeffizienz, sondern auch mit Verbesserungen bei der Wirtschaftlichkeit. „Die Schweinebranche befindet sich im Umbruch: Die Ferkel- und Fleischerzeugung bricht stellenweise weg, der Fleischabsatz sinkt wegen veränderter Essgewohnheiten und deutlich verteuerten Fleischpreisen“, berichtete LWK-Marktexperte Dr. Albert Hortmann-Scholten, Leiter des Fachbereichs Betriebswirtschaft, Markt, Unternehmensberatung.
Chancen und Risiken gerechter verteilen
Eine stärkere Integration der Wertschöpfungskette, wie beim Geflügel oft üblich, könne auch den Schweinehalterinnen und -haltern Vorteile verschaffen, führte Hortmann-Scholten aus. Als Beispiele nannte er die Mitgliedschaft in einer Erzeugergemeinschaft und eine engere Zusammenarbeit mit Viehhandel und Schlachtunternehmen. „Dies kann Chancen und Risiken der Vermarktung gerechter und planbarer verteilen.“
Zwar seien angesichts der Marktbedingungen in den zurückliegenden Jahren viele Betriebe aus der Schweinehaltung ausgestiegen, ergänzte Dr. Heiko Janssen, im LWK-Geschäftsbereich Landwirtschaft Leiter des Sachgebiets Tierhaltung. „Trotz aller Widrigkeiten gibt es noch viele Schweinehalterinnen und -halter, die eine Zukunft in der
Schweinehaltung sehen und sich auf die neuen Anforderungen einlassen wollen.“ Doch genau diese Anforderungen stünden vielfach noch nicht fest – dies sorge in der Branche für große Unsicherheit.
Reformbedarf bei Bau- und Umweltgesetzgebung
Janssen weiter: „Stand heute soll politisch die Schweinehaltung zukünftig mehrheitlich mit
Außenklimaställen und Ausläufen ausgestaltet sein. Um dies aber überhaupt
umzusetzen, müssen dringend entsprechende Regelungen in der Bau- und
Umweltgesetzgebung erlassen werden.“ Zusätzliche Anreize könnten flankierende Fördermöglichkeiten schaffen.
Während die Nachfrage nach Schweinefleisch zurückgeht, wächst beim Fleischverbrauch der Anteil des Geflügels weiter. „Geflügelfleisch bleibt bei den Konsumenten beliebt“, berichtete Mathias Klahsen, bei der LWK Leiter des Sachgebiets Markt. Allerdings stehe der Preis für Hähnchenfleisch als beliebtestes Geflügelfleisch durch Importware unter Druck. So baue zum Beispiel Brasilien die Hähnchenfleischproduktion massiv aus.
Gute Marktchancen bei der Geflügelmast
Dennoch böte die Geflügelmast und insbesondere die Hähnchenmast in Niedersachsen auch in Zukunft gute Perspektiven, sagte Klahsen. „Tierwohl-Maßnahmen führen zwar zu höheren Produktionskosten – zuletzt sinkende Futter- und Energiekosten und die Aussicht auf einen wachsenden Verbrauch in Europa für die kommenden Jahre stimmen viele Betriebsleitungen optimistisch.“ Gleichwohl stellten die vom Bund geplanten Anforderungen an die Geflügelmast – etwa bei der Putenhaltung ein größeres Platzangebot pro Tier – eine große Herausforderung dar.
Direktvermarktung: Nische für mehr Betriebserfolg
Wer sein Geflügel nicht an einen Branchenriesen abgibt, sonders es selbst vermarktet, kann seinen Betrieb stabiler aufstellen, betonte Iris Flentje, landwirtschaftliche Unternehmerin mit Geflügelhaltung und sozioökonomische Beraterin bei der LWK: „Direktvermarktung ist eine Nische, die je nach Betrieb durchaus einen wesentlichen Teil des Betriebserfolges ausmachen kann.“
Regional produzierte Ware sei der Kundschaft häufig wichtiger als Bio, sagte Flentje: „Sehr gute Qualität wird auch gut bezahlt.“ Eine breit aufgestellte Vermarktung mit unterschiedlichsten Partnern gebe in Krisenzeiten Stabilität. Wichtig bleibe, stets offen zu sein für zusätzliche Vermarktungsmöglichkeiten, so Flentje: „Wo eine Tür zugeht, geht eine andere auf – man muss nur danach Ausschau halten.“
Energie: Biomasse mit Potenzial
Neben dem Fleischmarkt bedarf auch der Energiemarkt eine intensive Analyse – das wurde durch im Vortrag von LWK-Energietechnikexperte Gerold Tammen deutlich. Wer in Zukunft ohne beziehungsweise mit weniger Gas und Öl auskommen wolle, prüfe am besten die Möglichkeiten der in der Landwirtschaft verfügbarer Biomasse wie Holz und Halmgut für die Energieerzeugung. „Zu klären ist, welche Technik auf dem Betrieb umsetzbar ist und ob vorhandene Systeme weiter genutzt und mit neuen Systemen kombiniert werden sollen“, sagte Tammen. Nur eine betriebsindividuelle Kalkulation ermögliche eine präzise Einschätzung, welche Art der Energieerzeugung wirtschaftlich Sinn ergebe.
Speziell auf die Bedürfnisse der Geflügelmästerinnen und -mäster ging anschließend Dr. Peter Hiller, bei der LWK Fachreferent für Geflügelhaltung, ein: Aktuell sind diese besonders stark vom Preis für Erdgas abhängig. „Durch die Energiekrise sind die Energiekosten mindestens um den Faktor drei angestiegen“, sagte Hiller. „Um sich der Energiewende zu stellen, sollte überlegt werden, in alternative Energiequellen in Form von Holzhackschnitzelheizungen, modernen Wärmetauschern, Blockheizkraftwerken sowie in Eigenstromerzeugung durch Photovoltaik zu investieren.“
Gut mit eigenen Kräften haushalten
Bei allen diskutierten technischen, finanziellen und gesellschaftlichen Anforderungen sollten die Bauernfamilien sich auf ihre Stärken verlassen – und zugleich mit ihren Kräften sehr gut haushalten, empfahl Anne Dirksen, Leiterin des LWK-Fachbereichs Familie und Betrieb, Landfrauenarbeit, Sozioökonomie. „Familienbetriebe haben ein enormes Leistungspotenzial: Sie beweisen täglich ihre Flexibilität und Kreativität, nutzen die Erfahrungen früherer Generationen besonders effizient“, sagte Dirksen.
Zugleich bestehe in den Bauernfamilien ein enormes Risiko der Überlastung, warnte die sozioökonomische Beraterin. „Der Erwartungsdruck ist hoch, zugleich fehlt es oft an Gelegenheiten, Probleme offen zu besprechen und zu lösen.“ Umso wichtiger sei es, Alarmsignale für Überlastung rechtzeitig wahrzunehmen und sich Hilfe zu suchen, bekräftigte Dirksen. „Nur wer sein persönliches Gleichgewicht findet und achtet, ist langfristig erfolgreich mit dem Betrieb und zufrieden mit seinem Leben.“
Input aus Praxis und Wissenschaft
Neben den Fachleuten der Kammer kamen Vertreterinnen und Vertreter aus Praxis und Wissenschaft in Lingen zu Wort. So berichtete Landwirtin Maria Schulte, Geflügel- und Schweinehalterin aus Meppen, über Erfahrungen und Erwartungen bei Vertragsbeziehungen. Ihre Empfehlung: Entlang der Wertschöpfungskette müsse es eine langfristige Zusammenarbeit auf Augenhöhe und mit klar formulierten Zielen geben. Landwirt Arnd von Hugo aus der Region Hannover schilderte seine Erfahrungen mit Beschäftigungsmaterial für mehr Tierwohl im Masthühnerstall.
Georg-Friedrich Thimm (Thünen-Institut Braunschweig) und Martin Wutke (Georg-August-Universität Göttingen) gaben einen Überblick über den Nutzen digitaler Technologien im Schweinestall, wie sie auch im Projekt DigiSchwein Anwendung finden. Dr. Birgit Spindler (Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover) berichtete, wie sich die Haltung von Putenhennen mit intakten Schnäbeln für die Tiere stressärmer gestalten lässt.
Nach der positiven Resonanz auf die Premiere des Fachforums Schwein und Geflügelmast in Lingen planen die LWK-Fachleute für Tierhaltung, diese Veranstaltung als Plattform für den Austausch mit allen Wirtschaftsbeteiligten auf Dauer im Emsland zu etablieren.
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