Wir bieten Lösungen - regional & praxisnah!

Landessortenversuche 2021: Hafer

Webcode: 01040103

In Niedersachsen hat sich der Haferanbau in den letzten Jahren wieder etwas stärker etabliert. Als wertvolle Auflockerung bestehender Fruchtfolgen spielt Hafer eine zunehmende Rolle, insbesondere auch in den Marschregionen.

Hafer
HaferCarsten Rieckmann
Die Anbaufläche lag 2021 mit 14.400 ha laut den vorläufigen Zahlen des niedersächsischen Landesamtes für Statistik (LSN) auf einem guten Niveau, zumal der Anbau von den Landwirten bewusst gewählt wurde und weniger als Lückenbüßer für im Herbst nicht zu bestellende Flächen verwandt wurde. Als einzige Sommergetreideart konnte Hafer seinen Anbauumfang gegenüber dem Vorjahr leicht ausdehnen, während andere Kulturen wie Sommergerste und Sommerweizen mehr oder weniger deutlich Federn lassen mussten. Der deutlich reduzierte Pflanzenschutzaufwand in dieser Kultur ist dabei sicherlich auch ein wichtiger Aspekt. Bei den derzeit in die Höhe geschnellten Stickstoffdüngerpreisen könnte Hafer mit seinen relativ geringen N-Düngeransprüchen auch noch im kommenden Anbaujahr profitieren. Für 2021 wird vom LSN ein durchschnittlicher Ertrag von 50,5 dt/ha ausgewiesen, der damit auf dem Niveau des Vorjahres liegt. Die bis Anfang Juni prognostizierten hohen Ertragserwartungen konnten wegen der doch nicht so günstigen Witterungsbedingungen nicht erfüllt werden; anscheinend wirkte sich u. a. die Hitzeperiode im Juni auch beim Hafer auf die Entwicklung aus. Regionale Unterschiede waren hier aber ebenfalls stark ausgeprägt.

 

Erträge der Sorten

In die Landessortenversuche Hafer wurden in den zwei Anbauregionen „Sandstandorte Nordwest“ und „Marsch, lehmige Standorte Nordwest“ zusätzlich zu den mehrjährig geprüften Sorten Max, Symphony, Apollon, Delfin, Armani und Lion zwei neu zugelassene Sorten aufgenommen, nämlich die Sorten Fritz und Magellan. Um der stärkeren Anbaubedeutung des Hafers auch in den Marschregionen Rechnung zu tragen, wurde der Versuch erstmalig zusätzlich am niedersächsischen Standort Otterham (LK AUR) für die Anbauregion „Marsch, lehmige Standorte Nordwest“ angelegt. Er ergänzt damit die beiden niedersächsischen Standorte Astrup (LK OS) und Poppenburg (LK HI) sowie je drei Standorte aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In der Anbauregion „Sandstandorte Nordwest“ konnten 2021 mit Holtorfsloh (LK WL), Wehnen (LK WST) und Werlte (LK EL) drei Standorte aus Niedersachsen sowie ein Standort aus Schleswig-Holstein in die Auswertung einfließen.

Zu den bereits vor bzw. seit 2017 im Landessortenversuch (LSV) geprüften Sorten zählen Max, Symphony und Apollon. Delfin befindet sich im fünften, Armani im vierten und Lion im dritten LSV-Prüfjahr. In den zusammengefassten mehrjährigen Ergebnissen 2017 bis 2021 wurden wieder Ergebnisse aus Wertprüfungen des Bundessortenamtes berücksichtigt, die in der Anbauregion Marsch, lehmige Standorte Nordwest durchgeführt wurden. Dies macht die Sortenbeurteilung der neueren Kandidaten entsprechend belastbarer.

Auf den Sandstandorten Nordwest wurden gegenüber den Vorjahren deutlich verbesserte Erträge von durchschnittlich 66,7 dt/ha geerntet. Zu verdanken sind diese guten Leistungen in erster Linie dem neuen Standort Werlte mit Erträgen von 81 dt/ha, der den bisherigen leichteren Standort Rupennest ersetzte. Aber auch in Holtorfsloh und Wehnen konnten mit 60 bzw. 69 dt/ha dank günstigerer Niederschlagsverteilung verbesserte Druschergebnisse erzielt werden. Ewas schwächer fiel der Ertrag am schleswig-holsteinischen Standort aus.

Auf allen vier Standorten konnte die neue Sorte Magellan mit überdurchschnittlichen Leistungen überzeugen und erreichte mit knapp rel. 106 das mit Abstand beste Ergebnis. Ebenfalls überdurchschnittliche und gleichmäßige Erträge erzielte Armani und lieferte mit insgesamt rel. 103 das zweitbeste Ergebnis. Bei etwas schwankenden Erträgen, aber insgesamt auch überdurchschnittlich schnitt Apollon mit rel. 102 ab. Die zweite neue Sorte Fritz konnte ihre guten BSA-Ertragseinstufungen noch nicht bestätigen und erreichte wie Delfin mit rel. 99 ein mittleres Ergebnis. Symphony, Lion und Max erzielten mit rel. 97 die geringsten Erträge.

Bei Betrachtung der mehrjährigen Ergebnisse zeigten Armani und Delfin die besten Leistungen, wobei insbesondere die Ertragskonstanz von Armani hervorzuheben ist. Symphony und Apollon liegen knapp dahinter. Sowohl Max als auch Lion erreichten nach den hohen Erträgen im Trockenjahr 2019 in den beiden Folgejahren nur unterdurchschnittliche Werte, sodass sie mit rel. 97,5 (Lion) bzw. 96,7 (Max) letztlich mehrjährig die schwächsten Erträge erreichten.

Armani, Delfin und Symphony sind aus ertraglicher Sicht für diese Anbauregion in erster Linie für die Fütterung als empfehlenswert eingestuft worden. Dank guter Qualitätseigenschaften wird Lion als Qualitätshafer mit Schwerpunkt hohes Hektolitergewicht (hl-Gewicht) für die Vermarktung empfohlen, ebenso nach wie vor auch die etwas ertragsschwächere Sorte Max. Dank sehr hoher Ertragsleistungen im ersten LSV-Jahr käme Magellan für den Probeanbau in Frage.

In der Anbauregion Marsch, lehmige Standorte Nordwest wurden mit 76,5 dt/ha etwas schwächere Erträge als im Vorjahr erzielt. Zu beachten ist die große Schwankungsbreite der Erträge zwischen den insgesamt neun Orten. So wurden auf den Marschstandorten Otterham (LK AUR) und Barlt in SH mit 90 bzw. 93 dt/ha Spitzenerträge erzielt, in Astrup hingegen lag der Ertrag mit 60 dt/ha unter dem Durchschnitt der Anbauregion. Der Bördestandort Poppenburg (LK HI) lieferte mit 74 dt/ha eher durchschnittliche Leistungen.

Während Delfin auf den leichteren Standorten eher schwächere Erträge erreichte, konnte die Sorte in dieser Anbauregion auf den ertragsstarken Standorten gute bis sehr gute Werte erzielen, sodass sie insgesamt mit rel. 103 als ertragsstärkste Sorte hervorging. Die neue Sorte Magellan konnte auch hier mit guten bis sehr guten Leistungen überzeugen, ebenso bestätigte Armani die guten Vorjahresleistungen. Bei etwas stärker schwankenden Erträgen lieferte die zweite neue Sorte Fritz mit rel. 101 bessere Ergebnisse als auf den Sandstandorten ab. Lion erreichte mit rel. 99 mittlere Erträge. Apollon, Max und Symphony folgten mit leicht unterdurchschnittlichen Werten.

Die Ertragsunterschiede zwischen den Sorten sind bei Betrachtung der mehrjährigen Ergebnisse relativ gering. Dank des guten aktuellen Jahres schneidet die seit 2017 geprüfte Sorte Delfin mit rel. 101,1 am besten ab, gefolgt von der sehr konstanten Sorte Armani. Die dreijährig geprüfte Sorte Lion erreichte mit rel. 99,6 mittlere Ergebnisse. Symphony, Max und Apollon liegen ertraglich mit Werten von rel. 99,0 bis 97,8 recht eng beieinander. Da in dieser Anbauregion zahlreiche Wertprüfungen in die Auswertung mit eingehen, stehen für die erstmalig im LSV stehenden Sorten Fritz und Magellan bereits 17 Ergebnisse zur Verfügung. Diese Vorprüfungsergebnisse bestätigen im Prinzip die aktuellen LSV-Leistungen, sodass beide mit rel. 102 ertraglich überzeugen konnten.

Für diese Anbauregion sind aus ertraglicher Sicht Delfin und Armani für den Anbau zu empfehlen. Mit etwas schwächeren Erträgen erhält Symphony auch noch eine eingeschränkte Empfehlung, da die Ertragsunterschiede relativ gering ausfallen. Mit insgesamt guten Erträgen und Qualitäten zeichnet sich nach drei Prüfjahren Lion aus und kann daher vor allem auch für die Vermarktung angebaut werden. Die Sorte Max ist hier ebenfalls für den Anbau empfehlenswert, wenn die Priorität auf hohe hl-Gewichte und geringe Spelzanteile gelegt wird. Für den Probeanbau kommt Magellan in Frage sowie unter Berücksichtigung der Lageranfälligkeit eingeschränkt auch Fritz.

 

Ergebnisse der Qualitätsuntersuchungen

Die Nachfrage nach Qualitätshafer nimmt seitens der aufnehmenden Hand weiter zu. Daher sollte versucht werden, diesen Markt stärker durch heimischen Anbau zu bedienen. Wie bei anderen Kulturen auch - als Beispiel seien hier der Qualitätsweizen- oder der Braugerstenanbau genannt - sollten, wenn möglich, bereits vor der Aussaat die Abrechnungsmodalitäten für die Qualitätsparameter beim Verkauf abgestimmt werden. Entsprechende Qualitätsaufschläge bei der Vermarktung als Industriehafer für die Nährmittelherstellung oder aber der Direktverkauf an Pferdehalter machen den Haferanbau wirtschaftlich interessanter.

Um Preisaufschläge für Industriehafer zu bekommen, müssen jedoch Mindestanforderungen des Handels erfüllt werden. Dieses gelingt oftmals nicht. Nach wie vor ist das Hektolitergewicht (hl-Gewicht) eines der wichtigsten Kriterien. Gefordert werden Gewichte von 54 kg/hl, für die Einstufung als Qualitätshafer sind es sogar 55 kg/hl.

Mit Werten von durchschnittlich 47,5 kg/hl wurden die geforderten Normen von allen Sorten bei Weitem verfehlt. Allerdings zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Standorten. So konnten zumindest auf dem ertragsstarken Marschstandort Otterham von den meisten Sorten noch Werte über 50 kg/hl erreicht werden, auf anderen Standorten lagen die Werte bei lediglich 44 bis 47 kg/hl. Die bereits bei den Winterungen festgestellte forcierte Abreife mit entsprechend geringen hl-Gewichten war offensichtlich auch beim Hafer mit als Ursache dafür anzusehen.

Max erreichte wie in den Vorjahren die besten Werte, knapp dahinter lieferte die dreijährig geprüfte Sorte Lion die zweitbesten Ergebnisse. Die vom BSA als sehr stark lageranfällige Sorte Fritz wurde in erster Linie aufgrund ihrer guten hl-Einstufung in die Prüfung aufgenommen, konnte dieses in den LSV allerdings bei nur durchschnittlichen hl-Gewichten nicht bestätigen.

Die geforderten Mindestwerte von 27 g/i. Trs. beim TKM und 20 g/i. Trs. Tausendkerngewicht (TKM abzüglich Spelzen) wurden von allen Sorten klar erfüllt. In beiden Kriterien erreichten Fritz, Delfin und Apollon die besten Werte.

Bei der Produktion von Haferflocken wird Wert auf einen möglichst geringen Anteil an Spelzen gelegt. Der Spelzanteil lag in den Versuchen 2021 mit 26,0 % knapp innerhalb der geforderten Norm. Die geringsten Spelzanteile wies mit 24,9 % Lion auf; innerhalb des Normbereiches blieben auch Armani und Max mit 25,5 und 25,6 %. Im orthogonalen Vergleich der letzten drei Jahre konnten durch geringe Spelzanteile vor allem Max und Lion überzeugen.

Um einen erfolgreichen Haferanbau zu gewährleisten, ist eine gesicherte Wasserversorgung erforderlich. Das haben die Jahre 2018 und 2019 gezeigt. Die Aussaat sollte möglichst zeitig im Frühjahr erfolgen, sobald es die Witterungs- und Bodenverhältnisse zulassen. Die Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit wirkt sich positiv auf den recht hohen Wasserbedarf aus.

Für die Produktion von Qualitätshafer gilt es, die genetisch fixierten Sortenunterschiede zu berücksichtigen.

Die empfohlenen Sorten im Einzelnen:

Max ist zur Erzeugung von Qualitätshafer nach wie vor die Sorte der Wahl, da sie in der Kombination von hohen hl-Gewichten und geringem Spelzanteil über die Jahre die besten Ergebnisse liefert. Die gegenüber den Vorjahren wieder sprunghafte Ausdehnung der Vermehrungsfläche ist ein deutliches Zeichen für die Anbaubedeutung dieser mit Abstand anbaustärksten Hafersorte. Sie wird daher vornehmlich als qualitätsbetonte Sorte für den Anbau empfohlen. Ertraglich konnte sich Max in den beiden Trockenjahren recht gut behaupten, fiel 2020 und 2021 jedoch auf das mehrjährige Ertragsniveau zurück. Agronomisch ist die im Vergleich zu den anderen Prüfkandidaten höhere Lagerneigung zu beachten.

Lion konnte die recht hohen Erwartungen nach dem ersten LSV-Jahr 2019 vor allem auf den Sandstandorten Nordwest nicht ganz erfüllen. Da sie neben der Sorte Max jedoch die besten Qualitätseigenschaften aufweist, wird sie in erster Linie für den Qualitätshaferanbau empfohlen, zumal sie auch deutlich standfester und halmstabiler ist.

Delfin überzeugte mehrjährig betrachtet ertraglich vornehmlich auf den ertragsstärkeren Standorten in der Anbauregion Marsch, lehmige Standorte Nordwest. Die Qualitätsergebnisse waren in den Jahren allerdings etwas schwankend, insbesondere beim Spelzanteil zeigte sie in unseren Versuchen nur durchschnittliche Ergebnisse. Positiv hervorzuheben ist die Standfestigkeit und die Unempfindlichkeit gegenüber Mehltau, zu beachten hingegen ist die deutliche Reifeverzögerung im Stroh.

Die vierjährig geprüfte Sorte Armani überzeugte auch in diesem Prüfjahr durch die hohe Ertragskonstanz und zählt damit zu den ertragsbetonten Sorten. Schwächen zeigte die Sorte allerdings im Hektolitergewicht sowie in der nur durchschnittlichen Einstufung gegenüber Lagerneigung und Halmknicken. Im Spelzanteil zählt sie zu den besseren Sorten, ohne jedoch das gute Niveau von Max und Lion zu erreichen. Insbesondere die Schwäche im hl-Gewicht führt dazu, dass die Sorte in der Praxis keine große Verbreitung hat, was anhand der Vermehrungsfläche erkennbar wird.

Symphony lieferte 2021 etwas schwächere Ertragsleistungen, wird jedoch bei durchschnittlichen mehrjährigen Ergebnissen noch uneingeschränkt auf den Sandstandorten empfohlen. Da die standfeste Sorte auf den ertragsstärkeren Standorten in der Marsch und auf den Lehmstandorten etwas schwächer abschnitt, erfolgte hier nur eine eingeschränkte Empfehlung.

Zusammenfassung

Hafer konnte als einzige Sommergetreideart die Anbauzahlen in Niedersachsen festigen. Als Gesundungsfrucht mit geringer Krankheitsanfälligkeit findet sie vor allem auch in durch Winterungen dominierten Fruchtfolgen zunehmend Beachtung. Die erfreulich starken Ertragsleistungen auf den Marschstandorten könnten dort zu einem erweiterten Anbau führen, zumal dadurch auch ackerbauliche Probleme, wie beispielsweise die Ackerfuchsschwanzbekämpfung, effektiver gelöst werden könnten.

Während im vergangenen Jahr noch positive Signale von der Vermarkungsseite erkennbar waren, konnte Hafer nach der Ernte allerdings nicht in dem Maße vom Preisaufschwung profitieren, wie es bei Weizen oder vor allem auch bei der Braugerste der Fall war. Um Preisaufschläge zu realisieren, müssen die entsprechenden Qualitätskriterien relativ sicher erfüllt werden. Die Sortenwahl kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Da nach wie vor jedoch der Großteil der Erntemenge in die Fütterung fließt, spielt auch hier der Ertrag die entscheidende Rolle, wo allerdings beim Verkauf ein hohes hl-Gewicht von großer Bedeutung ist. In Abhängigkeit von den Vermarktungsmöglichkeiten sind bei der Anbauplanung die unterschiedlichen Sorteneigenschaften zu berücksichtigen.