Die eigene Rolle finden im Hofübergabetheater!
Wenn sich der Hofeigentümer oder die -eigentümerin dem Rentenalter nähert, wird auf den Höfen oftmals intensiver über die Hofübergabe nachgedacht. Hierzu informieren sich die Übergeber und die Übernehmer im Idealfall frühzeitig über die rechtlichen, die finanziellen sowie auch über die steuerlichen Möglichkeiten und Konsequenzen. Zu kurz kommen oftmals die Auswirkungen bei der Generationenfolge hinsichtlich des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens.
So ist es auch bei Familie Schmidt. Sie bewirtschaften einen Milchviehbetrieb mit 200 Milchkühen. Der Hof befindet sich im Eigentum des 63-jährigen Wilhelm Schmidt, der diesen seit seiner Hofübernahme zusammen mit seiner Ehefrau Claudia bewirtschaftet hat. Aktuell wird der Hof als Vater-Tochter-GbR mit der 30-jährigen Marie geführt. Die Tochter hat nach der Ausbildung und Praxisjahren auf dem elterlichen Betrieb die Meisterausbildung folgen lassen. Anschließend ist Sie zunehmend in die Mitarbeit und die Betriebsführung im väterlichen Betrieb eingestiegen. Seit letztem Jahr ist Marie mit Max verheiratet. Max kommt auch von einem landwirtschaftlichen Betrieb, arbeitet momentan im Landhandel und will langfristig im Betrieb mit einsteigen. Max und Marie wohnen ebenso wie Claudia und Wilhelm in jeweils getrennten Wohnungen auf der Hofstelle.
Das der Hof in rund drei Jahren auf Marie übertragen werden soll und sie diesen weiterführt, ist für alle klar. Auch ist dieses mit den Geschwistern von Marie schon besprochen worden. Es hat sogar zum Teil schon Abfindungszahlungen gegeben. Alles gut möchte man meinen.
Doch in der letzten Zeit kommt es immer wieder zu schlechter Stimmung und Streit. Was sind die Gründe dafür? Es dreht sich im Wesentlichen um folgende wichtige Fragen: Welche Aufgabe, welche Rolle hat jeder zukünftig? Was wollen wir betrieblich tun? Wie wollen wir zusammenarbeiten?
Auf den Höfen gibt es in der Regel zwei verschiedene parallele „Lebens“-Systeme. Zum einen das Familiensystem mit den Eltern, den Kindern, den Großeltern und den Enkelkindern. Die Eltern bleiben immer die Eltern und die Kinder die Kinder. Aus Kindern können natürlich Eltern werden und durch die Geburt der Kinder vergrößert sich das Familiensystem. Ebenso kommen durch Heirat Schwiegerkinder hinzu. Ansonsten bleibt dieses System bis zum Versterben von Familienmitgliedern gleich und verändert sich nicht. Ergänzend gibt es noch das Betriebssystem. Da gibt es dann natürlich den oder die Betriebsleiter(in) sowie den oder die Familienmitglieder als „Mitarbeiter“. Bei größeren Familienbetrieben kann es dann noch einzelne Familienmitglieder geben, die für einzelne Betriebszweige (Ackerbau, Sauenhaltung, Kälberaufzucht usw.) verantwortlich zuständig sind. Vergleichbar mit Abteilungsleitern in Firmen.
Bei einer Hofübergabe aber auch gegebenenfalls schon beim Einstieg der Tochter oder des Sohnes in den Betrieb kann es hier zu Verschiebungen kommen. Der bisherige Chef ist dann nicht immer mehr der uneingeschränkte Chef. Spätestens bei der Hofübergabe wird dann in der Regel aus dem Betriebsleiter ein Mitarbeiter und aus dem Übernehmer in Form der Tochter/des Sohnes der/die neue Chef(in). So ist es auch bei der Familie Schmidt. Marie hat zunehmend Managementaufgaben übernommen: sie ist mittlerweile verantwortlich für die Rationsberechnung, der Fütterung und plant überwiegend auch die Anpaarung der Kühe. Das hat sich so entwickelt, weil Marie zum einen Spaß daran hat und der Vater sich lieber um andere betriebliche Dinge kümmert. Trotzdem fragt sich Vater Wilhelm zunehmend, was eigentlich zukünftig für ihn bleibt? Welche Rolle kann er zukünftig auf dem Hof spielen und finden? Welche Kompetenz und Verantwortung bleiben ihm noch?
Hinsichtlich der weiteren Betriebsentwicklung möchte Marie gerne einen neuen Kälberstall bauen, da es bei der Kälbergesundheit aus ihrer Sicht immer wieder zu Problemen kommt. Zudem würde sie das Melken gerne auf Melkroboter umstellen. Das Melken und das Kälberfüttern liegen bisher im Hauptverantwortungsbereich von Wilhelm und seiner Frau Claudia. Sie stellen sich die Frage, ob sie denn noch alles richtig machen? Zudem haben sie Angst vor den großen Investitionsschritten, gerade bei den aktuell unsicheren Zeiten und Marktentwicklungen. Marie hat sich intensiv Gedanken hierzu gemacht und das mit Max geplant. Sie wünscht sich mehr Unterstützung von ihren Eltern, ähnlich der, die sie von Max bekommt. Aber die Fronten scheinen sich zunehmend zu verhärten. Gespräche finden oftmals gar nicht mehr statt. Beide haben den Eindruck, dass sie sowieso nichts mehr bringen, da sie immer eskalieren. Das Gespräche zwischen Vater und Tochter nur schwer möglich sind, liegt u.a. auch daran, dass die beiden sehr unterschiedliche Unternehmertypen sind. Wilhelm ist der überlegende und planende Unternehmer gewesen. Investitionen hat er mehrfach intensiv durchgerechnet und immer auch nach Alternativen geschaut. Er brauchte eine gewisse Sicherheit bevor er Schritte in die Wege geleitet hat. Auch die Tendenz, dass die landwirtschaftlichen Betriebe immer schneller immer größer werden müssen, hält er für bedenklich. Das geht seiner Meinung nach zu Lasten der Familie und schürt zusätzlich den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Daher sieht er Maries Planungen eher kritisch.
Marie hingegen ist die geborene Macherin. Sie ist überzeugt von ihren Entscheidungen. Wenn sie die Notwendigkeit einer Veränderung sieht, muss diese auch umgesetzt werden. Diese unterschiedliche Herangehensweise und die unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei betrieblichen Entscheidungen erschweren es den beiden zunehmend, sich überhaupt noch hierüber auszutauschen. Claudia hat eher das Gefühl zwischen den Stühlen ihres Mannes und ihrer Tochter zu sitzen. Sie versucht zu vermitteln, was ihr aber immer seltener gelingt. Max hält sich bei den gemeinsamen Gesprächen eher raus – versucht aber seiner Frau den Rücken zu stärken.
Was ist zu machen?
Planen Sie bei dem zunehmenden Einstieg der jüngeren Generation in den landwirtschaftlichen Betrieb regelmäßige Gespräche hinsichtlich betrieblicher Entscheidungen, der weiteren Betriebsentwicklung und den Zielen ein. Grundsätzlich können diese Gespräche beim Mittagessen geführt werden. Oftmals ist es aber sinnvoller hierfür einen eigenen Rahmen zu schaffen, um auch „Familie“ und „Betrieb“ mehr zu trennen: „Beim Essen muss es nicht immer nur um den Betrieb gehen!“.
Versuchen Sie die unterschiedlichen Meinungen wertschätzend aufzunehmen und nicht sofort weg zu diskutieren. Jeder hat vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen, Werte und Bedürfnisse eine eigene Sichtweise. Ablehnende und kritische Haltungen richten sich in der Regel nicht gegen die andere Person direkt, sondern haben mit eigenen Ängsten, Wünschen und Erwartungen zu tun. So wie beim Vater Wilhelm im Beispiel. Nehmen Sie sich Zeit beim Austausch hinsichtlich betrieblicher Entscheidungen. Veränderungen sollten nach Möglichkeit von allen mitgetragen werden. Hierdurch können Rückschläge, die bei Veränderungsprozessen eigentlich normal sind, einfacher und besser verkraftet werden.
Hinsichtlich der dann abschließenden Entscheidungen ist es wichtig zu klären, wer diese dann zu treffen hat: „Wer hat den Hut auf?“ Natürlich kann es auch mehrere Zuständigkeiten und Entscheider geben, z.B. der Vater, der für die Tierhaltung zuständig ist und der Sohn, der die Entscheidungen auf dem Acker trifft.
Grundsätzlich kann und wird es wahrscheinlich immer mal wieder zu Konflikten in der Familie kommen. Dabei ist es wichtig anzuerkennen, dass jeder unterschiedlich mit Konflikten umgeht. Wie beschrieben spielen hier auch die verschiedenen Persönlichkeiten eine große Rolle.
Wenn es mit den konfliktfreien Gesprächen in der Familie nicht mehr funktioniert, ist es sinnvoll sich hier Hilfe von außen hinzuzuholen. Landesweit gibt es verschiedene Angebote bei den landwirtschaftlichen Institutionen sowie auch bei der Landwirtschaftlichen Familienberatung. Die sozioökonomische Beratung der LWK Niedersachsen bietet zudem in einem gemeinsamen Projekt der SVLFG Beratungsangebote an, bei denen dann unter der Voraussetzung der Gesundheitsvorsorge sowie der Vermeidung von Belastungen auch die Kosten übernommen werden. Sprechen Sie hierzu einfach die Sozioökonomische Beratung vor Ort an.
Kontakte
Stefan Müller
Betriebswirtschaft, Sozioökonomische Beratung, Mediation
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