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Auswirkungen steigender Dünger- und Produktpreise auf die ökonomisch optimale mineralische Stickstoffdüngung in den Winterungen

Webcode: 01040278

Vor dem Hintergrund stark gestiegener Düngemittelpreise stellt sich vermehrt die Frage nach ökonomisch notwendigen Anpassungen in der Stickstoffdüngung. Die aktuelle Situation erfordert so kurzfristig umsetzbare und individuelle Anpassungsstrategien – gerade für die Betriebe, die sich für die Vegetation 2022 nicht im Vorfeld mit der erforderlichen N-Mineraldüngermenge zu günstigeren als den aktuellen Preisen eingedeckt haben.

Erste N-Gabe im Wintergetreide.
Erste N-Gabe im Wintergetreide.Caroline Benecke
In einer rein ökonomischen Betrachtung der Situation lässt sich dazu anhand langjähriger N-Steigerungsversuche für verschiedene Standortgruppen in Niedersachsen das ökonomisch optimale N-Angebot in Abhängigkeit vom Verhältnis zwischen Stickstoff- und Produktpreis abbilden. Standortgruppen, die nicht erwähnt sind, wiesen eine zu geringe Versuchsanzahl auf. Das neue ökonomische Optimum unter der aktuellen Preiskonstellation wird mit dem tatsächlichen Stickstoff-Bedarfswert nach DüV abgeglichen und schlussendlich das Reduktionspotenzial der Stickstoff-Düngung ausgehend vom tatsächlichen Bedarfswert in kg N/ha ausgewiesen. In den Abbildungen eins und zwei sind diese Potenziale für die Kulturen Wintergerste und Winterraps dargestellt. Dabei wird von der Ausgangssituation (alte Faktor- und Produktpreise) direkt auf die neue Situation geschlossen. Für die Ausgangssituation wurde ein N-Preis von 0,8€/kg N sowie Produktpreise in Höhe von 18€/dt Winterweizen, 17€/dt Wintergerste und 35€/dt Winterraps angenommen. Aus diesen Konstellationen resultiert ein altes N-/Produktpreisverhältnis von 4,4% beim Winterweizen, 4,7% bei der Wintergerste und 2,3% beim Winterraps.

Die Abbildungen 1-3 zeigen die ökonomisch sinnvollen Reduktionen der mineralischen Stickstoff-Düngung bei der aktuellen, angegebenen Preiskonstellation in Abhängigkeit vom tatsächlichen Bedarfswert nach DüV und der Bestandesentwicklung in unterschiedlichen Standortgruppen. Anhand dieser kann sich jeder einordnen. Zur ökonomisch sinnvollen Reduktion bei anderen Preiskonstellationen seien folgende Hinweise gegeben: Grundsätzlich steigt bei höheren Bedarfswerten der Abstand zum errechneten neuen ökonomischen Optimum bei der aktuellen Preiskonstellation an und das N-Reduktionspotenzial erhöht sich entsprechend. Die in den Grafiken angegebene neue Preissituation muss nicht für jeden Betrieb die vorherrschende sein, da der tatsächliche Kauf und Verkauf individuell zu anderen Preisen erfolgt sein kann. Aus diesem Grund sind beim Übertragen der Reduktionspotenziale auf den eigenen Betrieb folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • In jeder Grafik ist das neue, aktuelle Verhältnis von N- und Produktpreis angegeben. Dieser variiert individuell mit dem tatsächlichen Preis der letzten ge- bzw. verkauften N- bzw. Produkteinheit. Je größer der Quotient im Vergleich zur Ausgangssituation ist, desto höher können unter ökonomischen Gesichtspunkten die Anpassungen (Reduktionen) in der N-Düngung ausfallen:
    • Situation 1: Wurde beispielsweise N-Dünger zu alten geringen Preisen vor- und das Ernteprodukt zu hohen Preisen verkauft, ist dieser Quotient geringer und die Reduktion der Düngung sollte nur in einem geringeren Maße als angegeben erfolgen.
    • Situation 2: Wurde allerdings das Ernteprodukt zu alten Preisen bereits vorverkauft, der Stickstoff jedoch aktuell erst teuer eingekauft, sollte das Reduktionspotenzial deutlicher ausgeschöpft werden.
    • Andere Ein- und Verkaufskonstellationen ordnen sich entsprechend dazwischen ein.
  • Auf langjährig organisch gedüngten Standorten kann die Reduktion aufgrund der zu erwartenden höheren Nachlieferung um 5-10kg N höher ausfallen.
  • Auf Flächen in Roten Gebieten, auf denen der errechnete N-Düngebedarf im Schnitt der im Roten Gebiet liegenden Flächen des Betriebes um 20% reduziert werden muss, ist nur eine geringe oder keine Reduktion angeraten, weil das ökonomische Optimum unter aktuellen Preiskonstellationen häufig bereits oberhalb der dann noch möglichen Düngung liegt.

Auf Standorten, auf denen der errechnete Stickstoff-Bedarfswert auf einem niedrigeren als den in den Abbildungen angegebenen Niveaus liegt, ist aus rein ökonomischen Gesichtspunkten keine Reduktion der Düngung erforderlich, da die ökonomisch optimale N-Düngung bei aktueller Preiskonstellation hier häufig bereits nah am Niveau des Bedarfswertes liegt.

Sollten im Winterweizen (Bild 1) die tatsächlichen Bedarfswerte auf Ihrem Betrieb unterhalb der hier dargestellten liegen, ist eine Reduktion der mineralischen N-Düngung ökonomisch nur sinnvoll, wenn Weizen früh zu einem Preis von unter 19€/dt ver- und N zu hohen Preisen von über 2,4€/kg N gekauft wurde. Bei höheren als den angegebenen Bedarfswerten kann die Reduktion hingegen entsprechend höher ausfallen. Wenn hohe Produktqualitäten (Proteingehalt) angestrebt werden, ist eine Reduktion der Düngung mit Bedacht zu wählen, da der Proteingehalt auf eine verminderte Stickstoffdüngung schneller und intensiver reagiert als der Ertrag. Auf Marschstandorten ist aus ökonomischer Sicht die geringste Reduktion notwendig.

Reduktionspotenziale in Winterweizen
Reduktionspotenziale in WinterweizenCaroline Benecke

In der Wintergerste (Bild 2) sind beim Standardertrag von 70dt/ha und einem Bedarfswert von 180kg N/ha bereits Reduktionen in geringem Maße angeraten. Die potenziellen Reduktionen steigen mit steigendem Bedarfswert.

Wintergerste
WintergersteCaroline Benecke

In der Kultur Winterraps (Bild 3) ist eine wesentliche Reduktion der Düngung nur bei höheren Ertragserwartungen und daraus resultierenden höheren N-Bedarfswerten nach DüV angeraten. Das größte Reduktionspotenzial weisen hier die Marschstandorte auf. Dadurch, dass die Rapspreise deutlich stärker angestiegen sind als die Getreidepreise, ist das N-/ Produktpreisverhältnis geringer und die Reduktionspotenziale weniger groß als in den anderen Kulturen, da sich das ökonomische Optimum nur leicht nach unten verschoben hat.

Winterraps
WinterrapsCaroline Benecke

Die geringere Düngung wird das erzielbare Ertragsniveau leicht absenken. Je nach Kultur und Preiskonstellation liegt die Spanne rechnerisch zwischen einem und fünf dt/ha. Grundsätzlich ist zu beachten, dass das reduzierte Düngungsniveau nur dann ökonomisch optimal ist, wenn der dadurch erwartete Ertrag auch tatsächlich realisiert wird. Wenn also eine Reduktion erfolgen soll, erfordert dies hohe Wirkungsgrade der eingesetzten Düngemittel, insbesondere der Organik. Kann dies durch kritische Bedingungen wie z.B. lange Trockenphasen nicht garantiert werden, raten wir aus pflanzenbaulicher Sicht dazu, die Reduktion geringer ausfallen zu lassen, als es die Veränderung des ökonomischen Optimums hier zeigt. Wenn aufgrund der Vermarktung hohe Proteingehalte angestrebt werden, ist eine reduzierte Düngung ebenfalls insofern zu überdenken, als dass sich Reduktionen an dieser Stelle zunächst in einem sinkenden Proteingehalt wiederspiegeln – noch bevor sich durch die oben beschriebenen mitunter hohen Reduktionen der Stickstoffdüngung ein geringerer Ertrag einstellt. Natürlich kann auch weiterhin das höhere Ertragsniveau angestrebt werden – dies ist dann aber zurzeit nicht mehr ökonomisch optimal. Die letztgenannten Punkte abzuwägen obliegt also jedem Einzelnen. Der voraussichtlich geringere Ertrag führt bei deutlich reduziertem N-Einsatz dazu, dass sich auch der optimale Faktoreinsatz anderer Produktionsfaktoren reduzieren kann. Die hier zugrundeliegenden Berechnungen sind eine rein ökonomische Empfehlung und stellen ausdrücklich keinen neuen rechtlichen Rahmen dar.

Pflanzenbauliche Aspekte

In welcher Höhe die Düngung innerhalb der oben angegebenen Spanne tatsächlich reduziert werden kann, erfordert darüber hinaus die Betrachtung weiterer pflanzenbaulicher Parameter: Neben der ökonomischen Betrachtung können dazu folgende Aspekte des Pflanzenbaus hinzugezogen werden, um durch kurzfristig umsetzbare Anpassungsreaktionen vorhandenen Stickstoffdünger noch effizienter nutzen und auf dieser Grundlage insgesamt Einsparungen in der Stickstoffdüngung realisieren zu können:

  • Auf milden Standorten mit guter N-Nachlieferung und sicherer Wasserversorgung sowie langjährig organisch gedüngten Standorten mit hohem Nachlieferungspotenzial kann die N-Düngung bei guten Bedingungen eher reduziert werden.
  • Eine gute Pflanzen- und Wurzelentwicklung zu Vegetationsbeginn erschließt im Boden vorhandene Nährstoffe besser.
  • In Bereichen von Ungunstlagen, in denen die Effektivität der Düngung vermindert sein kann, kann die Düngung reduziert werden.
  • N-elastischere Kulturen wie Mais, Zuckerrübe oder Speise- und Vermehrungskartoffeln reagieren aufgrund ihrer flacher verlaufenden Ertragskurven auf eine reduzierte Düngung mit geringeren Ertragseinbußen als beispielsweise Qualitätsweizen oder Raps. So kann die verfügbare Stickstoffmenge, wenn nur ein gewisses Düngerkontingent zur Verfügung steht, zwischen den Kulturen im Rahmen der errechneten N-Düngebedarfe entsprechend umverteilt werden.
  • Eigene Nmin-Proben geben Informationen über den aktuell pflanzenverfügbaren Stickstoff im Boden, insbesondere auf langjährig organisch gedüngten Böden oder nach Zwischenfruchtanbau. Bei hohen Frühjahrs-Nmin-Werten kann die Düngung entsprechend reduziert werden. Auch eine auf die Frühjahrs-Nmin-Beprobung folgende späte Nmin-Probe im Vegetationsverlauf hilft, die Notwendigkeit oder Höher einer Anschluss- oder Folgedüngung abzuschätzen.
  • Technische Hilfsmittel wie Nitrachek, N-Tester, Satellitenkarten oder eine Pflanzenanalyse können helfen, den tatsächlichen, aktuellen Bedarf der Pflanzen abzuschätzen.
  • Durch eine hohe Ausnutzung organischer Düngemittel kann die mineralische Ergänzung geringer ausfallen. Neben den etablierten Grundsätzen der emissionsarmen Ausbringung (Witterung, Technik, Ansäuerung) ist es dafür essentiell, den genauen Nährstoffgehalt des Wirtschaftsdüngers zu kennen.
  • Die Vorfruchtwirkungen (Stickstoffnachlieferung) von Leguminosen, Zwischenfrüchten und anderen Kulturen sollten ausgeschöpft und in der Düngung realistisch berücksichtigt werden.
  • Grünland + Mais: hohe Grundfutterleistung hat bei hohen Kraftfutterpreisen besonders hohen Stellenwert (gute, resiliente Grünlandnarben), Düngerreduktion zum ersten Schnitt vermeiden.
  • Die Produktionsrichtung anpassen: Bei geringen Preisunterschieden zwischen bspw. B- und C-Weizen ist die Qualitätsweizenproduktion nicht immer der lohnendste Weg. Bei reduzierter Düngung im Getreide geht die Qualität noch vor dem Ertrag zurück.
  • Aufwuchsmessungen im Winterraps zu Vegetationsbeginn geben Informationen über bereits aufgenommene Nährstoffmengen und als Folge mögliche Reduktionen der Düngung.
  • Wenn Beregnung verfügbar ist, kann dies die Ausnutzung der gefallenen Dünger erhöhen und die Wirkung so absichern.

Weitere Hinweise auf der landwirtschaftskammereigenen Datengrundlage in diesem Zusammenhang sind in einem separaten Artikel der Pflanzenbaukollegen der Bezirksstelle Nienburg unter dem Webcode 01040261 nachzulesen.

Auf der Grundlage unserer Berechnungen – ergänzt um pflanzenbauliche Aspekte – sind wir so in der Lage, betriebsindividuelle Strategien für Ihre Gegebenheiten zu entwickeln und so der aktuellen Situation zu begegnen. Sprechen Sie dazu Ihre Beraterinnen und Berater vor Ort an!