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Insektenprotein füttern?

Webcode: 01042826
Stand: 12.03.2024

Weltweit sind für mehr als 2 Mrd. Menschen Insekten ein üblicher Bestandteil ihrer Ernährung - vorrangig in Afrika, Asien und Südamerika. Auch wenn Insekten als Lebensmittel bei uns bisher kaum eine Rolle spielen, ist das Thema in aller Munde. Seit einiger Zeit wird es auch in der Landwirtschaft intensiv diskutiert. Denn seit September 2021 darf Insektenprotein z.B. an Schweine oder Geflügel verfüttert werden, sofern rechtliche Vorgaben im Zusammenhang mit den Ausnahmen vom Verfütterungsverbot für tierische Proteine eingehalten werden. Für Wiederkäuer ist es tabu. Wollen selbstmischende Landwirte Insektenprotein einsetzen, benötigen sie in Niedersachsen eine Registrierung oder Zulassung vom Laves.

Wenn es darum geht, warum Insektenprotein an Nutztiere verfüttert werden soll, werden immer wieder Argumente wie Nachhaltigkeit, Tier- und Umweltschutz ins Feld geführt. Beispielsweise soll seine Nutzung den Sojaimport aus Südamerika reduzieren. Ziel ist also die nachhaltige und klimaschonende Erzeugung von tierischem Eiweiß.

 

Insekten sind wirbellose Tiere und zählen zu den landwirtschaftlichen Nutztieren (EU-Verordnung 1069/2009, Insekten sind Material der Kategorie 3). Deshalb werden an Futtermittel für Insekten die gleichen Anforderungen gestellt wie an Futtermittel für Nutztiere, die zur Produktion von Lebensmitteln eingesetzt werden. Das Füttern von Abfall ist nicht zulässig! Das sehen Kritiker durchaus anders: Sie argumentieren, dass die Insekten von Natur aus dazu da seien, organische Abfälle und damit auch Exkremente zu verwerten. Wenn also ausschließlich sichere Futtermittel zuerst an Insekten verfüttert werden und anschließend das Insektenprotein bei Nutztieren eingesetzt wird, entstehen doppelte Transformationsverluste.

 

Acht zugelassene Insektenarten

Derzeit sind in der EU acht Insektenarten zugelassen (EU-VO 2017/893 und 2021/1925):

Soldatenfliege, Stubenfliege, Mehlkäfer, Getreideschimmelkäfer, Heimchen, Kurzflügelgrille, Steppengrille und Seidenspinner. Die größte Bedeutung hinsichtlich der Proteinproduktion hat derzeit die Schwarze Soldatenfliege (Hermetia illucens).

 

In der QS-Liste ist Insektenprotein unter Nr. 9.03.01 (verarbeitetes tierisches Protein) zu finden. Im EU-Katalog der Einzelfuttermittel sind lebende und tote wirbellose Landtiere unter den Nummern 9.16.1 und 9.16.2 gelistet. Die Verwendung lebender Larven war vom Verfütterungsverbot für tierische Proteine nicht betroffen. Lebende Larven der Schwarzen Soldatenfliege (Black Soldier Fly) sind in der QS-Liste unter Nr. 9.14.02 aufgeführt. Lebende Larven müssen auch bis zum Verzehr lebend sein.

 

Insektenprotein wird bisher überwiegend in der Heimtierfütterung u.a. als hypoallergenes Futter eingesetzt. Im Nutztierbereich ist das Eiweißfutter bisher kaum von Bedeutung, die Herstellung von Insektenprotein nimmt aber zu. Erste landwirtschaftliche Betriebe beabsichtigen, in die Larvenmast einzusteigen und stellen Bauanträge. Mit welchen Futtermitteln die Larven am effizientesten gefüttert werden, ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Hier und auch beim Nährstoff- und Energiebedarf besteht noch Forschungsbedarf. Feststeht, dass die Qualität des Futtersubstrats das Larvenwachstum beeinflusst. Die Eiweißqualität ist abhängig von der Insektenart und der Futtergrundlage. Neben den Aminosäurengehalten sind auch Daten zu den verdaulichen Aminosäuren im Insektenprotein erforderlich.

 

Hohe Leistungen, aber…

Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat in einem Versuch Insektenprotein an Mastschweine verfüttert. Ergebnis war, dass der Einsatz von 4 % Insektenprotein aus der Schwarzen Soldatenfliege ohne Leistungseinbußen möglich war und 10 kg Sojaschrot eingespart werden konnten. Allerdings stiegen die Futterkosten je 100 kg Zuwachs um 54 %. Damit ist das Ziel, Sojaschrot einzusparen, beim derzeitigen Preisniveau von Insektenprotein unwirtschaftlich.

 

Das Insektenprotein im Versuch enthielt 97 % TS, 52,9 % Rohprotein, 7,8 % Rohfett, 10,3 % Rohfaser, 2,6 % Lysin, 0,68 % Methionin, 1,92 % Threonin, 0,63 % Tryptophan, 0,79 % Calcium und 1,23 % Phosphor. Dabei ergibt sich der Rohproteingehalt aus der üblichen Berechnung des N-Gehalts x 6,25. Aus der Literatur ist auch ein geringerer Umrechnungsfaktor bekannt, da Insekten das N-haltige Polysaccharid Chitin enthalten. Um den Proteingehalt nicht zu überschätzen, wird von einem Faktor 4,76 ausgegangen. Es besteht also noch Klärungsbedarf zur Ermittlung des Rohproteingehalts. Dies trifft auch für den Rohfasergehalt zu, denn Insekten enthalten keine Fasern, sondern Chitin. Im Falle von Insekten sind der klassischen Nährstoffanalytik möglicherweise gewisse Grenzen gesetzt.

 

Tiergesundheitliche Aspekte

Insekten produzieren antimikrobielle Peptide (AMP), um Keime abzuwehren. Da die Soldatenfliege viele AMP bildet, könnte sich der Proteineinsatz positiv auf die Tiergesundheit (Darmgesundheit, Schwanzbeißen, Ohrnekrosen, Federpicken u.a.) auswirken. Diese gesundheitsfördernden Effekte wären ein vielversprechender Ansatz für die Verwendung von Insektenprotein im Nutztierbereich. Weiterhin wird derzeit der Einsatz lebender Larven in der Ferkelaufzucht erforscht. Dabei geht es um die Förderung des Erkundungsverhaltens, Larven als Beschäftigungsmaterial oder auch als Übergangsfutter in der Absetzphase. Erste Ergebnisse zeigen eine hohe Akzeptanz. Ferkel lieben Larven und bevorzugen sie gegenüber Prestarter. Auch hier gibt es noch viele offene Fragen.